Qualitätsentwicklung im Kinderschutz
Das Projekt „Qualitätsentwicklung im Kinderschutz" ist Teil der Fachgruppe 4 „Frühe Hilfen" der Abteilung „Familie und Familienpolitik" im Deutschen Jugendinstitut (DJI). Das Projekt wird vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH), getragen von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstitut (DJI), aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.
2008 fassten die Regierungschefs der Länder und die Bundeskanzlerin beim zweiten Kinderschutzgipfel den gemeinsamen Beschluss, das Thema „Lernen aus Fehlern“ als Strategie für die Qualitätsentwicklung im Kinderschutz stärker in den Blick zu nehmen. Hierzu wurde das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) in Trägerschaft der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstituts e.V. (DJI) beauftragt, in Abstimmung mit Bund und Ländern eine „Plattform für einen regelhaften Erfahrungsaustausch zu problematisch verlaufenen Kinderschutzfällen“ einzurichten. Im Projektbereich „Lernen aus problematischen Kinderschutzverläufen“ wurden seitdem verschiedene Projekte initiiert sowie Expertisen oder Leitfäden in Auftrag gegeben und veröffentlicht.
Ziel des Projektbereiches ist es, die Qualitätsentwicklung im Kinderschutz zu befördern. Durch die praxistaugliche Aufbereitung des durch wissenschaftliche Methoden gewonnenen Wissens in Form von Empfehlungen oder Leitfäden soll ein Beitrag zur Weiterentwicklung der Kinderschutzpraxis geleistet werden. Aus diesem Grund wurde der Projekttitel mit Beginn der neuen Förderphase 01/2020 geändert in „Qualitätsentwicklung im Kinderschutz“.
1. Fortführung von Fallanalysen und Weiterentwicklung der Methode „Gemeinsam lernen aus Kinderschutzverläufen“
Die zwischen 2011 und 2015 entwickelte Methode „Gemeinsam lernen aus Kinderschutzverläufen“ (Gerber/Lillig 2018) a) wird weiterentwickelt und b) die bereits gewonnenen Erkenntnisse aus den bisherigen Fallanalysen werden angereichert. Das Vorgehen bei der Fallauswahl, die Einbindung der am Fall beteiligten Akteure und Akteurinnen in den Analyseprozess (Biesel/Wolff 2014) sowie die dialogische Deutung der Fälle und die Ableitung von Kriterien folgen den Prinzipien der partizipativen Praxisforschung (vgl. Argyris/Schön 1978). Im Förderzeitraum werden jährlich ca. zwei Fälle analysiert. Nach jeder Fallanalyse wird die Methode auf der Grundlage der Erfahrungen weiterentwickelt.
2. Entwicklung und Erprobung einer alltagstauglichen Methode für Jugendämter zur Analyse von Kinderschutzfällen (Fallwerkstätten)
Zur (Weiter-)Entwicklung der Fehlerkultur im Kinderschutz und des niedrigschwelligen Lernens aus Erfahrung wird eine Methode für Fallwerkstätten entwickelt und getestet, die es den Akteuren und Akteurinnen im Kinderschutz ermöglicht, kurzfristig und mit begrenztem zeitlichen Aufwand kleinere Ereignisse im Hinblick auf Lerneffekte zu reflektieren. Zunächst werden in Fokusgruppen die Anforderungen an eine alltagstaugliche Methode aus der Sicht der Praxis erarbeitet. Anschließend wird ein methodisches Vorgehen entworfen und erprobt. Hierzu werden pro Jahr ein bis zwei Fallwerkstätten in und mit Jugendämtern durchgeführt. Den Abschluss des Moduls bildet die Entwicklung von Praxismaterialien für Jugendämter zur Durchführung von Fallwerkstätten.
3. Systematische Sammlung, Analyse und Bereitstellung von nationalen und internationalen Erkenntnissen aus Fallanalysen als Beitrag zur Qualitätsentwicklung im Kinderschutz in Deutschland
Die Erkenntnisse aus nationalen sowie internationale Fallanalysen über „Fehler“ im Kinderschutz werden gesammelt, systematisch aufbereitet und einer breiteren Fachöffentlichkeit auf der Homepage zugänglich gemacht (vgl. Sidebotham 2016). Ziel ist es, die Praxis für Risiken in der Kinderschutzarbeit zu sensibilisieren sowie Hinweise und Empfehlungen für die Qualitätsentwicklung zu geben.
4. Explorative Fallstudie zu multi- und monoprofessionellen Gefährdungseinschätzungsprozessen im Kinderschutz
Im Mittelpunkt der explorativen Fallstudie steht die Gegenüberstellung von mono- und multiprofessionellen Gefährdungseinschätzungen und die Frage, wie sich Art und Güte der Gefährdungseinschätzung verändern, wenn andere mit der Familie befasste Professionen in die Gefährdungseinschätzung einbezogen werden.
Die Grundlage bilden vier von zwei Jugendämtern ausgewählte laufende Kinderschutzfälle. In jedem der Fälle wird eine mono- sowie eine multiprofessionelle Gefährdungseinschätzung durchgeführt, deren Unterschiede mittels einer teilnehmenden Beobachtung erfasst werden.
5. Förderung des Dialogs zwischen Fachpraxis, Wissenschaft und Politik im Hinblick auf das „Lernen aus problematischen Fallverläufen“
Zur Förderung des Dialogs zwischen Bund, Ländern, Praxis, Wissenschaft und Lehre wird das Format jährlicher Fachgespräche Kinderschutz in Form eines Workshops fortgeführt. Die Ergebnisse werden auf der Homepage des NZFH veröffentlicht. Thema des Fachgespräches Kinderschutz in November 2020 wird sein: Fit für den Kinderschutz - Anforderungen an Ausbildung, Einarbeitung und Fortbildung.
Argyris, Chris/Schön, Donald A. (1978): Organizational learning. A theory of action perspective. Reading, Mass.
Biesel, Kay/Wolff, Reinhart (2104): Aus Kinderschutzfehlern lernen. Eine dialogisch-systemische Rekonstruktion des Falles Lea-Sophie. Bielefeld
Gerber, Christine/Lillig, Susanna (2018): Gemeinsam lernen aus Kinderschutzverläufen. Eine systemorientierte Methode zur Analyse von Kinderschutzfällen und Ergebnisse aus fünf Fallanalysen. Bericht. Herausgegeben vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH). Köln
Sidebotham, Peter/Brandon, Marian/Bailey, Sue/Belderson, Pippa/Dodsworth, Jane/Garstang, Jo/Harrison, Elizabeth/Retzer, Ameeta/Sorensen, Penny (2016): Pathways to harm, pathways to protection: a triennial analysis of serious case reviews 2011 to 2014. Department for Education. [online unter: https://seriouscasereviews.rip.org.uk]
