Hohe Trennungs- bzw. Scheidungsraten in Deutschland sind mit verschiedenen Risiken für die Beteiligten und sozialpolitisch relevanten Konsequenzen verbunden. Deshalb sollten Chancen zur Stärkung und Unterstützung von Paaren in ihren Beziehungs-, Kommunikations- und Konfliktlösungskompetenzen so früh wie möglich genutzt werden. Das Projekt "Partnerschafts- und Trennungsberatung im Wande"l zielt darauf ab, Fachkräfte unterschiedlicher Beratungsdienste mittels einer Online-Befragung und verschiedener Diskussionsrunden zu den Angeboten und Bedarfen im Themenfeld der Paar- und Trennungsberatung zu befragen, um daraus eine Broschüre mit relevanten Fragestellungen und wichtigen Informationen für Fachkräfte in der Beratung zu entwickeln.

Die Qualität und Stabilität der elterlichen Partnerschaft ist für Paare wie auch deren Kinder von hoher Bedeutung. Langanhaltende Konflikte der Eltern ohne Lösung haben sich während Partnerschaften und nach einer Trennung als wesentliche Risikofaktoren für mitbetroffene Kinder und Jugendliche erwiesen (Cummings, George, McCoy, & Davies, 2012; Harold & Sellers, 2018). Dabei entstehen Konflikte häufig durch Probleme bei der Kooperation in der Elternrolle (Coparenting), die dann in der Folge zu fehlender gegenseitiger Unterstützung bei der Betreuung und Erziehung der Kinder, zu Konflikten über Erziehungsfragen und zu einem Unterminieren von Erziehungsbemühungen des jeweils anderen Elternteils führen können (Teubert & Pinquart, 2009, 2010). Etwa 5-10 Prozent aller Trennungsfamilien erweisen sich als hochstrittig, d.h. Konflikte über Umgang, Unterhalt und Fragen der Personensorge für das Kind werden wiederholt vor Gericht ausgetragen und können auch durch übliche Formen von Beratung, Mediation und Gerichtsentscheidungen nicht gelöst werden (Dietrich & Paul, 2006). Zudem bringt eine Paartrennung auch in weniger konfliktbelasteten Fällen häufig Belastungen für Eltern und Kinder mit sich, die sich aus den Anforderungen der Trennungsbewältigung, der Umgestaltung familialer Rollen und Beziehungen und den erhöhten Anforderungen in der Organisation des kindlichen Alltags zwischen beiden getrenntlebenden Eltern ergeben.

Deshalb haben konfliktbelastete Eltern in Deutschland die Möglichkeit, verschiedenste Beratungs-, Therapie- und Bildungsangebote in Anspruch zu nehmen. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass Unterstützung und Beratung von den Paaren erst sehr spät in Anspruch genommen wird. Die Chancen, eine Beziehung zu stabilisieren, werden dadurch geringer und die Beratung kann in eine Trennung- und Scheidungsberatung übergehen.

Insofern scheint es besonders sinnvoll, schon im Vorfeld negativer Partnerschaftsdynamiken Präventionsangebote zur Stärkung und Unterstützung von Paaren zugänglich zu machen und dabei eine möglichst große Bandbreite von Beratungsstellen zu nutzen, die von Paaren mit Elternverantwortung in Anspruch genommen werden. In welchen Kontexten erste Anzeichen von Partnerschaftsproblemen sichtbar werden und zur Vermittlung von Präventionsangeboten genutzt werden können, ist jedoch bislang eine offene Frage. Ebenfalls ungeklärt ist, welche Rolle hierbei online-Angebote als besonders niederschwelliges Angebot spielen können.

