ServiKiD
Qualitative Forschung
Qualitative Forschung mit Kindern und Jugendlichen im Kontext von Armutslagen
Die am Deutschen Jugendinstitut e.V. (DJI) angesiedelte Service- und Monitoringstelle (ServiKiD) unterstützt die Ausgestaltung und Umsetzung des Nationalen Aktionsplans (NAP) „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“. Von zentraler Bedeutung ist es dabei, die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen kontinuierlich an den Phasen des NAP zu beteiligen. Die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen während der gesamten Vorbereitung, Umsetzung, Überwachung und Bewertung des NAP ist eine explizite Empfehlung des Rates der Europäischen Union (Art. 11 e). Neben konsultativen Beteiligungsformaten, die Kinder und Jugendliche in beratender Funktion in den politischen Prozess einbinden, werden diese auch als Befragungspersonen im Rahmen eigener qualitativer Forschung des DJI zu den Themen des NAP einbezogen.
Bei der qualitativen Forschung in ServiKiD stehen folgende Zielsetzungen im Vordergrund:
- Abbildung der Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind
- Befragung von Kindern und Jugendlichen, die selbst von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind oder die in ihrem Sozialraum Erfahrungen mit Armut machen, als Expert:innen in eigener Sache
- Weiterentwicklung der partizipativen Forschung mit Kindern und Jugendlichen, z.B. Einbezug von Kindern und Jugendlichen bei Erhebungsdesign und Datenauswertung
Damit wir in der qualitativen Forschung wissenschaftliche Ergebnisse gewinnen, die für Kinder und Jugendliche relevant sind, ist es zentral, dass Kinder und Jugendliche ihre eigenen Vorstellungen und Ideen einbringen können:
- Wir laden Kinder und Jugendliche herzlich ein, sich an unserer qualitativen Forschung zu beteiligen!
Perspektiven von Kindern und Jugendlichen auf ihre gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten
Ein erster Zugang zum Thema Kinderarmut wurde im Jahr 2023 mit der thematischen Schwerpunktsetzung auf „Perspektiven von Kindern und Jugendlichen auf ihre gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten“ gewählt. In der Feldphase von Juni bis August 2023 wurden 10 leitfadengestützte Gruppendiskussionen mit 38 Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 23 Jahren durchgeführt. Die befragten Kinder und Jugendlichen wurden über soziale Einrichtungen (Kinder- und Jugendtreff, Betreuungseinrichtung, freier Träger der Jugendhilfe) erreicht.
Bei der Studie zeigen sich unterschiedliche und komplexe Armutslagen von Kindern und Jugendlichen. Einhergehend mit materieller Deprivation beschreiben Kinder und Jugendliche weitere Problemlagen (u.a. familiale Konflikte, gesundheitliche und psychische Belastungen in Familien, Diskriminierungserfahrungen), die ihre gesellschaftliche Teilhabe maßgeblich beeinträchtigen. Darüber hinaus stellen sich oftmals erhöhte familiale Anforderungen an Kinder und Jugendliche aus armen Familien, wie etwa die Übernahme der Versorgung jüngerer Geschwister oder der Einsatz bei Behördenkommunikation und als Sprachmittler:in im Migrationskontext. Ihr familialer Kontext ist für die befragten Kinder und Jugendlichen zentral bei der Wahrnehmung ihrer individuellen Lebenssituationen und der damit einhergehenden Teilhabemöglichkeiten.
Wesentliche Unterstützung, aber auch Wertschätzung erfahren befragte armutsbetroffene Kinder und Jugendliche durch soziale Einrichtungen. Diese werden vonseiten der Kinder und Jugendlichen insbesondere dann als hilfreich erlebt, wenn dabei unterschiedliche Lebensbereiche und die gesamte Familie in den Fokus genommen werden. Auch bei der Umsetzung von Bildungsaspirationen spielen die Einrichtungen eine wichtige Rolle. Insbesondere Jugendliche beschreiben Bildungserfolg als einen zentralen Faktor, um sich eine Zukunft in gesicherten finanziellen Verhältnissen aufbauen zu können. Dennoch unterscheiden sich die geschilderten Zukunftsvorstellungen sehr stark und mündeten in eine Grundstimmung, die von Resignation bis zu hohem gesellschaftlichen Engagement reicht.
