Bei der Entwicklung der KoGa handelt sich um einen komplexen Prozess des Zusammenwachsens zweier in ihrer beruflichen Sozialisation, in ihren Handlungslogiken und gesellschaftlichen Aufträgen klar abgegrenzten Sektoren. Die Aufgabe, nachhaltige und funktionale hybride Strukturen zu entwickeln, konnte nach Erkenntnissen der ersten wissenschaftlichen Begleitung zum Teil bewältigt werden, ist aber noch nicht abgeschlossen. Daher hat die Landeshauptstadt München ein weiteres Forschungsprojekt „Kooperative Ganztagsbildung (KoGa) – Herausforderungen des Zusammenwachsens“ in Auftrag geben, das sich fünf Herausforderungen widmet:

Das Modell der Kooperativen Ganztagsbildung und die damit verbundenen größeren Einheiten erfordern eine systematische Weiterentwicklung neuer Organisationsformen an den KoGa-Standorten. In dieser neuen Dimensionalität und Komplexität gilt es Organisationsstrukturen zu etablieren, die ein gelingendes Miteinander in gemeinsamer Verantwortung von Jugendhilfe und Schule möglich machen. Folglich stehen die KoGa-Standorte vor der Aufgabe, eine gemeinsame Organisationform zu entwickeln, die für eine Umsetzung des anspruchsvollen Modells und dessen vielfältigen Aufgaben förderlich ist und gleichzeitig die Eigenständigkeit der Ganztagskooperationspartner Schule und Jugendhilfe erhält.

Bisherige Forschungsergebnisse geben Hinweise, dass sich in der Praxis noch keine passenden Organisationsmodelle aufbauen konnten, die sowohl dem Anspruch der gemeinsamen Verantwortungswahrnehmung (Stichwort: hybride Organisation) als auch der Integration weiterer Akteure am KoGa-Standort (zum Beispiel Schulsozialarbeit, Integrationshelfer:innen, Ehrenamtliche) gerecht werden.

Die wissenschaftliche Begleitung möchte die Frage beantworten, welche Organisationsstruktur, angesichts der gegebenen Bedingungen, der gemeinsamen Verantwortung für das ganztägige Bildungsangebot möglichst gerecht wird. 

Es werden exemplarisch zwei Vertiefungsstandorte in ihrem Organisationsentwicklungsprozess sowohl wissenschaftlich begleitet als auch von der externen Prozessbegleitung unterstützt. Die Organisationsanalyse und die Untersuchung des darauf einsetzende Veränderung- und Implementierungsprozess wird abschließend auf eine Übertragbarkeit für die anderen KoGa-Standorte überprüft. 

Eine zentrale fachliche Herausforderung, die gesetzlich und konzeptionell verankert ist, ist die Weiterentwicklung zu einem inklusiven Ganztagsangebot.

Die Inklusion von Kindern mit besonderem Förderbedarf ist eine Aufgabe, zu der sowohl die Schule (BayEUG) als auch die Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) gesetzlich verpflichtet sind. Sie leitet sich auch unmittelbar aus der UN-BRK ab. In der KoGa ergeben sich sowohl neue Chancen als auch Herausforderungen, dem Inklusionsauftrag gerecht zu werden und die ganztägige Bildung zu einem inklusiveren Ort weiterzuentwickeln.

In der Landeshauptstadt München gehört die Weiterentwicklung zu einer inklusiven Stadtgesellschaft zu den wichtigen Zielen der Stadtpolitik. Es gibt seit 2019 einen zweiten Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. In diesem Aktionsplan wird auch darauf verwiesen, dass sich mindestens eine Schule mit dem Profil Inklusion an der KoGa beteiligen soll.

Vor diesem Hintergrund wird die Frage aufgeworfen, wie inklusiv die KoGa ist und welche Potenziale bisher ungenutzt sind. Bei der Beantwortung dieser Fragen wird insbesondere darauf eingegangen, welche Bedingungen an den KoGa-Standorten für eine gelingende Inklusion gegeben sein müssen. Zu denken ist dabei auch an die Einbindung zusätzlicher Akteure, seien es Therapeutinnen und Therapeuten oder auch andere Unterstützungen wie etwa Pflegedienste. Ebenso ist die Gestaltung der Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe im Hinblick auf ihre förderliche oder schädliche Wirkung in Bezug auf Inklusion zu betrachten.

  • Es soll erhoben und dokumentiert werden, wie viele Kinder mit einem besonderen Förderbedarf das KoGa-Angebot nutzen.
  • Es wird die Zusammenarbeit mit externen Partnern zur Stärkung der Inklusionsfähigkeit analysiert.
  • Es werden Handlungsbedarfe herausgearbeitet, die auf dem Weg zu einer inklusiveren KoGa bewältigt werden müssten.

Eine wesentliche fachliche Herausforderung ist die verbesserte Einbindung der sozialräumlichen Ressourcen. Sowohl in den einschlägigen Bestimmungen und Publikationen für die Schule als auch für die Kinder- und Jugendhilfe wird eine sozialräumliche Öffnung der Angebote ganztägiger Bildung angestrebt. Eine Herausforderung für die KoGa-Standorte ist, dass es sehr unterschiedliche Annahmen darüber gibt, was mit Sozialraumorientierung gemeint sein könnte, welche Bedeutung der Sozialraumorientierung zugeschrieben wird und welche Handlungsmöglichkeiten gesehen werden, diesem Anspruch gerecht zu werden. Eine von der Landeshauptstadt München eingesetzte Entwicklungsgruppe, die Antworten auf diese Fragen finden soll, wird vom DJI-Projekt moderiert.

