Im Familienrecht existiert eine Spannung zwischen der Verpflichtung von Personensorgeberechtigten, sich um Einvernehmen zu bemühen (§ 1627 BGB), und der alleinigen Entscheidungsbefugnis derjenigen sorgeberechtigten Person, bei der sich ein Kind aufhält, in Fragen von nur alltäglicher Bedeutung (§ 1687 BGB). Zudem haben Gerichte den Bereich der Alltagssorge auf verschiedene Weise von Fragen mit erheblicher Bedeutung abgegrenzt (Mecke/Scheiwe 2018; Menne/Weber 2011).

Im Zuge eines zunehmenden Einsatzes von psychosozialen Beratungsangeboten bei Nachtrennungskonflikten stellt sich die Frage, wie Fachkräfte in der Beratung mit diesem Spannungsfeld umgehen, zumal hier nicht nur rechtliche, sondern auch Orientierungen aus der Beratungspsychologie und der Familiensystemtheorie bedeutsam werden (Krabbe 2016). Empfehlen Fachkräfte etwa eher, alle strittigen Fragen im Rahmen der Beratung zu besprechen, oder markieren sie Entscheidungsfreiräume für die beteiligten Eltern, je nach Aufenthalt des Kindes? Welche Rolle spielt hierbei das Verständnis der Fachkräfte vom rechtlichen Gehalt der gemeinsamen elterlichen Sorge?

Die gewonnenen Erkenntnisse sind sowohl für das Verständnis der tatsächlichen Praxis psychosozialer Beratung bei Nachtrennungskonflikten, als auch für Weiterbildungsansätze mit Fachkräften von großer Bedeutung. Die Dissemination der Befunde wird über die Veröffentlichung des Abschlussberichts und eine zusammenfassende Publikation in einer Fachzeitschrift erfolgen.

Die genannten Forschungsfragen sollen im Rahmen von sechs leitfadengestützten Fokusgruppen mit Fachkräften aus Beratungs- und Mediationsstellen diskutiert werden, um zu erkunden, welche Bedeutung die familienrechtliche Unterscheidung in der Beratungssituation hat, was „kritische Grenzfälle“ einer Konsensorientierung auszeichnet, an welchen Fallmerkmalen und Konfliktdynamiken sich die Fachkräfte orientieren und welche Bedarfe seitens der Fachkräfte für das Gelingen von Beratung im Elternkonflikt geäußert werden.

Zielgruppe für die Fokusgruppen sind Beratungskräfte aus Institutionen der Trennungs- und Scheidungsberatung sowie aus der Erziehungsberatung, die in der Beratung von Trennungsfamilien vielfach die gleichen Aufgaben übernimmt. Insgesamt sind fünf regional gestreute Fokusgruppen mit jeweils etwa sechs Fachkräften dieser Zielgruppe vorgesehen. Zwei der Fokusgruppen sollen als Präsenzveranstaltungen durchgeführt werden, die restlichen Fokusgruppen werden Online stattfinden. Die Auswertung der Fokusgruppen erfolgt qualitativ mittels Inhaltsanalyse.

Das Projekt wird in enger Kooperation mit dem Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim durchgeführt.

Krabbe, Heiner (2016): Einvernehmen herstellen – eine gute Idee mit offenen Fragen in der Praxis. Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe (11), 392-395

Mecke, Christoph-Eric/Scheiwe, Kirsten (2018): Gemeinsame Elternverantwortung. Eine rechtsvergleichende Studie zu Grundfragen und Problemen beim Elternkonflikt getrennt lebender Eltern. Göttinger Juristische Schriften, Band 21. Göttingen: Universitätsverlag

Menne, Klaus/Weber, Matthias (Hrsg.) (2011): Professionelle Kooperation zum Wohle des Kindes. Hinwirken auf elterliches Einvernehmen im familiengerichtlichen Verfahren (FamFG). Einleitung. München: Juventa. 7-24

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Sekretariat
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