Entwicklungsprozesse familialer und beruflicher Lebenszusammenhänge junger Frauen
Die Fragestellung der qualitativen Längsschnittstudie zielte ab auf die beruflichen und familialen Lebensentwürfe junger Frauen, deren Verschränkung und Umsetzung. Im Zentrum des Projektinteresses standen die subjektiven Auseinandersetzungs- und Verarbeitungsformen der jungen Frauen mit individuellen Handlungsspielräumen und regionalen Gelegenheitsstrukturen sowie ihre daraus abgeleiteten Handlungsschritte. Das Projekt wurde in Bayern und Sachsen durchgeführt.
Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Individualisierungsprozesse gestalten und leben junge Frauen ihr Leben zunehmend nach eigenen Vorstellungen. Die Lebensmöglichkeiten sind vielfältiger als je zuvor, gleichzeitig bestehen aber auch die Zwänge zu einem eigenständigen Lebensentwurf. Ein wichtiges Grundmuster weiblicher Lebensentwürfe, wie es heute für Mädchen und junge Frauen kennzeichnend ist, besteht in der Doppelorientierung auf familialem und/oder partnerschaftlichem Zusammenleben einerseits und beruflicher Tätigkeit andererseits, verbunden mit einer selbständigen Lebensführung. Doppelorientierung bedeutet, daß junge Frauen beide Bereiche leben möchten oder sich zumindestens in ihrem Lebensentwurf damit auseinandersetzen. Für den Versuch einer eigenständigen Lebensplanung und der Verwirklichung der vielschichtigen Lebensentwürfe sind Ambivalenzen, Brüche und Konflikte kennzeichnend. Beispielsweise spielen Beziehungen im Lebensentwurf vieler junger Frauen eine bedeutende Rolle; das Balancefinden und -halten zwischen Unabhängigkeit und Bindung muß immer wieder neu austariert werden.Der Bedeutung regionaler Unterschiede hinsichtlich sozio-ökonomischer und sozio-kultureller Bedingungen wurde durch eine regionenspezifische Untersuchungsanlage Rechnung getragen: Die Erhebungen wurden in je einer großstädtischen (Nürnberg/Leipzig), einer kleinstädtischen (Weißenburg/Eilenburg) und einer ländlichen (Neuburg-Schrobenhausen/Torgau) Region in Bayern und Sachsen durchgeführt, um die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen, Möglichkeiten und Hürden für die Lebensplanung und die Lebensperspektiven der befragten Frauen angemessen erfassen zu können. Von zentraler Bedeutung sind hier die regional unterschiedlichen beruflichen Möglichkeiten, die spezifischen Norm- und Wertvorstellungen sowie die infrastrukturellen und familienunterstützenden Einrichtungen als Realisierungsbedingungen veränderter Lebensentwürfe.
Ein weiterer Schwerpunkt war der Vergleich der Lebensgestaltung junger Frauen in Ost und West.
Um die Entwicklungsdynamik der Entstehung und Veränderung von Lebensentwürfen mit allen auftauchenden Diskontinuitäten, Verunsicherungen und Ambivalenzen erfassen zu können, war die Studie als qualitativer Längsschnitt mit vier Befragungswellen angelegt. Im Abstand von ca. eineinhalb Jahren wurden vier Interviewwellen mit einem jeweils modifizierten Leitfaden durchgeführt. In beiden Bundesländern fand die erste Befragungswelle 1991 statt. Vor allem zur zweiten Erhebungswelle war im Osten aufgrund der Umbruchsituation und den damit verbundenen Ortswechseln ein deutlicher Panelschwund zu verzeichnen. Die vierte und letzte Erhebung wurde im Winter 1996 begonnen und 1997 abgeschlossen. Insgesamt wurden 80 junge Frauen in Bayern und 45 in Sachsen über die vier Wellen befragt. Die jungen Frauen waren zum ersten Befragungszeitpunkt zwischen 19 bis 27 Jahre alt, hatten ihre berufliche Ausbildung abgeschlossen und noch keine Kinder. Sie befanden sich somit in einer Lebensphase, in der zentrale Entscheidungen über den zukünftigen Lebensweg fallen. Zusätzlich wurden in der ersten und dritten Erhebungswelle die Partner der jungen Frauen befragt, um die Lebensvorstellungen der Frauen und ihrer Partner in Beziehung zu setzen, so daß das Zustandekommen neuer bzw. veränderter Lebensentwürfe und -pläne der Frauen auch hinsichtlich partnerschaftlicher Aushandlungs- und Entwicklungsprozesse betrachtet und zurückverfolgt werden kann.
Die Ergebnisse machen deutlich, wie sinnvoll die Projektanlage als Panel für die Analyse von Entwicklungs-und Entscheidungsprozessen ist. Vor allem war dadurch die Möglichkeit gegeben, die Dynamik von Lebenssituationen und Lebensentwürfen junger Frauen zu erfassen und diese Prozesse nachzuzeichnen.
KonsultantInnen:
Prof. Dr. Regina Becker-Schmidt, Univ. Hannover; Prof. Dr. Birgit Bütow, FH Jena; Prof. Dr. Günther Huber, Univ. Tübingen; Prof Dr. Helga Krüger-Müller, Univ. Bremen; Prof. Dr. Rosemarie Nave-Herz, Univ. Oldenburg.