Psychische Erkrankungen gehören weltweit zu den häufigsten Gesundheitsproblemen im Kindes- und Jugendalter – etwa jedes fünfte Kind ist betroffen. Eine Metaanalyse von 192 weltweiten Studien zeigt, dass fast die Hälfte dieser Erkrankungen bereits vor dem 18. Lebensjahr beginnt (Solmi et al. 2022). In Deutschland wurde während der Corona-Pandemie besonders deutlich, wie verletzlich Kinder und Jugendliche in Krisenzeiten sind: Der Anteil psychischer Auffälligkeiten stieg deutlich an und liegt laut COPSY-Daten von 2024 trotz leichtem Rückgang weiterhin bei rund 22 Prozent (Kaman et al. 2025).

Um psychische Belastungen zu verringern, braucht es Maßnahmen zur Förderung der seelischen Gesundheit, eine frühzeitige Erkennung von Auffälligkeiten sowie passgenaue Hilfen für Familien (WHO 2021). Voraussetzung dafür ist Transparenz über die sich dynamisch verändernde Angebotslandschaft (insbesondere in den Sektoren Bildung, Gesundheit und Soziales), damit betroffene Kinder, Jugendliche und Eltern frühzeitig erreicht und bedarfsgerecht unterstützt werden können.

Aufbauend auf den Erkenntnissen des sektorenübergreifenden Angebotsmappings in einem Stadtteil einer deutschen Großstadt (1. Förderphase) werden in dem Forschungsprojekt weiterführende Primärerhebungen mit Fachkräften, Eltern und Jugendlichen umgesetzt. Ziel ist es, Maßnahmen und Tools zu entwickelt, die die Zusammenarbeit zwischen den Sektoren Bildung, Gesundheit und Soziales stärken, Zugangshürden reduzieren und die bedarfsgerechte Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Familien fördern sollen. Dabei werden folgende Fragestellungen bearbeitet:

  • Weiterentwicklung des Angebotsmappings: Wie lässt sich ein intersektorales Angebotsmapping in ländlich geprägten Kommunen umsetzen?
  • Datenlage zur Nutzung psychosozialer Angebote: Welche bundesweiten Daten liegen zu Bedarfen, Kenntnissen und Inanspruchnahmen psychosozialer Angebote durch Eltern und Jugendliche vor?
  • Perspektive der Nutzer:innen: Wie erleben Kinder, Jugendliche und Familien die Inanspruchnahme psychosozialer Angebote? Welche positiven Erfahrungen und welche Hürden treten im Hilfeprozess auf?
  • Praxisrelevanz: Wie können die Ergebnisse des Forschungsprojekts so aufbereitet werden, dass Fachkräfte und Kommunen unmittelbar davon profitieren?

Es wird ein multimethodisches Design umgesetzt, das mit quantitativen Sekundäranalysen einschlägiger Datensätze beginnt. Das anschließende Angebotsmapping erfolgt über ein Desk Research und eine quantitative Befragung von Fachkräften in der Untersuchungsregion. Die Perspektiven von Eltern auf die Angebote und deren Inanspruchnahme in ihrer Kommune werden über eine quantitative Online-Befragung erhoben. Client Journeys von Jugendlichen sowie ihre Erfahrungen, Wege und Hürden bei der Inanspruchnahme von Hilfsangeboten werden in qualitativen Interviews sowie durch Dokumentenanalysen retrospektiv erforscht. Die Translation der Ergebnisse für die Fachpraxis erfolgt in einem partizipativen Prozess mit Fachkräften der drei Sektoren. Die entwickelten Materialien werden hinsichtlich ihrer Praxisnähe und Rezeption evaluiert.

Das Forschungsprojekt ist im Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) mit dem Standort Bochum-Marburg verankert. Es wird in Kooperation mit dem Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) umgesetzt. 

Solmi, Marco / Radua, Joaquim / Olivola, Miriam / Croce, Enrico / Soardo, Livia / Salazar de Pablo, Gonzalo / Il Shin, Jae / Kirkbride, James B. / Jones, Peter / Kim, Jae Han / Kim, Jong Yeob / Carvalho, André F. / Seeman, Mary V. / Correll, Christoph U. / Fusar-Poli, Paolo (2022): Age at onset of mental disorders worldwide: large-scale meta-analysis of 192 epidemiological studies. In: Molecular Psychiatry, 27. Jg., H. 1, S. 281–295.

Kaman, Anne / Erhart, Michael / Devine, Janine / Napp, Ann-Kathrin / Reiß, Franziska / Behn, Steven / Ravens-Sieberer, Ulrike (2025): Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Zeiten globaler Krisen: Ergebnisse der COPSY-Längsschnittstudie von 2020 bis 2024. In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 68. Jg., H. 6, S. 670–680. 

WHO - World Health Organization (2021): Comprehensive Mental Health Action Plan: 2013–2030. Geneva. 
 

Kontakt

+49 345 68178-48
Deutsches Jugendinstitut Außenstelle Halle
Franckeplatz 1
Haus 12/13
06110 Halle (Saale)

Mehr zum Projekt