Lernprozesse, die sich außerhalb formaler Bildungssettings vollziehen, haben in der Jugend- und der Bildungsforschung in den vergangenen Jahren in Deutschland deutlich an Bedeutung gewonnen. Insbesondere seit dem Vorliegen der ersten PISA-Studie im Jahr 2000 und deren Offenlegen der herkunftsbedingten ungleichen Bildungschancen besteht Konsens darin, dass es einen Blick auf Bildung braucht, der über einen Fokus auf Schulunterricht und Noten hinausgeht (Rauschenbach/Düx/Sass 2006). Die daraus resultierenden Forschungsaktivitäten betrachteten insbesondere non-formale Angebote im frühkindlichen Alter, im Kindesalter und im Jugendalter. Dabei standen vor allem außerschulische Angebote (Kinder- und Jugendarbeit, Vereine) und außerunterrichtliche Angebote (Ganztagsschule) im Fokus der Analysen. Diese zeigten häufig positive Effekte für die Entwicklung von Selbst-, Sozial- und Methodenkompetenzen und auch auf die Leistungen in der Schule von Kindern- und Jugendlichen (Tully/Wahler 2008).

Allerdings liegen vergleichsweise wenige Forschungserkenntnisse zur non-formalen Bildung und deren langfristigen Effekte auf Bildungs- und Erwerbsverläufe junger Erwachsener vor. Diese Perspektive soll im Projekt tiefergehend analysiert werden.

Folgende Themenbereiche stehen im Mittelpunkt des Forschungsprojektes:

  • Die Inanspruchnahme non-formaler Bildungsangebote ist oft von der sozialen Herkunft abhängig. Hierdurch kann eine soziale Selektivität bei den Zugängen zu non-formaler Bildung entstehen, die soziale Ungleichheit weiter verstärkt. Vielfach wurde belegt, dass in außerunterrichtlichen und außerschulischen Bildungsprozessen vor allem leistungsorientierte, sozioökonomisch besser gestellte Kinder und Jugendliche partizipieren (z.B. Fehr 2012). Es soll daher zum einen betrachtet werden, welcher Personenkreis während und nach der Schulzeit non-formale Angebote jenseits der beruflichen Ausbildung nutzt. Zum anderen soll im Zeitverlauf analysiert werden, ob bzw. wie sich die soziale Selektivität der Inanspruchnahme von non-formalen Angeboten mit zunehmendem Alter verändert. 
     
  • Mit non-formalen Bildungsprozessen werden weitreichende Erwartungen an unterstützende Effekte für die kindliche und jugendliche Entwicklung verbunden. Daher sollen für die Dauer des Schulbesuchs die Wirkungen der Inanspruchnahmen von außerunterrichtlichen und außerschulischen Angeboten auf soziale Fähigkeiten, Schulleistungen und Bildungsaspirationen eingehender betrachtet werden. Zudem soll analysiert werden, ob die festgestellten Effekte auch bis ins junge Erwachsenenalter erhalten bleiben.
     
  • Es soll betrachtet werden, ob sich eine momentane bzw. vergangene Inanspruchnahme non-formaler Angebote auch auf die Übergangswege und die Einmündung in Ausbildung und Beruf auswirken. Dabei soll u. a. der Frage nachgegangen werden, ob Jugendliche die erworbenen Fähigkeiten in non-formalen Angeboten als nützlich für die Ausbildungs- und Berufseinmündung empfunden haben.

Im ersten Schritt soll der nationale und internationale Forschungsstand zum Zusammenspiel von non-formaler Bildung und Bildungs- sowie Erwerbsverläufen aufgearbeitet werden. Aus den identifizierten Forschungslücken leiten sich dann die konkreten Forschungsfragen für die nachfolgenden quantitativen und qualitativen Untersuchungen ab. Den empirischen Teilstudien geht eine Schärfung des ihnen zugrundeliegenden Begriffsverständnisses von non-formaler Bildung voraus.

Im zweiten Schritt soll eine quantitative Sekundäranalyse von Daten einschlägiger Jugend- bzw. Schülerbefragungen und Längsschnittstudien erfolgen um zu analysieren, welchen Beitrag die Ergebnisse mit Blick auf die offenen Forschungslücken liefern können. Zudem soll aufgezeigt werden, welche weiteren Fragestellungen und theoretischen Konzepte in entsprechende Erhebungen aufgenommen werden müssten, um verbleibende Forschungslücken besser untersuchen zu können.  

Zudem soll die Sichtweisen von jungen Erwachsenen auf non-formale Bildung qualitativ erhoben werden. Hierfür sollen Fokusgruppen mit jungen Frauen und Männern, die sich in der beruflichen Ausbildung befinden, durchgeführt werden. Ergänzend schließen sich ggf. Interviews mit Expertinnen und Experten, z. B. Lehrkräften an Berufsschulen, an.

Zuletzt sollen die Erkenntnisse der qualitativen und quantitativen Erhebungen aufeinander bezogen und mit dem erarbeiteten Forschungsstand zu den Effekten non-formaler Bildung im Jugend- und jungen Erwachsenenalter zusammengeführt werden.

Es ist eine projektbegleitende öffentliche Veranstaltungsreihe geplant, in die auch externe Expertinnen und Experten eingebunden werden. Zusätzlich soll durch eine Arbeitsgruppe der DJI-interne Austausch zu non-formaler Bildung gestärkt werden. Die Projektergebnisse werden in Zeitschriftenartikeln oder kleineren eigenen Publikationen veröffentlicht.

Fehr, Sonja (2012): Ohne Moos nichts los? Zugang junger Menschen zu Freizeitaktivitäten. In: Sozialer Fortschritt 61 (11/12), S. 297–306.

Rauschenbach, Thomas/Düx, Wiebken/Sass, Erich (Hrsg.) (2006): Informelles Lernen im Jugendalter. Vernachlässigte Dimensionen der Bildungsdebatte. Weinheim und München

Tully, Claus J./Wahler, Peter (2008): Ergebnislinien zum außerschulischen Lernen. In: Wahler, Peter/Tully, Claus J./Preiß, Christine (Hrsg.): Jugendliche in neuen Lernwelten: selbstorganisierte Bildung jenseits institutioneller Qualifizierung. Wiesbaden, S. 201–223

 

Kontakt

+49 345 68178-33
Deutsches Jugendinstitut Außenstelle Halle
Franckeplatz 1
Haus 12/13 06110 Halle

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