Mädchen und junge Frauen, die in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe leben, sind vor, während und nach der Heimerziehung besonders häufig von Gewalt und Grenzüberschreitungen in intimen Beziehungen betroffen und erleben häufiger als ihre gleichaltrigen Peers Übergriffe durch andere Jugendliche oder Erwachsene (z.B. Allroggen u.a., 2017). Sie setzen teilweise problematische Beziehungsmuster aus der Herkunftsfamilie fort und treffen ungünstige Entscheidungen im Hinblick auf Partner und Schwangerschaft. Zudem weisen vor allem Mädchen und Frauen, die extreme Grenzüberschreitungen oder sogar sexuellen Missbrauch in ihrer Vorgeschichte erleben mussten, im weiteren Lebensverlauf eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit auf, erneut sexuelle Übergriffe zu erfahren.

Nicht alle Faktoren sind in der Heimerziehung direkt zu beeinflussen. Doch etwa Selbstwerterleben, die Vorstellung der eigenen sexuellen Integrität, Selbstregulation oder geschlechtsbezogene Einstellungen können in der Heimerziehung pädagogisch bearbeitet werden. In Wissenschaft und Praxis wurden inzwischen vielfältige Programme und Interventionen enwtickelt, die zum Ziel haben, die Vorstellungen, Kompetenzen und Strategien von Mädchen und jungen Frauen im Umgang mit Grenzverletzungen zu stärken (Ball u.a. 2022; van der Gaag u.a. 2023).

Aufbauend auf dem aktuellen Forschungsstand verfolgt das von SOS-Kinderdorf e.V. in Auftrag gegebene Forschungsvorhaben folgende Zielsetzungen:

  • Erstellung eines Überblicks über die vorhandene Literatur zu Grenzüberschreitungen, Beziehungslernen und Präventionsmaßnahmen von (Re-)Viktimisierung von Mädchen und jungen Frauen in Fremdunterbringung
  • Ableitung von Empfehlungen für die Fachpraxis der stationären Kinder- und Jugendhilfe
  • Erarbeitung eines Workshop-Konzepts „Beziehungslernen und Prävention von (Re-)Viktimisierung mit Mädchen und jungen Frauen in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ auf der Grundlage des bestehenden und evaluierten Workshop-Konzepts aus dem Projekt Prävik (Kavemann u.a. 2017)
  • Entwicklung eines Messmodells zur Erfassung der Wirkung des Präventions-Workshops
  • Erprobung des Workshop-Konzepts und des Messmodells an vier Standorten beim Träger SOS Kinderdorf e.V.

Mit dem Vorhaben sollen zudem die wissenschaftlichen Grundlagen für ein größeres Forschungsprojekt zum Thema Beziehungslernen und Prävention von sexueller Gewalt bei Mädchen und jungen Frauen in stationären Wohngruppen der Kinder- und Jugendhilfe gelegt werden.

Allroggen, Marc/Rau, Thea/Ohlert, Jeannine/Fegert, Jörg M. (2017). Lifetime prevalence and incidence of sexual victimization of adolescents in institutional care. Child Abuse & Neglect, 66. Jg., S. 23-30.

Ball, Barbara/Hoefer, Sharon/Faulkner, Monica/Requenes, Andrea u.a. (2023, in press). Innovation in Sexuality and Relationship Education in Child Welfare: Shifting Toward a Focus on Ongoing Conversations, Connection, and Consent. Prevention Science.

Dosil, María/Jaureguizar, Joana/Bernaras, Elena (2022). Dating violence in adolescents in residential care: Frequency and associated factors. Child & Family Social Work, 27. Jg., S. 311-323.

Kavemann, Barbara/ Harthun-Palmowski, Sandra/ Nagel, Bianc/; Schürmann-Ebenfeld, Silvia/ Wagner, Stefanie (2017). Sexualpädagogik mit Mädchen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben? Ja, bitte! Konzept für einen zweitägigen Workshop mit jugendlichen Mädchen in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe.

Kontakt

+49 89 62306-221
Deutsches Jugendinstitut
Nockherstr. 2
81541 München

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