KoGa – Wissenschaftliche Begleitung der Kooperativen Ganztagsbildung
Ausgangspunkt
Es gibt etliche Modelle, wie ganztägige Bildungsangebote im Grundschulalter organisiert werden. Immer wieder werden neue Modellprojekte auf den Weg gebracht. Seit 2018 entwickeln der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt München gemeinsam ein weiteres Ganztagsmodell für Grundschülerinnen und Grundschüler: die Kooperative Ganztagsbildung (KoGa).
In München startete das Modellprojekt an einer Grundschule im Schuljahr 2018/19 . In den zwei darauffolgenden Schuljahren wurde das Modell auf 13 Standorte ausgeweitet und ab dem nächsten Schuljahr (2021/22) erhöht sich die Anzahl auf 20 Standorte in München.
Dazu sind acht Leitideen in einem Eckpunktepapier verankert worden:
- Es handelt sich bei der KoGa um eine staatlich-kommunale Verantwortungsgemeinschaft in personeller, organisatorischer und finanzieller Hinsicht.
- Die Schulleitung arbeitet dabei nur noch mit einem Kooperationspartner aus der Kinder- und Jugendhilfe
- bei gleichzeitiger Einbeziehung des sozialräumlichen Umfelds der Schule und ihrer unterschiedlichen Akteure partnerschaftlich zusammen.
- Schule und Kinder- und Jugendhilfe haben einen gemeinsamen Bildungs- und Erziehungsauftrag, der auf dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) beruht.
- Dieser Auftrag soll am jeweiligen Schulstandort auf der Basis eines individuell auf den Standort zugeschnittenen pädagogischen Konzepts für den ganzen Tag umgesetzt werden. Es besteht eine organisatorische und personelle Verzahnung von Schule und Kinder- und Jugendhilfe, sodass der Tagesablauf von beiden organisiert wird.
- Zudem kann die KoGa ein Anknüpfungspunkt für individuelle Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe (z. B. Hilfen zur Erziehung) sowie der
- Jugendsozialarbeit sein.
- Das Modell versucht, die Vorteile der verschiedenen Ganztagsbetreuungsformen zu vereinen, indem sie eine hohe Flexibilität (Mittagbetreuung) bei gleichzeitigem Einsatz von Fachkräften und eine zeitlich umfassende Betreuung (Hort, Tagesheim) sowie Förderangebote (Ganztagsschule) ermöglicht.
Mit diesen Leitideen werden Schritten dahin gemacht, die bisherigen separaten Systeme von Bildung, Betreuung und Erziehung zu einem gemeinsamen System zu kombinieren. Dadurch könnte die klassische Trennung der Sozialisationsorte, die neben der Familie zwischen Schule und außerschulischen Angeboten unterscheidet, aufweichen. Die Basis für einen hybriden Sozialisationsort wäre geschaffen (Lüders 2020).
Die Landeshauptstadt München hat das Deutsche Jugendinstitut (DJI) mit der wissenschaftlichen Begleitung der Münchner Modellstandorte beauftragt. Auf Landesebene wird das Modellprojekt Kooperative Ganztagsbildung zusätzlich durch das bayerische Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP) und das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) wissenschaftlich begleitet.
Das Ziel des Forschungsvorhabens ist, die Entwicklung der KoGa in München reflexiv zu begleiten. Daraus Anregungen für deren Weiterentwicklung zu generieren und Gelingensbedingungen für die Umsetzung sozialräumlicher Konzepte sowie für die Zusammenarbeit von Schule und Kinder- und Jugendhilfe zu identifizieren. Die Forschung soll dazu beitragen, Herausforderungen besser zu verstehen und Bezüge zu schul- und sozialpolitischen Entwicklungen sichtbar zu machen.
Im Zentrum stehen zwei Forschungsfragen:
1. Wie wird das Ganztagsangebot ausgestaltet, wie konkretisiert sich die Verantwortungsgemeinschaft von Jugendhilfe und Schule?
2. Welche sozialräumlichen und institutionellen Effekte hat das Angebot der Kooperativen Ganztagsbildung?
Die wissenschaftliche Begleitung ist vorrangig qualitativ als formative Evaluation angelegt und in drei Phasen unterteilt.
Erste Phase: Die Prozesse der Ausgestaltung des Kooperativen Ganztages stehen im Zentrum der wissenschaftlichen Begleitung. Mithilfe qualitativer Methoden, insbesondere Einzelinterviews, Gruppeninterviews, teilnehmender Beobachtung, Dokumentenanalyse, sowie einer quantitativen Online-Elternbefragung werden Daten erhoben. Der Fokus der Auswertung liegt in der Analyse der entstandenen Kooperationsformen und -strukturen sowie der Implementierungsprozesse als auch der Rekonstruktion der pädagogischen Konzepte an den einzelnen Standorten.
Zweite Phase: Es wird immer wieder diskutiert, was soll aus Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe, Jugendverbänden, Sportvereinen und Musikschulen werden, wenn die Grundschulkinder den ganzen Tag im Schulgebäude verbringen. Verändern sich hierdurch auch die Strukturen des Sozialraumes? Daher werden in der zweiten Phase insbesondere Auswirkungen auf den Sozialraum und für die Jugendsozialarbeit an Schulen untersucht. Darüber hinaus werden die Ergebnisse aus einem Beteiligungsprojekt mit Kindern einbezogen. Dieses wird die Landeshauptstadt München durchgeführten. Des Weiteren wird gemeinsam mit den für die Ausgestaltung der KoGa Verantwortlichen der Frage nachgegangen, inwiefern die in Phase 1 rekonstruierten pädagogischen Konzepte ihre handlungsleitende Funktion erfüllen können.
Dritte Phase: die Analyse der Zusammenarbeit zwischen Schule und Kooperationspartner wird abgeschlossen. Dafür werden an zwei Modellstandorten in ausführlichen Gruppendiskussionen die Erfahrungen der KoGa reflektiert und Problemlösungen auf ihre Praxistauglichkeit und Verbesserungsmöglichkeit hin überprüft. Teilnehmende an den Gruppendiskussionen sind u. a. Schulleitung, Lehrkräfte, Akteure der Kinder- und Jugendhilfe, bspw. Jugendsozialarbeit und Elternbeirat. Bezogen auf die Analyse der Entwicklung der KoGa stehen folgende Fragen im Mittelpunkt: Was kann aus dem bisher Erreichten gelernt werden? Welche Form der Unterstützung und Begleitung durch die verschiedenen städtischen Referate sind hilfreich und was braucht es, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen? Ein weiteres Mal werden auch in dieser Phase die Auswirkungen auf den Sozialraum erforscht. Der zweite Baustein in dieser Phase ist eine weitere quantitative Befragung, in der weitere Akteure der Kinder- und Jugendhilfe, die von ihnen wahrgenommenen Veränderungen seit Einführung des Modells benennen sollen.
- Lüders, Christian (2020): Mehr als Kooperation? Ganztagsförderung als hybrides Praxisfeld. In: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins 100 (3), S. 123–126.