BETTER CARE
Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung unbegleiteter junger Flüchtlinge durch gestufte Behandlungsangebote
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz suchen, haben häufig vor oder während der Flucht traumatische Erfahrungen gemacht (Jensen u.a. 2014). Zudem können die Lebensbedingungen in Deutschland zusätzliche Belastungen mit sich bringen, etwa den Verlust sozialer Bindungen, das Unwissen über den Verbleib nahestehender Familienangehöriger oder ein ungesichertes Bleiberecht. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass geflüchtete Menschen aller Altersgruppen vor diesem Hintergrund ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen, insbesondere posttraumatische Belastungsstörungen, aufweisen (Jensen u.a. 2015). Eine frühe fach- und zielgruppengerechte Behandlung kann daher Leid mindern, die Integration erleichtern und den jungen Menschen helfen, Lebensperspektiven für sich zu entwickeln – nicht nur im Fall einer Verwurzelung in Deutschland, sondern auch bei einer Rückkehr ins Herkunftsland oder bei einer Weiterwanderung.
Angesichts der hohen Anzahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge mit posttraumatischen Belastungsanzeichen ist eine Lücke bei der psychotherapeutischen Versorgung und Unterstützung der Betroffenen entstanden (Witt u.a. 2015). Ein möglicher Lösungsansatz besteht im Aufbau von gestuften Behandlungssystemen, die abhängig vom individuellen Bedarf der Jugendlichen systematisch unterschiedliche Angebote enthalten, beispielsweise in Form einer psychotherapeutisch angeleiteten Gruppenarbeit für weniger belastete Jugendliche und einem individualtherapeutischen Angebot für stärker belastete Minderjährige.
Beim Zugang zur Behandlung sowie während der Intervention ist eine Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Gesundheitssystem erforderlich (Besier u.a. 2009; Mack u.a. 2017). Auch im Anschluss an eine Behandlung übernehmen die Einrichtungen der Jugendhilfe (meist handelt es sich dabei um betreute Wohngruppen) eine wichtige Rolle, um den weiteren Weg der Jugendlichen in die Verselbstständigung zu unterstützen.
Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel des Projekts „BETTER CARE“, zusammen mit der Katholischen Universität Eichstätt und dem Universitätsklinikum Ulm ein Verbundforschungsprojekt zur psychotherapeutischen Versorgung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter durchzuführen (Projekthomepage: http://bettercare.ku.de/). Im Rahmen des Projekts werden zwei bereits erprobte und auf ihre Wirksamkeit hin überprüfte Ansätze zur psychotherapeutischen Versorgung und Unterstützung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten in den Regelstrukturen der Jugendhilfe implementiert.
Dabei erfasst das Teilprojekt des DJI im Rahmen einer quantitativen Einrichtungsbefragung, inwieweit die Versorgungsstrukturen in Bayern und Baden-Württemberg den Bedarfen belasteter Geflüchteter im Jugendhilfesystem gerecht werden und welche Verbindungen bereits zwischen Jugendhilfesystem und psychischen Gesundheitssystem existieren. Darüber hinaus sollen durch qualitative Fokusgruppen Hindernisse bei der Implementation der Interventionen in die Regelstrukturen und mögliche Lösungen sowie Risiko- und Schutzfaktoren, welche die Wirksamkeit der Intervention beeinflussen, identifiziert werden. In Form einer Längsschnittstudie soll schließlich ein Teil der an der Intervention beteiligten geflüchteten Jugendlichen mittels eines Fragebogens zu der Entwicklung ihrer Symptomatik sowie zu Prozessen der Teilhabe und Perspektivenentwicklung befragt werden.
Besier, Tanja/Fegert, Jörg M./Goldbeck, Lutz (2009): Evaluation of psychiatric liaison-services for adolescents in residential group homes. European Psychiatry, Jg. 24, H. 7, S. 483–489.
Jensen, Tine K./Fjermestad, Krister W./Granly, Lene/Wilhelmsen, Nicolai H. (2015): Stressful life experiences and mental health problems among unaccompanied asylum-seeking children. Clinical child psychology and psychiatry, 20. Jg., Nr. 1, S. 106-116.
Jensen, Tine K./Skardalsmo, Envor M. Bjørgo/Fjermestad, Krister W. (2014): Development of mental health problems-a follow-up study of unaccompanied refugee minors. Child and adolescent psychiatry and mental health, 8. Jg., Nr. 1, S. 29.
Mack, Judith/Wanderer, Sina/Keitel, Janin/Bittner, Jana/Herrmann, Elisabeth/Ehrlich, Stefan/Roessner, Veit (2017): Better together? Cooperation between youth welfare office and child and adolescent psychiatry: A methodological approach. Children and Youth Services Review, Jg. 79, S. 44–49.
Witt, Andreas/Rassenhofer, Miriam/Fegert, Jörg M./Plener, Paul L. (2015): Hilfebedarf und Hilfsangebote in der Versorgung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Kindheit und Entwicklung.