Das Logische Modell als Instrument der Evaluation in der Kriminalitätsprävention im Kindes- und Jugendalter
Ein Projektmodul der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention
Kurzbeschreibung
Im Rahmen des an die Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention angegliederten Projektmoduls „Logische Modelle“ wurde erprobt, inwieweit das Logische Modell als Instrument der Evaluation von Delinquenzprävention im Kindes- und Jugendalter geeignet ist. Die modellhafte Anwendung auf verschiedene Praxisprojekte soll die Chancen und Grenzen dieses Ansatzes aufzeigen und gleichzeitig einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Fachdiskussion über externe Evaluation leisten.
Wie in vielen anderen sozialen und pädagogischen Bereichen, in denen öffentliche Mittel aufgewendet werden, ist auch in der Prävention von Delinquenz im Kindes- und Jugendalter in den letzten Jahren von Seiten der Politik zunehmend der Ruf nach mehr Evaluationen deutlich geworden. Dabei werden – wie beispielsweise im zweiten Periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregierung (vgl. Bundesministerium des Innern & Bundesministerium der Justiz 2006) – insbesondere Wirkungsevaluationen gefordert, die sich an strikten methodischen Vorgaben zu orientieren haben. Mit experimentellen bzw. quasiexperimentellen Forschungsdesigns können jedoch wenig formalisierte pädagogische Ansätze, mit denen man sich im Bereich der Delinquenzprävention im Kindes- und Jugendalter meist konfrontiert sieht, nicht angemessen erfasst werden. Eine Möglichkeit, sich diesen Ansätzen zu nähern und für eine Evaluation zugänglich zu machen, bieten sogenannte Logische Modelle.
Das Konzept des Logischen Modells beruht auf der Annahme, dass Programme Ziele verfolgen und diese auf der Grundlage von Rahmenbedingungen und Ressourcen sowie speziellen Aktivitäten erreichen. Konkreter bedeutet dies beispielsweise, dass vor dem Hintergrund einer näher bestimmten Zielgruppe und vorhandener Gesetze durch den Einsatz fachlicher Qualifikation Dienstleistungen erbracht werden, die zu einem bestimmten Resultat bei der Zielgruppe führen. Das Logische Modell bietet die Möglichkeit, zu erklären, welche Schritte aufeinander aufbauen und was diese bewirken (sollen), dient also dazu, ein Projekt so zu beschreiben, dass die zugrunde liegende (Handlungs-)Strategie nachvollziehbar wird. Über die Herausarbeitung der einzelnen Prozessbestandteile eines Programmes hinaus kann das Konzept des Logischen Modells somit auch eine wesentliche Voraussetzung zur Klärung der Wirkungsfrage leisten. Die Einsatzmöglichkeiten Logischer Modelle sind variabel: Sie bieten sich als Praxisinstrumente für die Konzipierung und Durchführung von Programmen an und können als heuristische Instrumente der Evaluation angewandt werden, um die meist implizit bleibenden Programmannahmen zu klären.
(Quelle: Haubrich, Holthusen & Struhkamp 2005, S. 3)
Anliegen des vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderten Vorhabens war es, das Logische Modell für Evaluationen in der Kriminalprävention weiter zu entwickeln und zu erproben. Unter Einbezug unterschiedlicher Praxisansätze sollten die Chancen und Grenzen dieses Ansatzes herausgearbeitet werden. Ein weiteres Ziel des Projektes bestand darin, das Logische Modell stärker in die Fachdebatten über Evaluation einzubringen, da davon ausgegangen wird, dass es eine Alternative zu reinen Black-Box-Konzepten und experimentellen Designs darstellt.
Kerngedanke bei der Entwicklung eines Logischen Modells ist es, gemeinsam mit den Vertretern von Praxisprojekten deren interne Programmlogik als Logische Modelle bzw. Programmtheorie zu rekonstruieren, um sie einer gegenstandsbezogenen, wirkungsorientierten Evaluation zugänglich zu machen. Der Erarbeitung und Anreicherung des Logischen Modells in Zusammenarbeit mit den Akteuren der Praxisprojekte kommt dabei nicht lediglich die Funktion der „Vorarbeit“ für die „eigentliche“ Evaluation zu. Die schrittweise Entwicklung von ausführlichen Programmbeschreibungen bietet vielmehr die Möglichkeit, kontinuierlich Erkenntnisse über die jeweiligen Projekte und ihre Handlungslogiken zu gewinnen und frühzeitig auf Fragen der Evaluation aufmerksam zu werden. Das Vorgehen impliziert für die Projektverantwortlichen einen Prozessnutzen, der einen Beitrag zur Qualitätssicherung leisten kann: so ist zwar in den meisten Präventionsprogrammen klar formuliert, dass das Ziel in einer Reduzierung oder Verhinderung von Delinquenz besteht. Wissenslücken bestehen jedoch häufig darin, auf welchem Weg, also durch welche Verbindungen und logische Abfolge der einzelnen Programmelemente (Kontextvoraussetzungen, Aktivitäten, Effekte, längerfristige Zielsetzungen) dieses Ziel genau erreicht wird. Da bei der Erarbeitung Logischer Modelle genau auf diese Aspekte der Blick gerichtet wird, bieten sie die Chance, derartige Wissenslücken zu schließen.