Die Perspektive der Eltern von Kindern, die eine KoGa besuchen, wird erhoben, um eine stärkere Orientierung an den Bedarfen der Kinder und ihrer Eltern zu ermöglichen.

Die Beteiligung der Adressatinnen und Adressaten ist in der Kinder- und Jugendhilfe eine der Strukturmaximen und rechtlich in vielfältiger Weise verankert. Auch für den Schulbereich gibt es einen fachlichen Konsens darüber, dass die Beteiligung der Eltern zu den Selbstverständlichkeiten gehört. Auch wenn ein gemeinsames Verständnis von Beteiligung zwischen Schule und Kinder- und Jugendhilfe immer wieder neu herzustellen ist, so sind sich beide Bereiche über die Notwendigkeit der Beteiligung von Eltern einig. 

Im Rahmen des abgeschlossenen Forschungsprojekt „KoGa-Wissenschaftliche Begleitung der Kooperativen Ganztagsbildung“ wurde im Jahr 2021 bereits an 12 der 13 Standorte eine Online-Befragung der Eltern durchgeführt – mit folgenden Themenbereichen: 

  • Zufriedenheit mit den Mitarbeitenden in der KoGa
  • Motivation, das Kind für die KoGa anzumelden
  • Wissen über die KoGa
  • Erziehungspartnerschaft mit den Fachkräften
  • Vernetzung unter den Eltern
  • Partizipationsmöglichkeiten für Kinder und Eltern
  • Wohlbefinden der Kinder
  • Hausaufgaben
  • Kooperation von Lehr- und Erziehungskräften
  • Öffnungs- und Buchungszeiten
  • Öffnung in den Sozialraum
  • Möglichkeit, Angaben in einem Freitextfeld zu einem den ausfüllenden Eltern wichtiges Thema

In diesem Projekt soll die Elternbefragung leicht überarbeitet wiederholt werden, was die Möglichkeit bietet, Veränderungen über die Zeit zu dokumentieren und besser zu verstehen. Beispielsweise sind Erkenntnisse darüber zu erwarten, inwiefern und wie sehr die Ergebnisse der ersten Erhebung durch Corona und die damit verbundenen Kontaktbeschränkungen beeinflusst worden sind.

Seit der Einführung des Modellprojektes „Kooperative Ganztagsbildung“ ist die Perspektive der Kinder, wie sie die KoGa erleben und was sie verändern würden, nicht umfänglich eingeholt worden. Bisher werden Kinder im Rahmen der Qualitätsentwicklung innerhalb des Jugendhilfeangebots (QSE) regelmäßig befragt. Was allerdings fehlt, ist eine Befragung der Kinder in Bezug auf das gesamte KoGa-Angebot. Diese Lücke soll nun im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung geschlossen werden. Die Ziele der quantitativen Kinderbefragung sind, die Perspektive der Kinder auf die KoGa standortübergreifend sichtbar zu machen und ihnen so eine Stimme im weiteren Ausgestaltungsprozess zu geben. Realitäten werden abgebildet und Impulse sowie Reflexionsfolien zur Unterstützung der Weiterentwicklung KoGa aus Kinderperspektive angeboten.

Zusammen mit einer Projektgruppe (bestehend aus Vertretungen freier und städtischer Träger, der Projektleitung KoGa des Referats für Bildung und Sport, des Sozialreferat und des Staatlichen Schulamts) erarbeitet das DJI die formalen und organisatorischen Fragen zur Durchführung der Befragung sowie Inhalte des Fragebogens.

Die Ergebnisse werden für die Standorte aufbereitet und in einer geeigneten Form für die Kinder präsentiert.

Das Projekt ist eine formative Evaluation mit Mixed-Methods-Design. Der Frage der Organisationsentwicklung wird an zwei, nach dem Prinzip der maximalen Kontrastierung ausgewählten Standorten mit Hilfe qualitativer Forschungsmethoden (Interviews, Gruppendiskussionen und der Einsatz von Methoden der organisationsbezogenen Großgruppenforschung) nachgegangen. Die qualitativen Erhebungen dienen dazu, empirisches Material zu generieren, das es erlaubt, das sich bisher implizit entwickelte Organisationsmodell besser zu verstehen, aktuelle Dysfunktionalitäten zu erkennen und die eingeschlagenen Lösungsstrategien zu beobachten und zu analysieren.

Im Themenfeld der Inklusion werden die vorliegenden Daten zu besonderen Förderungsbedarfen der Kinder aus Sicht der Schule und der Jugendhilfe ausgewertet. Darüber hinaus werden Gruppendiskussionen mit einschlägigen Kooperationspartnern der KoGa-Standorte und standortortübergreifende Gruppendiskussionen zu den Möglichkeiten einer verbesserten Inklusion durchgeführt. Zudem wird geprüft, inwiefern sich eine qualitative Einzelfallanalyse zur Inklusion eines Kindes mit besonderem Förderbedarf realisieren lässt.

Die Perspektive der Kinder und Eltern wird jeweils anhand einer quantitative Onlinebefragung an allen KoGa-Standorten erhoben. Bei der Elternbefragung handelt es sich, im Gegensatz zur Kinderbefragung, um eine Wiederholung einer bereits 2021 durchgeführten Erhebung.

Zwischenergebnisse werden in drei Validierungsworkshop mit Vertretungen der Standorte, des Referats für Bildung und Sport, des Sozialreferats und des Staatlichen Schulamts diskutiert.

Kontakt

+49 89 62306-252
Deutsches Jugendinstitut
Nockherstr. 2
81541 München

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