Wissen von Schülerinnen und Schülern über sexuelle Gewalt in pädagogischen Kontexten
Bereits im Jahr 2011 zeigte die Studie "Sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Jungen in Institutionen", dass sexuelle Übergriffe in Schulen und anderen pädagogischen Einrichtungen keine Seltenheit sind. In dieser Studie wurden überwiegend Schulleitungen sowie Einrichtungsleitungen anderer pädagogischer Einrichtungen befragt. Im vorliegenden Projekt wurden nun neben Schulleitungen auch Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe befragt. Zuvor waren nur aus dem Ausland Befragungen von Schülerinnen und Schülern über ihre sexuelle Gewalterfahrungen (z.B. Averdijk u.a. 2011) sowie deren Bereitschaft zur Offenlegung dieser Erfahrungen gegenüber anderen Personen (z.B. Priebe/Svedin 2008) bekannt. Theoretische Grundlage bildeten Ansätze, welche die Ursache sexueller Gewalt in einem komplexen Zusammenspiel zwischen Betroffenen, Täter bzw. Täterinnen und (schulischem) Umfeld sehen (z.B. Finkelhor 1984). Das Projekt war im BMBF-Förderprogramm "Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kontexten" angesiedelt und ging folgenden zentralen Fragestellungen nach:
1. Welche Maßnahmen zur Verhinderung und Aufarbeitung von sexuellen Grenzverletzungen werden in Schulen unternommen?
2. In welchem Ausmaß wissen Schülerinnen und Schüler über diese Maßnahmen Bescheid und wie schätzen sie diese ein?
3. Haben Schülerinnen und Schüler, die Grenzverletzungen erlebt haben, diese für sich behalten oder ihren Eltern, Freunden, Mitschülerinnen und Mitschülern oder dem Schulpersonal mitgeteilt?
4. Was sind Merkmale von Schulen, in denen Schülerinnen und Schüler ihre erlebten Grenzverletzungen besonders häufig ihren Mitschülerinnen und Mitschülern oder dem Schulpersonal mitteilen?
Die Befragung fand in Form einer Fragebogenerhebung im Schuljahr 2015/2016 an weiterführenden Schulen in vier Bundesländern statt und wurde durch das SOKO Institut für Sozialforschung und Kommunikation durchgeführt. Die Schülerinnen und Schüler füllten den Fragebogen während einer Schulstunde im Klassenzimmer aus. Während und nach der Befragung waren Fachberaterinnen bzw. Fachberater gegen sexuelle Gewalt in der Schule anwesend sein. Falls Interesse seitens der Schule bestand, führten diese im Anschluss an die Befragung noch eine kurze (1-2 Schulstunden dauernde) Informationsveranstaltung über die Themen der Befragung in den teilnehmenden Klassen durch. Erhoben wurden u.a. Angaben der Befragten zu den unternommenen Maßnahmen zur Verhinderung und Aufarbeitung von sexuellen Grenzverletzungen, zur Nutzung und Einschätzung dieser Maßnahmen, zu selbst erfahrenen oder im Bekanntenkreis mitgeteilten Übergriffen sowie zur Bereitschaft diese Übergriffe mitzuteilen und Hilfe zu holen.
Averdijk, Margit/Müller-Johnson, Katrin/Eisner, Manuel (2011): Sexuelle Viktimisierung von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz. Schlussbericht für die UBS Optimus Foundation. Zürich
Priebe, Gisela/Svedin, Carl G. (2008): Child sexual abuse is largely hidden from the adult society. An epidemiological study of adolescents' disclosures. In: Child Abuse & Neglect. 32. Jg., H. 12, S. 1095–1108
Finkelhor, David (1984): Child sexual abuse. New theory and research. New York