2008 fassten die Regierungschefs der Länder und die Bundeskanzlerin beim zweiten Kinderschutzgipfel den gemeinsamen Beschluss, das Thema „Lernen aus Fehlern“ als Strategie für die Qualitätsentwicklung im Kinderschutz stärker in den Blick zu nehmen. Hierzu wurde das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) in Trägerschaft der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstituts e.V. (DJI) beauftragt, in Abstimmung mit Bund und Ländern eine „Plattform für einen regelhaften Erfahrungsaustausch zu problematisch verlaufenen Kinderschutzfällen“ einzurichten. Im Projektbereich „Lernen aus problematischen Kinderschutzverläufen“ wurden seitdem verschiedene Projekte durchgeführt sowie u.a. Expertisen und Leitfäden in Auftrag gegeben und veröffentlicht.

Ziel des Projektbereiches ist es, die Qualitätsentwicklung im Kinderschutz zu befördern. Durch die praxistaugliche Aufbereitung des durch wissenschaftliche Methoden gewonnenen Wissens etwa in Form von Empfehlungen und Leitfäden soll ein Beitrag zur Weiterentwicklung der Kinderschutzpraxis geleistet werden. Aus diesem Grund wurde der Projekttitel ab 2020 geändert in „Qualitätsentwicklung im Kinderschutz“.

Das Projekt „Qualitätsentwicklung im Kinderschutz 2024–2026" ist Teil der Fachgruppe 4 „Frühe Hilfen" der Abteilung „Familie und Familienpolitik" im Deutschen Jugendinstitut (DJI). Das Projekt wird im Rahmen des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH), getragen von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstitut (DJI), durchgeführt und aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.

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1. Fortführung von Fallanalysen und Weiterentwicklung der Methode „Gemeinsam lernen aus Kinderschutzverläufen

Die zwischen 2011 und 2015 entwickelte Methode „Gemeinsam lernen aus Kinderschutzverläufen“ (Gerber/Lillig 2018) wird von 2024-2026 fortgeführt und die bereits gewonnenen Erkenntnisse aus den bisherigen Fallanalysen werden angereichert. Das Vorgehen bei der Fallauswahl, die Einbindung der am Fall beteiligten Akteure und Akteurinnen in den Analyseprozess (Biesel/Wolff 2014) sowie die dialogische Deutung der Fälle und die Ableitung von Kriterien folgen den Prinzipien der partizipativen Praxisforschung (vgl. Argyris/Schön 1978). Im Förderzeitraum werden jährlich ca. zwei Fälle analysiert. Nach jeder Fallanalyse wird die Methode auf der Grundlage der Erfahrungen weiterentwickelt.

2. Gelingensfaktoren für den Aufbau einer tragfähigen Arbeitsbeziehung im Kinderschutz aus den Perspektiven von Fachkräften und Eltern

Die Arbeit mit Eltern im Kinderschutz gehört zu einer der anspruchsvollsten Tätigkeiten in der Sozialen Arbeit, da es sich in der Regel um die Beratung unfreiwilliger Klientinnen und Klienten handelt. Die Fallanalysen haben wiederholt gezeigt, dass spezifisches Methodenwissen und Training bei den Fachkräften nicht immer vorhanden ist. Mangelnde Kompetenzen in der Arbeit mit Menschen im Zwangskontext wirken sich erheblich auf die Qualität und den Erfolg der Kinderschutzarbeit aus. Aktuell liegen kaum Publikationen oder Praxismaterialien zu diesem Thema vor. Insofern besteht derzeit hoher Praxisentwicklungsbedarf. In der geplanten Studie werden empirisch fundierte Gelingensfaktoren für den Aufbau einer tragfähigen Arbeitsbeziehung im Kinderschutz herausgearbeitet und der Praxis in Form von Empfehlungen zur Verfügung gestellt. Hierzu werden bereits vorhandene Forschungsdaten aus der vom NZFH zwischen 2013 und 2015 durchgeführten Fallstudie („Hilfreiche und hinderliche Faktoren für die Zwangsberatung") sekundär analysiert. Die Analyse orientiert sich dabei insbesondere an einem für den Kinderschutz adaptierten Ansatz des Motivational Interviewing (Forrester//Wilkins/Whittaker 2021).

3. Förderung des Dialogs zwischen Fachpraxis, Wissenschaft und Politik im Hinblick auf das „Lernen aus problematischen Fallverläufen“

Zur Förderung eines regelmäßigen Dialogs zwischen Bund, Ländern, Praxis, Wissenschaft und Lehre wird das Format jährlicher Fachgespräche Kinderschutz in Form eines Workshops fortgeführt. Die Ergebnisse werden auf der Homepage des NZFH veröffentlicht (https://www.fruehehilfen.de/qualitaetsentwicklung-kinderschutz/fachgespraeche-zum-kinderschutz/). Thema des Fachgespräches Kinderschutz im Oktober 2024 wird sein: „Fehlerrisiken im Kinderschutz und die Personalsituation im Allgemeinen Sozialen Dienst. Zukunftsperspektiven“.

Argyris, Chris/Schön, Donald A. (1978): Organizational learning. A theory of action perspective. Reading, Mass

Biesel, Kay/Wolff, Reinhart (2014): Aus Kinderschutzfehlern lernen. Eine dialogisch-systemische Rekonstruktion des Falles Lea-Sophie. Bielefeld

Forrester, Donald/Wilkins, David/Whittaker, Charlotte (2021) Motivational Interviewing for Working with Children and Families. London und Philadelphia

Gerber, Christine/Lillig, Susanna (2018): Gemeinsam lernen aus Kinderschutzverläufen. Eine systemorientierte Methode zur Analyse von Kinderschutzfällen und Ergebnisse aus fünf Fallanalysen. Bericht. Herausgegeben vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH). Köln

Kontakt

Deutsches Jugendinstitut
Nockherstr. 2
81541 München

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