Bedarfsanalyse zur Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt
Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt mit destruktiven Auswirkungen auf Betroffene, deren Kinder, aber auch auf die Gewaltausübenden sind als gesellschaftsweites Problem erkannt. Viele Jahre lang lag der Schwerpunkt auf der Verbesserung der Intervention und dem Ausbau von Schutz und Unterstützung Betroffener. In diesem Kooperationsprojekt steht nun die Prävention von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt im Mittelpunkt. Ziel ist, Erkenntnisse über das bestehende Angebot, erreichbare Wirkungen und ungedeckte Bedarfe von Präventionsmaßnahmen zu gewinnen. Auf Grundlage der empirischen Ergebnisse und sozialpolitischen Ableitungen mit Empfehlungscharakter können im Anschluss nationale und regionale Gesamtkonzepte zur Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt erarbeitet werden.
Anknüpfend an die Zielvorgaben aus der Istanbul-Konvention und dem Koalitionsvertrag erheben das DJI, SOCLES/SoFFI erstmals systematisch über die Sozial-, Bildungs-, Gesundheits- und Gefahrenabwehrbereiche hinweg Angebote zur Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Deutschland.
Das Projekt beinhaltet fünf Module:
(1) Aufarbeitung des Wissensstandes: Ein systematischer Forschungsreview untersucht das Spektrum evaluierter Präventionsangebote und ihrer Wirkungen und aktualisiert bestehende Übersichtsarbeiten zu kausalen Faktoren der Genese von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt, welche mittels Prävention adressierbar sind.
(2) Bestandserhebung auf Bundes- und Landesebene und an Schulen: Zwei Auswertungen dienen der Systematisierung von bereits abgeschlossenen Aktionsplänen, Programmen und Kampagnen sowie des schulischen Präventionsangebots.
(3) Bestandserhebung auf kommunaler Ebene: In 60 kreisfreien Städten und Landkreisen werden die bestehenden Präventionsangebote in der Kinder und Jugendhilfe, den sozialen Diensten für Erwachsene, dem Gesundheitsbereich sowie der Polizei und Justiz durch die Befragung von lokal informierten Expert:innen ermittelt. Die Stichprobe wird anhand der Bevölkerungsgröße und Lage der Kommunen in sechs siedlungstypische Gruppen differenziert. Je Siedlungstyp wird zusätzlich eine Good-Practice-Kommune einbezogen, die über eine herausgehobene lokale Infrastruktur von Angeboten verfügt. Sie dient der Kontrastierung des Präventionsbestands in der ansonsten repräsentativen Erhebung.
(4) Erhebung der Erwartungen an die Politik: Erfasst werden die Perspektiven von Betroffenen, von Fachverbänden der auf geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt spezialisierten Dienste und von Akteur:innen der Kinder- und Jugendhilfe, Schulen und Kitas, des Gesundheitsbereichs, der Polizei und Justiz. Es werden Online-Fragebögen eingesetzt und darauf aufbauend thematisch homogen zusammengesetzte Fokusgruppen durchgeführt.
(5) Ableitung von Empfehlungen: In einem Abschlussbericht werden die Erkenntnisse der Untersuchungen zusammengefasst und darauf aufbauend Empfehlungen für die Konzeptionierung und Umsetzung einer nationalen Präventionsstrategie abgeleitet.
Sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut zu Geschlechterfragen (SoFFI) im International Centre for Socio-Legal Studies gGmbH (SOCLES/SoFFI), Heidelberg/Berlin
- Andrea Buskotte, Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen, Hannover
- Prof. Dr. Sandra Glammeier, Hochschule Niederrhein, Mönchengladbach
- Prof. Dr. Thomas Görgen, Deutsche Hochschule der Polizei, Münster
- Prof. Dr. Heidi Stöckl, Ludwigs-Maximilians-Universität (LMU), München
Kindler, Heinz / Unterstaller, Adelheid (2013): Primäre Prävention von Partnergewalt. Ein entwicklungsökologisches Modell. In: Kavemann, Barbara/Kreyssig, Ulrike (Hrsg.): Handbuch Kinder und Häusliche Gewalt. 3. Auflage. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. S. 513–531.
Kovalenko, Anastasiia G. / Abraham, Charles / Graham-Rowe, Ella / Levine, Mark / O'Dwyer, Siobhan (2022): What Works in Violence Prevention Among Young People? A Systematic Review of Reviews. In: Trauma, Violence & Abuse, 23. Jg., H. 5, S. 1388–1404.