Plädoyer für gendersensitive Schulberatung
Prof. em. Dr. Hannelore Faulstich-Wieland, stellvertretende Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats des DJI und Mitglied im DJI-Alumni-Netzwerk, hat das Background Paper für den im Oktober 2020 erschienenen Gender Report der UNESCO "A new generation: 25 years of efforts for gender equality in education" verfasst. Der Titel des Hintergrund-Papiers lautet „Case study on school counselling and vocational or career orientation to improve girls’ access in secondary TVET and women’s access in STEM in higher education in Germany“.
Betrachtet man laut Hannelore Faulstich-Wieland die Geschlechterverteilung bei der technischen beruflichen Ausbildung (TVET) im Sekundarschulbereich und von MINT-Fächern (STEM) bei der akademischen Ausbildung/Hochschulausbildung in Deutschland zeigt sich im Vergleich zur Mitte der 1990er-Jahre, dass der Anteil von Frauen bei TVET nur um 1.0 Prozentpunkt zugenommen hat. Der Anteil von Frauen in STEM stieg bei mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern um 9.2 Prozentpunkte und um 6.5 Prozentpunkte im Ingenieurwesen. Und das, obwohl Mädchen bereits 1995 bessere Schulabschlüsse erreichten als Jungen. Letzteres trifft auch heute noch zu und zudem erreichen mehr Mädchen als Jungen die Hochschulzugangsberechtigung.
Faulstich-Wieland sieht Erklärungen für den niedrigen Anteil von Mädchen/Frauen insbesondere bei TVET einerseits in den Einstellungen von Eltern und Jugendlichen zu Berufs- bzw. Karriere Zielen, in Vorurteilen und Stereotypen hinsichtlich technischer und handwerklicher Berufe, aber auch in den Ambitionen der Schulberatungen der einzelnen Bundesländer, die zu wenig Gender sensitiv ausgerichtet sind und deren Inhalte nicht bundeseinheitlich geregelt und zudem häufig noch in außerschulische Beratungsprogramme ausgelagert sind. Ein weiteres Problem liegt nach Hannelore Faulstich-Wieland auch in der Rechtsform der häufig auf Privatrecht basierenden TVET-Verträge.
Eine wirkungsvolle Maßnahme zur Förderung von Mädchen und Frauen beim Zugang zu TVET und STEM bestünde Hannelore Faulstich-Wieland zufolge darin, Gender- und Gleichstellungsaspekte bundesländerübergreifend zum festen Bestandteil der Lehrer/innen Ausbildung sowie von Schulberatungen zur Berufs- und Karriere-Orientierung zu machen.
Prof. em. Dr. Hannelore Faulstich-Wieland ist emeritierte Professorin für Bildungs- und Transformationsforschung der erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Geschlechterforschung, Sozialisation, Koedukation und Berufsorientierung.
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