Mit dem Logischen Modell liegen schließlich ausführliche Programmbeschreibungen der jeweiligen Projekte vor, die eine Grundlage für die anschließende Evaluation darstellen und es möglich machen, nicht nur das Projekt als Ganzes, sondern auch einzelne Programmelemente einer Evaluation zugänglich zu machen.
Das Projektmodul gliederte sich in insgesamt drei Projektphasen:
- Erarbeitung erster Logischer Modelle von vier exemplarisch ausgewählten Praxisprojekten sowie deren weitere Anreicherung
- Auswahl von zwei Praxisprojekten zur wirkungsorientierten Evaluation und Entwicklung des Evaluationsdesigns sowie Identifikation zentraler Fragestellungen für die Evaluation
- Durchführung der Evaluation
Das methodische und inhaltliche Vorgehen erfolgte in Abhängigkeit der entwickelten Evaluationsfragestellungen. Naheliegend war mit Blick auf die strukturellen Besonderheiten von kriminalpräventiven Praxisprojekten ein qualitatives Vorgehen. Neben ExpertInnen- und AdressatInneninterviews fanden auch Gruppendiskussionen, teilnehmende Beobachtung und Dokumentenanalysen statt.
Auftaktveranstaltung mit den Praxisprojekten
Auftakt für das auf zwei Jahre angelegte empirische Forschungsvorhaben war der Workshop „Logische Modelle in der Kriminalitätsprävention“, der vom 17. bis 19. November 2008 am DJI in München stattfand. Teilgenommen haben vier Praxisprojekte, die hinsichtlich ihrer Zielgruppen, der methodischen Ausrichtung sowie der Projektreife ein breites Spektrum repräsentierten:
- Soziale Gruppenarbeit für strafunmündige Kinder
- Berufsbezogene Jugendhilfemaßnahme für gewaltbereite männliche Jugendliche
- Anti-Aggressivitätstraining für gewaltauffällige Mädchen
- Erzieherischer Jugendarrest für männliche Straftäter
Neben der Einführung in das Instrument des Logischen Modells sind im Rahmen des Workshops gemeinsam mit den Praxisprojekten erste Logische Modelle erarbeitet worden.
Projektbesuche zur Weiterentwicklung der Logischen Modelle
In jeweils fünf Projektbesuchen wurden diese ersten Logischen Modelle in einem diskursiven Verfahren weiterentwickelt und angereichert. Dabei sollte die Modellierung hauptsächlich durch die PraktikerInnen selbst vorgenommen werden, die Wissenschaftler nahmen eine unterstützende Rolle ein. Bereits während des Modellierungsprozesses wurde deutlich, dass das Logische Modell für die PädagogInnen ein hilfreiches Instrument darstellt, einen systematischeren Blick auf ihre eigene Arbeit zu erhalten und Außenstehenden ihre Arbeit besser kommunizieren zu können. Auch wurden bereits während der Modellierung erste Ideen entwickelt, wie der Evaluationsgegenstand aussehen kann.
Erfahrungsaustausch im Rahmen eines Arbeitstreffens am DJI
Am 12. August 2009 veranstaltete das DJI ein Arbeitstreffen, das den Praktikern die Möglichkeit geben sollte, sich über die bisherigen Erfahrungen mit dem Logischen Modell auszutauschen. Offenbar wurde hier, dass das Instrument des Logischen Modells in der Anwendung auf die eigene Praxis nach anfänglicher Skepsis auf eine überaus positive Resonanz gestoßen ist. Gleichwohl ist aber auch betont worden, dass es bei diesem Modellierungsprozess einer wissenschaftlichen Begleitung bedarf und ausreichende zeitliche Ressourcen zur Verfügung stehen müssen.
Anschließend wurden zwei ausgewählte Projekte von uns evaluiert. Im Rahmen der Evaluation ging es nicht nur darum, die Wirkungsannahmen der Projekte zu prüfen, sondern auch die Funktionen des Logischen Modells im Evaluationsprozess zu beleuchten.