Gender Mainstreaming in der Kinder- und Jugendhilfe
Gender Mainstreaming ist ein gleichstellungspolitisches Konzept. Es fordert dazu auf, alle Entscheidungen und Aktivitäten einer Organisation danach zu befragen, wie diese sich auf Frauen und Männer auswirken bzw. ob und wie sie zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit beitragen.
Mit Datum vom 19.12.2000 hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) das Konzept des Gender Mainstreaming in die Förderrichtlinien des Kinder- und Jugendplans des Bundes (KJP) aufgenommen, um die Gleichstellung von Mädchen und Jungen voranzutreiben. Damit sind die aus dem KJP geförderten Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe verpflichtet, Gender Mainstreaming umzusetzen. Im Frühjahr 2002 übernahm das DJI-Projekt vom BMFSFJ die Aufgabe, den Umsetzungsprozess von Gender Mainstreaming bei KJP-geförderten Organisationen wissenschaftlich zu begleiten, um einen Beitrag zur Operationalisierung dieses geschlechterpolitischen Prinzips für die Kinder- und Jugendhilfe zu leisten.
Ziel des Forschungsprojektes ist zum einen, den Stand der Implementierung von Gender Mainstreaming in den Organisationen zu erfassen und herauszuarbeiten, welche Rahmenbedingungen sich förderlich bzw. hemmend auf die Implementierung auswirken. Zum anderen soll die wissenschaftliche Begleitung dazu beitragen, die praktische Umsetzung von Gender Mainstreaming bei den Verbänden und in den Jugendhilfeeinrichtungen sowohl auf der Ebene der Organisations- und der Personalentwicklung als auch auf der Ebene der pädagogischen Praxis durch Information und fachliche Expertise zu fördern.
Die Erhebungsmethoden sind Dokumentenanalyse, quantitative Vollerhebung mittels Fragebogen, ExpertInnengespräche, leitfadengestützte Interviews und Gruppendiskussionen. Damit sollen Informationen, eine Rückvermittlung von Forschungsergebnissen und Dokumentationen als Anregungen zur Initiierung von Gender-Mainstreaming-Prozessen wie auch als Handreichungen in laufenden Umsetzungsverfahren erarbeitet werden.
Im Ergebnis zeigt sich: Nach der Auswertung von 25 im Rahmen von Workshops und Tagungen durchgeführten Gruppendiskussionen, 20 ExpertInneninterviews, 362 Sachberichts-Stellungnahmen zu Gender Mainstreaming und 140 von verschiedenen Organisationen ausgefüllten Fragebögen Gender Mainstreaming ist – im Großen und Ganzen – bei den aus dem Kinder- und Jugendplan geförderten Trägern als Anforderung angekommen, der sich offensichtlich nur noch wenige Träger entziehen. Als fachliche Herausforderung scheint Gender Mainstreaming akzeptiert zu sein.
Die Verankerung von Gender Mainstreaming in den Förderrichtlinien des KJP verstärkt den gleichstellungspolitischen Auftrag. In den allgemeinen Grundsätzen der KJP-Richtlinie (I. 1 Absatz 2 c und I. 2 Absatz 2) ist festgeschrieben: "Der Kinder- und Jugendplan soll darauf hinwirken, dass die Gleichstellung von Mädchen und Jungen als durchgängiges Leitprinzip gefördert wird (Gender-Mainstreaming)" und "die Berücksichtigung der spezifischen Belange von Mädchen und Jungen und jungen Frauen und jungen Männern zur Verbesserung ihrer Lebenslagen sowie der Abbau geschlechterspezifischer Benachteiligungen muss bei allen Maßnahmen besonders beachtet werden. Es muss darauf hingewirkt werden, dass Frauen bei der Besetzung und Förderung hauptamtlicher Fachkraftstellen angemessen vertreten sind".
Die bisher vorliegenden Erfahrungsberichte über konkrete Umsetzungsschritte von Gender Mainstreaming weisen darauf hin, dass die Zielsetzungen in Bezug auf die jeweiligen Organisationen, deren Bedarf und fachliche Aufgaben konkretisiert und bereichsspezifisch operationalisiert werden müssen: "Gender Mainstreaming als ein Konzept zur Optimierung der gesellschaftlichen und institutionellen Organisationsprozesse (...) ist demnach ein sehr kontextabhängiges, umfeldintensives Konzept, das sowohl auf die Bedingungen und Ursachen der Ausgrenzung von Frauen in Institutionen und Organisationseinheiten detailliert eingehen als auch ihre eigenen Interpretationen und Bedürfnisse berücksichtigen muss. Gleichzeitig müssen die Strategien des Gender Mainstreaming immer der allgemeinen und auch organisationsbezogenen Entwicklung gewärtig sein und diese in die Zielsetzungen miteinbeziehen." (Roloff 2001: 59). Demzufolge muss die Art und Weise der Realisierung hinsichtlich der Zielentwicklung, Planung, Umsetzung und Überprüfung passgenau den jeweiligen organisatorischen und fachspezifischen Kontext einbeziehen.