Ausgelernt? Weiterbildung in unsicheren Zeiten
Über die Bedeutung von Weiterbildung in Krisenzeiten spricht DJI-Alumna Prof. Dr. Corinna Kleinert, Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt längsschnittliche Bildungsforschung an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und stellvertretende Direktorin des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (LIfBi) im Podcast „Lebensmittel Bildung“ der Deutschen Weiterbildungsgesellschaft – einem Unternehmen der Klett Gruppe.
Laut Corinna Kleinert sind die Auswirkungen des pandemischen Geschehens auf Weiterbildung sehr komplex. Während das digitale Lernen am PC bei der beruflichen Weiterbildung den Daten des ersten Pandemiejahres zufolge in etwa gleichgeblieben sei, zeigten diese bei der Beteiligung an der beruflichen Weiterbildung in Form von Präsenzkursen, die das Gros vor der Pandemie ausmachten, einen starken Rückgang.
Häufig konnten Präsenzkurse zu Beginn der Pandemie ja gar nicht oder nur eingeschränkt stattfinden, mitunter hätten aber auch Betriebe, die von der Pandemie stärker betroffen waren, nicht mehr so viel in Weiterbildung investiert wie vor der Pandemie. Gleichzeitig sei aber der Bedarf, Neues zu lernen aufgrund der Pandemie immens hoch gewesen – z.B. hätten Beschäftigte ad hoc lernen müssen, Maßnahmen zum Arbeitsschutz vor Ort umzusetzen oder digital zu arbeiten, so Kleinert. All dies habe dazu geführt, dass Beschäftigte sich – größtenteils auch durch Selbstlernen und nicht durch Lernen in Kursen – weitergebildet haben.
Nähme man die Rolle der Arbeitsbedingungen bezüglich Weiterbildung in den Blick, so hätten insbesondere Beschäftigte systemrelevanter Berufe viel Neues gelernt bzw. pandemiebedingt lernen müssen, ebenso wie Beschäftige im Homeoffice, deren Zahl im Gegensatz zur vorpandemischen Zeit stark zugenommen habe und die viel mehr vom digitalen Lernen hätten profitieren können als Beschäftigte, die nicht im Homeoffice waren. Die Annahme, dass Kurzarbeit und dadurch ein Mehr an zur Verfügung stehender Zeit, einen positiven Effekt auf eine Weiterbildungsbeteiligung im ersten Pandemiejahr haben könnte, habe sich nicht bestätigt.
Kleinert verweist auch auf eine starke Ungleichheit in der Weiterbildungsbeteiligung: Es bildeten sich diejenigen am häufigsten weiter und profitierten auch am meisten von Weiterbildung, die bereits gut gebildet seien. Wohingegen diejenigen mit einer niedrigen Bildung, die am meisten von Weiterbildung profitieren würden, eine geringere Beteiligung an Weiterbildungen aufwiesen. Dies läge allerdings nicht immer allein an der Motivation der Betroffenen. Vielmehr erhalte diese Klientel auch oft weniger Unterstützung von Arbeitgeberseite, weil aus Arbeitgebersicht oft gar kein Interesse daran bestünde, Niedrigqualifizierte, die mitunter als Ungelernte beschäftigt seien, weiterzubilden, weil diese eben durch eine Weiterbildung für andere Arbeitgeber attraktiver werden und höhere Löhne beanspruchen könnten. Diese Klientel, die nicht auf Jobsuche, sondern bereits im Arbeitsmarkt sei, und von Arbeitgebern durch Weiterbildungsangebote nicht gefördert würde, benötige anderweitige Unterstützung, so Corinna Kleinert, hier gäbe es noch Handlungsbedarf. Denn insbesondere der demografische Wandel erfordere Investitionen in Weiterbildung.
Die Datenlage zeige auch, dass Bildungsunterschiede beim digitalen Lernen geringer sind als bei der herkömmlichen Weiterbildung in Form von Präsenzkursen oder Präsenzveranstaltungen. Vielleicht beinhalte die Form des digitalen Lernens daher die Chance, gesellschaftlich alle mitzunehmen, so Corinna Kleinert.
Nach Ansicht der Bildungsexpertin benötigt Deutschland einen Kulturwandel in Sachen Weiterbildung hin zu einem flexibleren lebensbegleitenden Lernen, denn in Deutschland fände weniger berufliche Veränderung durch Weiterbildung statt als in anderen Ländern. Dies hänge auch damit zusammen, dass Zertifikate hier einen hohen Stellenwert hätten.
Zum Podcast „Weiterbildung in unsicheren Zeiten“ mit Prof. Dr. Corinna Kleinert
Homepage Prof. Dr. Corinna Kleinert LIfBi
Homepage Prof. Dr. Corinna Kleinert Universität Bamberg