Mit steigender Erwerbsbeteiligung von Müttern sowie mit—wenngleich weniger deutlich—ansteigender Familienarbeit der Väter befindet sich die Rollenverteilung von Eltern im Wandel. Dies sollte sich zunehmend auch in Veränderungen der Ausgestaltung elterlicher Verantwortungsmodelle für gemeinsame Kinder nach Trennung bzw. Scheidung zeigen. Die Orientierung des deutschen Rechts am Residenzmodell, das den Lebensmittelpunkt der betroffenen Kinder bei einem Elternteil vorsieht, läuft dabei Gefahr, unbeabsichtigt unerwünschte traditionelle Rollenverteilungen zu zementieren, die dem gesellschaftlichen Normenwandel sowie langfristig dem Kindeswohl entgegenstehen könnten. Ziel des Forschungsprojektes ist es zu untersuchen, wie die gewählten elterlichen Verantwortungsmodelle gegenüber gemeinsamen Kindern die materielle Wohlfahrtsposition getrennter Mütter und Väter beeinflussen.

Annahmen und Fokus der Studie

Das Hauptaugenmerk der Studie liegt auf der Wechselwirkung zwischen ökonomischen Trennungs-Konsequenzen für Mütter und Väter und dem gewählten Verantwortungsmodell gegenüber ihren Kindern. Politisch ist die Erforschung dieses Zusammenhanges aufgrund seiner Implikationen für die Identifizierung möglicher Reformbedarfe des aktuellen Familienrechts überaus relevant. Zentral dabei ist die Beantwortung der Frage, ob die rechtliche Orientierung am Residenzmodell mit einer Abstrafung/Mehrfachbelastung (und somit Entmutigung) familienaktiver Vaterschaft oder/und einer Abstrafung berufsaktiver Mutterschaft einhergeht. Es soll anhand der Ergebnisse gezeigt werden, welche Anreize sich aus verhandlungsökonomischer Perspektive im Status quo des deutschen Familienrechts potenziell vor und nach Trennung/Scheidung für die Zeitverwendung und Lebensgestaltung von Eltern ergeben.

Methodik

Anhand von empirischen Analysen basierend auf Längsschnitt-Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) wird in diesem Projekt explorativ untersucht, wie sich die ökonomische Situation getrennter Elternpaare in Abhängigkeit von ihrem gewählten Verantwortungsmodell gegenüber ihren Kindern entwickelt. Die Paarperspektive im Längsschnitt um die Trennung herum folgt der Studie von Bianchi et al. (1999). Dabei werden Verantwortungsmodelle im Sinne eines ressourcenökonomischen Ansatzes insbesondere anhand des Einsatzes der Ressourcen Zeit und Geld seitens beider Elternteile charakterisiert.

Ergebnisse

Erste explorative Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine partnerschaftliche Verantwortungsteilung nach Trennung innerhalb eines mütterlichen Residenzmodells die ökonomischen Belastungen alleinerziehender Mütter nicht abfedern kann. Diese Ergebnisse bestätigen die in früheren Studien aufgezeigte Persistenz geschlechtsspezifischer Ungleichheiten nach wie vor Trennung in Sorge- und Erwerbsarbeit trotz der jüngsten familienpolitischen Reformen in Deutschland (vgl. Bröckel/Andreß, 2015). Darüber hinaus unterstützen sie qualitativ die Ergebnisse von Augustijn (2022), die aufzeigen, dass jede Form eines Wechselmodells für das wirtschaftliche Wohlergehen von Müttern nach der Trennung besser ist als das mütterliche Residenzmodell.

Boll, C.; Schüller, S. (2022). The Economic Well-Being of Nonresident Fathers and Custodial Mothers Revisited: The Role of Paternal Childcare, Journal of Family and Economic Issues, DOI: 10.1007/s10834-022-09876-7

"Partnerschaftliche Aufteilung der Kinderbetreuung senkt Armutsrisiken von Müttern nach Trennung", in: BMFSFJ (2021). Monitor Familienforschung Nr. 43. Allein- oder getrennterziehen - Lebenssituation, Übergänge, Herausforderungen", S. 51-53.

Augustijn, L. (2022). Mothers’ Economic Well-Being in Sole and Joint Physical Custody Families. Journal of Family and Economic Issues, im Erscheinen.

Bianchi, S. M., Subaiya. L. & Kahn, J. R. (1999). The gender gap in the economic wellbeing of nonresident fathers and custodial mothers. Demography, 36(2), 195–203.

Bröckel, M. & Andreß, H. J. (2015). The economic consequences of divorce in Germany: what has changed since the turn of the millennium?. Comparative Population Studies, 40(3), 277–312.

Kontakt

+49 89 62306-242
Deutsches Jugendinstitut
Nockherstr. 2
81541 München