Unterschiedliche gesellschaftspolitische Herausforderungen, wie Migration, Rechtspopulismus oder soziale Ungleichheit (Levitsky und Ziblatt 2018), intensivieren in den Erziehungs- und Politikwissenschaften gegenwärtig die Diskussion um das Verhältnis von Demokratie und Bildung. Fragen nach den konkreten Aufgaben, Zielen und Möglichkeiten von Bildungsinstitutionen werden gestellt und mit der Forderung an das Bildungssystem verbunden, präventiv und erzieherisch auf ein demokratisches Zusammenleben hinzuwirken und dabei zu mehr Chancengerechtigkeit beizutragen (Beutel und Fauser 2007). Fachpraxis und Politik reagieren dementsprechend und entwickeln unter Rückgriff auf die UN-Kinderrechtskonvention, das Kinder- und Jugendhilfegesetz und das Kinderschutzgesetz zunehmend pädagogische Konzepte, die sich mit „Demokratie Lernen“ oder einer „Demokratiepädagogik“, meist in Form von Partizipation, Bildungsteilhabe und Inklusion, befassen (Prengel 2016). Die theoretische und empirische Kenntnislage dazu ist jedoch noch unübersichtlich und lückenhaft (u.a. Widmaier 2018).

In einer ersten Projektphase (01.09.2018-31.08.2019) wurde deshalb eine Bestandsaufnahme zur Systematisierung der theoretischen Diskurse erstellt. Darauf aufbauend erfolgt in BilDe 2 eine empirische Auseinandersetzung damit, ob und wie Demokratiebildung bildungspolitisch und curricular gerahmt ist und wie sie in der Praxis der Kindertagesbetreuung umgesetzt wird. Ein Fokus der aktuellen Projektphase liegt auch darauf, herauszuarbeiten, unter welchen Voraussetzungen es gelingen kann, einen inklusiven und chancengerechten Erfahrungsraum zu schaffen und unter welchen Bedingungen beteiligungsorientierte Settings ggf. sogar soziale Ungleichheiten reproduzieren oder Kinder exkludieren. Hierbei wird explizit die Einschätzung von Kindern einbezogen.

  • Wie wird Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung in den Bildungsprogrammen ausgewählter Bundesländer, curricularen frühpädagogischen Ansätzen und exemplarischen Einrichtungskonzeptionen verankert und begründet?
  • Welche Einstellungen vertreten pädagogische Fachkräfte und Leitungskräfte zu Demokratiebildung?
  • Wie werden konzeptionelle Ansätze zur Demokratiebildung in der pädagogischen Arbeit der Kindertagesbetreuung umgesetzt und welche Herausforderungen zeigen sich dabei?
  • Unter welchen strukturellen und Interaktionalen Voraussetzungen können an demokratischen Werten orientiert Settings zur Inklusion und Chancengerechtigkeit aller Kinder beitragen? Unter welchen Bedingungen können diese ggf. soziale Ungerechtigkeit reproduzieren?

Die Verankerung von Demokratiebildung in bildungspolitisch relevanten Dokumenten wird durch eine inhaltsanalytische Auswertung der Bildungsprogramme der Bundesländer sowie ausgewählter curricularer frühpädagogischer Ansätzen und Einrichtungskonzepte ausgewertet.

Die Fragestellungen zur Umsetzung von Demokratiebildung in der pädagogischen Praxis werden im Rahmen von Fallstudien in ca. 12 Kitas (ca. 120 Fachkräfte sowie ca. 400 Kinder und Familien), die sich auf drei bis fünf Bundesländer verteilen, über unterschiedliche Erhebungszugänge bearbeitet.

Um die Einstellungen und Orientierungen der pädagogischen Fachkräfte zum Thema zu erheben, werden in den Kitas je eine Gruppendiskussion mit pädagogischen Fachkräften sowie ein Leitungsinterview durchgeführt.

Die Umsetzung curricularer Elemente in der frühpädagogischen Praxis wird durch videografisch gestützte Beobachtungen des pädagogischen Handelns erfasst. Die Videosequenzen werden auch dazu genutzt, das Wohlbefinden und die Engagiertheit ausgewählter Kinder mit Hilfe der Leuvener Engagiertheitsskala einzuschätzen.

Im Rahmen dieses Forschungsprojektes soll ferner explizit die Perspektive von Kindern einbezogen und erfasst werden. Dazu werden Gruppendiskussionen mit max. 5 Kindern durchgeführt und die Einschätzung der Kinder zu ihrem eigenen Wohlbefinden in der sozialen Gruppe adressatengerecht erhoben.

Beutel, Wolfgang/Fauser, Peter (Hg.) (2007): Demokratiepädagogik. Lernen für die Zivilgesellschaft. Schwalbach/Ts.: Wochenschau-Verl.

Levitsky, Steven/Ziblatt, Daniel (2018): Wie Demokratien sterben. Und was wir dagegen tun können. München: Deutsche Verlags-Anstalt.

Prengel, Annedore (2016): Bildungsteilhabe und Partizipation in Kindertageseinrichtungen. Eine Expertise der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF). München: Deutsches Jugendinstitut e.V (Inklusion, Band 47).

Widmaier, Benedikt (2018): Demokratiebildung, Demokratieförderung, Demokratiepädagogik, Demokratieerziehung, Demokratiedidaktik, Demokratielernen, Demokratieentwicklung… wie jetzt? Die neue Unübersichtlichkeit in der politischen Bildung. In: Hessische Blätter für Volksbildung - Zeitschrift für Erwachsenenbildung in Deutschland 11 (3), S. 258-266.

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