Slice Up - Die Thin Slices-Technik
Anwendung auf Unterricht und Analyse der Urteilsprozesse
Das Projekt Slice Up beschäftigt sich mit der Erfassbarkeit von Aspekten der Unterrichtsqualität anhand von Beurteilungen, die auf ersten Eindrücken von ungeschulten Beobachtenden basieren (sogenannte Thin-Slices Ratings). Zentrale Aspekte der Unterrichtsqualität werden in der Unterrichtsforschung in der Qualität der lernbezogenen Interaktionen zwischen Lehrkräften und Schüler:innen gesehen, wie dem Gelingen einer strukturierten Klassenführung, der konstruktiven Unterstützung durch Lehrkräfte und einer Unterrichtsgestaltung, die Schüler:innen kognitiv aktiviert.
Das Projekt Slice Up beschäftigt sich mit dem ersten Eindruck zur Erfassung der Unterrichtsqualität. Bei der sogenannten Thin-Slices Technik (Ambady & Rosenthal, 1992) werden Personen hinsichtlich überdauernder Verhaltenstendenzen und Persönlichkeitseigenschaften auf Grundlage kurzer Videosequenzen (fünf Sekunden bis fünf Minuten) beurteilt. Die Thin-Slices Technik wurde bereits in verschiedenen (Anwendungs-)Bereichen der psychologischen Forschung eingesetzt.
Viele Studien belegen dabei die hohe prädiktive Validität erster Eindrücke hinsichtlich psychologischer Konstrukte, wie zum Beispiel Persönlichkeitseigenschaften oder klinischer Störungen.
Im Bereich der Unterrichtsforschung stellt die Anwendung der Thin-Slices Technik potentiell eine ökonomische Alternative zu den kosten- und zeitintensiven Verfahren der Unterrichtsbeobachtung dar, die bislang als „Königsweg“ bei der Erfassung der Unterrichtsqualität gelten. Das Projekt Slice Up führt die Forschung aus einer ersten, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektphase (2015-2018) fort, in der bereits empirische Hinweise darauf gesammelt wurden, dass Thin-Slices Ratings Aspekte der Unterrichtsqualität reliabel und valide erfassen können (siehe Begrich, Fauth, Kunter & Klieme, 2017; Begrich, Fauth & Kunter, 2020).
Slice Up ist ein Verbundprojekt zwischen dem Deutschen Jugendinstitut (PD Dr. Susanne Kuger) und dem DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (Prof. Dr. Mareike Kunter). Durch die erneute Analyse bestehender Videostudien des Unterrichts (TALIS, PLUS, Phi-Actio) sollen zum einen die Ergebnisse aus dem Vorgängerprojekt auf ihre Replizierbarkeit geprüft und weitere Hinweise auf die Validität von Thin-Slices Ratings der Unterrichtsqualität gesammelt werden. Zum anderen werden in verschiedenen Studien die den Thin-Slices Ratings zugrundeliegenden kognitiven Prozesse in den Blick genommen. Zudem soll in einer breit angelegten Metaanalyse der Forschungsstand zur prädiktiven Validität von Thin-Slices Ratings aus den verschiedenen psychologischen Domänen zusammenfassend betrachtet werden.
- Vertiefende Exploration der Thin-Slices Technik als möglicher Ansatz der videobasierten Erfassung der Unterrichtsqualität.
- Untersuchung der kognitiven Prozesse, die Thin-Slices Ratings der Unterrichtsqualität zugrunde liegen.
- Untersuchung des Forschungsstandes zur prädiktiven Validität von Thin-Slices Ratings über verschiedene Forschungsbereiche hinweg.
Begrich, L., Fauth, B., Kunter, M., & Klieme, E. (2017). Wie informativ ist der erste Eindruck? Das Thin-Slices-Verfahren zur videobasierten Erfassung des Unterrichts Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 20, 23–47. doi:10.1007/s11618-017-0730-x
Begrich, L., Fauth, B., & Kunter, M. (2020). Who sees the most? Differences in students’ and educational research experts’ first impressions of classroom instruction. Social Psychology of Education, 23(3), 673-699. doi: 10.1007/s11218-020-09554-2
Begrich, L., Kuger, S., Klieme, E., & Kunter, M. (2021). At a first glance–How reliable and valid is the thin slices technique to assess instructional quality?. Learning and Instruction, 74, 1-17. https://doi.org/10.1016/j.learninstruc.2021.101466
Ambady, N., Bernieri, F. J., & Richeson, J. A. (2000). Toward a histology of social behavior: Judgmental accuracy from thin slices of the behavioral stream. In Advances in experimental social psychology (Vol. 32, pp. 201-271). Academic Press.
Ambady, N., & Rosenthal, R. (1993). Half a minute: Predicting teacher evaluations from thin slices of nonverbal behavior and physical attractiveness. Journal of personality and social psychology, 64(3), 431.
Babad, E. (2005). Guessing teachers’ differential treatment of high-and low-achievers from thin slices of their public lecturing behavior. Journal of nonverbal behavior, 29(2), 125-134.
Kahneman, D. (2011). Thinking, fast and slow. Macmillan.
Stanovich, K. E., & West, R. F. (2000). Individual differences in reasoning: Implications for the rationality debate?. Behavioral and brain sciences, 23(5), 645-665.