Die Charakteristika und Ausgestaltung der Betreuungsform Kindertagespflege entwickeln sich kontinuierlich weiter. So steigen beispielsweise die Dauer der täglichen Betreuungszeit und die Anzahl gleichzeitig anwesender Kinder in der Kindertagespflege an. Auch findet die Betreuung häufiger in Räumen außerhalb der privaten Wohnung der Kindertagespflegeperson, z.B. in separat angemieteten Räumen, statt (Statistisches Bundesamt 2019, 2012).

In den letzten Jahren gewinnt eine neue Form der Kindertagespflege an Bedeutung. Die gemeinsame Durchführung der Kindertagespflege durch mehrere Kindertagespflegepersonen in den eigenen oder in anderen geeigneten Räumen wird häufig mit heterogenen Begrifflichkeiten, wie beispielsweise Zusammenschluss von Kindertagespflegepersonen, Großtagespflege oder Kindertagespflege im Verbund, beschrieben (Heitkötter/Teske 2014).

Im Zeitraum von 2012 bis 2018 hat sich die Anzahl der Großtagespflegestellen mehr als verdoppelt (+119%) und die Zahl der dort tätigen Kindertagespflegepersonen ist um ca. 112% gestiegen (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2019; Statistisches Bundesamt 2019, 2012). Großtagespflege ist eher ein westdeutsches Phänomen, welches überwiegend in Großstädten zum Tragen kommt (Viernickel 2016).

Großtagespflege wird nach wie vor im „Grenzbereich einerseits zur privaten familialen Betreuung und andererseits zur öffentlich geförderten institutionellen Betreuungsangeboten“ (Heitkötter/Teske 2014, S. 19) verortet und stellt demnach eine „intermediäre Betreuungsform“ dar (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2017). Die heterogene Ausgestaltung der Großtagespflege basiert zunächst auf den Regelungen der Bundesländer. Gemäß § 43 Abs. 5 SGB VIII und gestützt durch § 26 SGB VIII („Landesrechtsvorbehalt“) kann jedes Bundesland eigene Normen zur Ausgestaltung der Kindertagespflege entwickeln, welche von den Kommunen nach eigenen Schwerpunktsetzungen weiter ausgeformt werden können (Frech u.a. 2018). Diese unterschiedliche Handhabung in den Ländern und Kommunen kann ein Grund dafür sein, dass bisher kaum Studienergebnisse zur Großtagespflege vorliegen. Vorhandene Arbeiten grenzen den Untersuchungsgegenstand stark ein und fokussieren meist ein Bundesland (Bensel u.a. 2017) bzw. eine Stadt oder einen Stadtteil (Schimmer u.a. 2011). Aussagen zur Ausgestaltung und zur Qualität von Großtagespflege über alle Bundesländer hinweg sind (derzeit) nicht möglich (Bremer-Hübler u.a. 2014).

Auf Basis der dargestellten Überlegungen und Daten zur Großtagespflege ließen sich verschiedene Forschungsdesiderate identifizieren, z.B. zur Bandbreite und Ausdifferenzierung kommunaler Regulierung der Großtagespflege oder zu den Beweggründen der Länder, Eltern und Kindertagespflegepersonen für oder gegen diese Betreuungsform. Während der sechsmonatigen Laufzeit wurden im Projekt Basismodul Kindertagespflege folgende Fragen untersucht:

  • Worauf beruht die Annahme der heterogenen Ausgestaltung der Kindertagespflege auf Ebene der Kommunen und Bundesländer und inwieweit ist sie inhaltlich gerechtfertigt?
  • Welche Merkmale kennzeichnen das Profil der Großtagespflege?

Ziel des Projektes war es, durch eine systematische Analyse der strukturellen Vorgaben die Großtagespflege umfassend zu beschreiben - im Kontext des Gesamtsystems der frühkindlichen Betreuung.

Ausgehend von der Recherche und Analyse des Forschungsstandes zu gebräuchlichen Begrifflichkeiten und Definitionen zur Großtagespflege wurden die Forschungsfragen zur Ausgestaltung dieser Betreuungsform auf kommunaler Ebene bearbeitet. Dabei stützte sich das Projektvorhaben auf den vorhandenen Dokumenten-Datensatz, welcher im Rahmen des DJI-Projektes „Qualität in der Kindertagespflege“ (QuidKit) entstand. Dazu wurden alle 578 bundesdeutschen Jugendämter angeschrieben. 179 von diesen stellten ihre Verordnungen, Richtlinien und Satzungen als Grundlagen der lokalen Ausgestaltung der Kindertagespflege zur Verfügung (Stand: 01/2018). Im Projekt wurden diese Dokumente erstmalig systematisch gesichtet und mittels einer Dokumentenanalyse untersucht, um der Frage nachzugehen, wie die Kindertagespflege, hierbei insbesondere die Großtagespflege, auf kommunaler Ebene geregelt wird (z.B. Qualitätsstandards und Zuständigkeiten).

Bensel, Joachim/Martinet, Franziska/Haug-Schnabel, Gabriele/Aselmeier, Maike (2017): Untersuchung zur pädagogischen Qualität der Kindertagespflege in Baden-Württemberg. Studie im Auftrag der Baden-Württemberg Stiftung. Stuttgart.

Frech, Siegfried/Salamon-Menger, Philipp/Schöne, Helmar (2018): Kommunalpolitik. Politik vor Ort. Stuttgart.

Heitkötter, Martina/Teske, Jana (Hrsg.) (2014): Formenvielfalt in der Kindertagespflege. Standortbestimmung, Qualitätsanforderungen und Gestaltungsbedarfe. München.

Schimmer, Julia/Mohr, Henrike/Mrozowski, Anke (2011): Großtagespflegestellen in Hamburg-Altona. Ergebnisse einer Befragung von Großtagespflegestellen zur Ermittlung ihres Beratungs- und Unterstützungsbedarfs. Hamburg.

Viernickel, Susanne (2016): Identifikation struktureller Qualitätsmerkmale in der Kindertages-pflege. Theoretische und empirische Analysen, steuerungsrelevante Konsequenzen. In: Viernickel, Susanne/Fuchs-Rechlin, Kirsten/Strehmel, Petra/Preissing, Christa/Bensel, Joachim/Haug-Schnabel, Gabriele (Hrsg.): Qualität für alle. Wissenschaftlich begründete Standards für die Kindertagesbetreuung. 3., korrigierte Auflage. Freiburg, Basel, Wien, S. 403–496.

Kontakt

+49 89 62306-146
Deutsches Jugendinstitut
Nockherstr. 2
81541 München

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