Im Projekt „Partnerschafts- und Trennungsberatung im Wandel“ werden in einer breit angelegten Online-Befragung Fachkräfte unterschiedlicher Beratungs- und Unterstützungsdienste über einen Verteiler der Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e.V. (DAJEB) rekrutiert und zu verschiedenen Aspekten Ihrer alltäglichen Beratungsarbeit befragt. Dabei sollen in einer gemeinsamen Befragung einige Struktur- und Rahmenbedingungen erfasst werden und dann in zwei Teilprojekten verschiedene Fragestellungen zur Partnerschafts- bzw. Trennungsberatung beantwortet werden. Das Projekt hat zwei Schwerpunkte: der erste fokussiert die Thematik der Partnerschaftsberatung, der zweite fokussiert die Thematik der Trennungs- und Scheidungsberatung, wobei beide Teilprojekte auf eine gemeinsame Datenbasis zurückgreifen. Folgende Fragestellungen sind dabei jeweils zentral:

Relevante Fragestellungen für den Schwerpunkt "Partnerschaftsberatung"

  • Inwieweit werden Beratungsdienste und Familienangebote mit Partnerschaftsproblemen ihrer Klienten in bestehenden Partnerschaften konfrontiert?
  • Welche Bereitschaft seitens der Paare nehmen Fachkräfte wahr, an der Qualität der Beziehung zu arbeiten und mit welchen Strategien werden Paare zur Beratung motiviert?
  • Welche Formen der Paarberatung und Vermittlung werden von Beratungsstellen angeboten?
  • Welche Kenntnisse haben Fachkräfte außerhalb des Bereichs der Paarberatung über weiterführende Unterstützungsangebote für Paare im Off- sowie Online-Bereich?
  • Welche Qualifikation und/oder sonstige Unterstützung wünschen sich Fachkräfte in den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen für die Arbeit mit belasteten Paaren? Welche Weiterentwicklungen bei der Kooperation und Verweisung?

Relevante Fragestellungen für den Schwerpunkt "Trennungsberatung"

  • Wie hoch ist der Informationsbedarf der Fachkräfte in den Bereichen der Trennungs- und Scheidungsberatung?
  • Welche Themen bzw. Fragen werden als besonders herausforderungsreich erlebt?
  • Wie häufig treten Trennungskonflikte in Elternbildungsangeboten oder in eher themenfernen Beratungskontexten wie der Sucht- und Schuldnerberatung auf und welche Möglichkeiten bieten sich den Fachkräften dann?
  • Wie wird mit fortgesetzten Konflikten der Eltern und Fragen eines geeigneten Betreuungsmodells für mitbetroffene Kinder umgegangen?
  • Wie verfügbar sind die für hochstrittige Eltern entwickelten Konzepte für die Einzel- bzw. Familienberatung und Gruppenangebote für Trennungseltern, welche Vorgehensweisen sind diesbezüglich in der Praxis gängig und welche Erfahrungen haben Fachkräfte mit diesen Angeboten gemacht?

 

Download von Fragebogen und Fragebogenschema

Das Projekt bildet die Vorgehensweise der Fachkräfte aus verschiedenen Beratungsdiensten bezüglich ihres Umgangs mit Partnerschaftsproblemen und Konflikten zwischen Trennungspaaren empirisch ab. Diese Befunde werden nach Abschluss der Befragung quantitativ ausgewertet sowie mit Expertinnen und Experten reflektiert und diskutiert. Ziel ist es, Empfehlungen für die Weiterbildung der betreffenden Fachkräfte und einen Leitfaden für die Beratungspraxis zu entwickeln, um so einen Beitrag zu einer qualitativ hochwertigen Partnerschafts- und Trennungsberatung zu leisten.

Cummings, E. M., George, M. R., McCoy, K. P., & Davies, P. T. (2012). Interparental conflict in kindergarten and adolescent adjustment: Prospective investigation of emotional security as an explanatory mechanism. Child Development, 83(5), 1703-1715.

Harold, G. T., & Sellers, R. (2018). Annual Research Review: Interparental conflict and youth psychopathology: an evidence review and practice focused update. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 59(4), 374–402.

Dietrich, P. S., & Paul, S. (2006). Hoch strittige Elternsysteme im Kontext von Trennung und Scheidung. In M. Weber & H. Schilling (Eds.), Eskalierte Elternkonflikte. Beratungsarbeit im Interesse des Kindes bei hoch strittigen Trennungen (13-28). München: Juventa.

Teubert, D., & Pinquart, M. (2010). The association between coparenting and child adjustment: A meta-analysis. Parenting: Science and Practice, 10(4), 286-307.

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