Inklusive Bildung in der Gruppe
Eine Studie über das gruppenbezogene Handeln pädagogischer Fachkräfte in der Kita
Verbunden mit der Ausdifferenzierung der gesetzlichen Regelungen im Umgang mit Inklusion und der zunehmenden Heterogenität von Kindern, die eine Kindertageseinrichtung besuchen, steigt die Erwartung, dass die Frühe Bildung sich weiter zu einem Bestandteil eines inklusiven Bildungssystems entwickelt. Damit wächst auch der Handlungsdruck auf pädagogische Fachkräfte sowie der Bedarf an pädagogischen Antworten im Umgang mit Kindern mit vielfältigen Bedarfen in Kindertageseinrichtungen. Angesichts des allgemein hohen Stellenwerts der Gruppenprozesse in Kitas – insbesondere auch für die inklusive Pädagogik – geht dieses Projekt der Frage nach, wie Fachkräfte im pädagogischen Alltag Gruppenprozesse gestalten und welche Auswirkungen diese auf ein inklusives Setting haben.
Zwar liegen für den diversitätssensiblen Umgang mit Kindern zum Teil konzeptionelle Überlegungen vor (Derman-Sparks 1989; Wagner 2003), diese sind jedoch weniger empirisch verortet. Zudem wird dabei der Tatsache, dass Kinder in Kindertageseinrichtungen vor allem in (Klein-)Gruppen interagieren, eher geringe Beachtung geschenkt (Brandes 2008). Daher zielt das Forschungsprojekt darauf ab, sowohl aktuelle theoretische Diskurse und Anforderungen einer inklusiven Bildung in der Gruppe systematisch aufzubereiten und zu reflektieren, als auch empirische Erkenntnisse zum Gruppenmanagement zu generieren, die eine Grundlage für die Weiterentwicklung einer inklusiven Gruppenpädagogik bilden können.
Wie agieren pädagogische Fachkräfte in Kindergruppen? Welche Strategien und Handlungsformen setzten sie ein, um Kindergruppen zu moderieren? Wie balancieren sie dabei individuelle Förderung und Gruppenprozesse aus?
Wie wirken sich Strategien des Gruppenmanagements auf die Bedingungen eines inklusiven Settings aus?
Welchen Einfluss haben Heterogenitätsdimensionen wie zum Beispiel Geschlecht, Ethnie, Alter, Behinderung auf Prozesse von Zugehörigkeit und Ausgrenzung? Über welche Mechanismen werden diese praktiziert?
Welche pädagogischen Orientierungen zur Gruppenpädagogik und deren Bedeutung für inklusive Pädagogik leiten das Handeln pädagogischer Fachkräfte?
Um die interaktiven Prozesse in Kindergruppen und das pädagogische Handeln der Fachkräfte im Spannungsfeld individualisierter Förderung und Gruppenmanagement zu verstehen, wird ein qualitativer Forschungszugang gewählt, der die ganzheitlichen Eigenschaften des sozialen Feldes gegenstandsnah erschließt. Dafür werden bis zu drei Kindertageseinrichtungen, davon mindestens eine mit integrativem Konzept, die explizit auch Bildungsangebote für Kinder mit „Behinderungen“ macht, in den Blick genommen.
Das Projekt erarbeitet zunächst einen Überblick über die Forschungsergebnisse zur Bedeutung der Kindergruppe im Rahmen der inklusiven frühen Bildung. Dazu werden nationale und internationale Studien aus unterschiedlichen Disziplinen gesichtet und die Ergebnisse systematisch aufbereitet. Zweitens werden teilnehmende Beobachtungen mittels eines ethnographischen Zugangs in drei Kindertageseinrichtungen durchgeführt, die zum Teil videographiert werden, um die Rolle und Bedeutung von Kindergruppen in inklusiven Prozessen sowie das Agieren der Fachkräfte rekonstruieren zu können. Zur Entschlüsselung pädagogischer Orientierungen, auf deren Basis die Fachkräfte in inklusiven Gruppenprozessen handeln, werden darüber hinaus leitfadengestützte Gruppendiskussionen mit den beteiligten Fachkräften durchgeführt.
Brandes, Holger (2008):
Selbstbildung in Kindergruppen. Die Konstruktion sozialer Beziehungen. München, Basel
Derman-Sparks, Louise (1989):
Anti-Bias-Curriculum. Tools for empowering young children. Washington
Wagner, Petra (2003):
„Anti-Bias-Arbeit ist eine lange Reise…“. Grundlagen vorurteilsbewusster Praxis in Kindertageseinrichtungen. In: Preissing, Christa/Wagner, Petra (Hrsg.): Kleine Kinder, keine Vorurteile? Interkulturelle und vorurteilsbewusste Arbeit in Kindertageseinrichtungen, Freiburg im Breisgau/Basel/Wien