Insgesamt zeigt sich im Rahmen der qualitativen Forschung in ServiKiD, dass die befragten Kinder und Jugendlichen für ihre Bedürfnisse, Wünsche und Bedarfe im Kontext von Armutslagen sprech- und auskunftsfähig sind.
Die Wissensvermittlung zu Themen der Kinderarmut speziell an Kinder und Jugendliche stellt einen zentralen Aspekt des Projekts ServiKiD dar. Auch im Rahmen der dialog- und beteiligungsorientierten qualitativen Forschung stehen Kinder und Jugendliche nicht nur bei der Generierung, sondern ebenso bei der Vermittlung und Verbreitung von Erkenntnissen im Fokus. Durch eine zielgruppenorientierte Wissensvermittlung ergeben sich für Kinder und Jugendliche zugängliche Projekt- und Forschungsergebnisse. Darüber hinaus wird die aktive Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei der Wissensvermittlung gefördert.
Kind- und jugendgerechte Kommunikation der Forschungsergebnisse
Mit Blick auf die in ServiKiD generierten qualitativen Forschungsergebnisse stellen wir uns die Frage, wie eine geeignete Wissensvermittlung an Kinder und Jugendliche gestaltet werden kann. Hierfür werden im Projektverlauf kontinuierlich an die Zielgruppe angepasste Methoden und Formate entwickelt und verbessert.
Wissensvermittlung zu Kinderarmut im Ethikunterricht am 09.11.2023
Im Rahmen des Unterrichts in zwei Ethikgruppen der 2. Klassen einer Grundschule wurde am 09.11.2023 die kindgerechte Informations- und Wissensvermittlung zum Thema Kinderarmut mit einer spielerischen Datenerhebung über das Vorwissen von Grundschulkindern sowie deren Lösungsvorschlägen und Wünschen für armutsbetroffene Kinder verbunden.
Beteiligung von Kindern und Jugendlichen als Expert:innen
Kinder und Jugendliche werden in der qualitativen Forschung von ServiKiD nicht nur als Adressat:innen von Wissensinhalten zu Kinderarmut verstanden, sondern darüber hinaus auch als Vermittler:innen zu eigenen Lebens- und Erfahrungswirklichkeiten sichtbar gemacht. Hierfür wird die aktive Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Wissensvermittlung gefördert.
Jugendliche Expertin bei der DJI-Jahrestagung am 08.11.2023
Bei der DJI-Jahrestagung „Jungsein in unsicheren Zeiten“ fand Session 5 am 08.11.2023 unter dem Titel „Unsichere Verhältnisse in unsicheren Zeiten – Armutserfahrungen und Deprivation bei Kindern und Jugendlichen“ statt. Neben wissenschaftlichen Beiträgen bereicherte ein dialogischer Vortrag zwischen der pädagogischen Leitung Dörthe Friess und der Jugendlichen Aicha Agrien (beide Einrichtung Lichtblick Hasenbergl) die Session.
Reisenauer, Eveline / Lüring, Klara (19.04.2024): „Danke, dass Sie uns zugehört haben! – Zur Unsichtbarkeit von Kinderarmut“, Jahrestagung der Sektion Soziologie der Kindheit in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie „Kindheitsforschung und ihre Öffentlichkeiten“, Leuphana Universität Lüneburg.
Lüring, Klara (25.03.2024): "ServiKiD: Qualitative Forschung", Rückspiegelung von Ergebnissen an eine beforschte soziale Einrichtung, München.
Reisenauer, Eveline (08.11.2023): „Qualitative Forschung mit Kindern und Jugendlichen im Kontext von Armutslagen“, DJI-Jahrestagung 2023 „Jungsein in unsicheren Zeiten. Herausforderungen für die Kinder- und Jugendhilfe und ihre Kooperationspartner“, Berlin.
Reisenauer, Eveline / Lüring, Klara (11.10.2023): „Stand der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei der Umsetzung der EU-Kindergarantie in Deutschland“, Familienwissenschaftliche Kolloquienreihe „Familie am Mittag“, Abteilung „Familie und Familienpolitik“, Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI), digital.
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