doch Michael Meuser, Professor für die Soziologie der Geschlechterverhältnisse an der Technischen Universität Dortmund und Mitglied im DJI-Alumni-und-Freunde-Netzwerk, schließt auch eine Retraditionalisierung der Rollen in der Corona-Krise nicht aus.

Im Gespräch mit Pascal Fischer erläutert der renommierte Soziologe in der Deutschlandfunk-Sendung „Essay und Diskurs“, was sich am Rollenverhältnis zwischen Mann und Frau verändert hat und was nicht.  

In Partnerschaft und Familie und im alltäglichen Berufsleben ist mit der Einführung des Bundeselterngeldgesetzes 2007 der Anteil der Väter, die in Elternzeit gehen, gestiegen. Allerdings nehmen knapp 80 Prozent dieser Väter nicht mehr als zwei Monate Elternzeit in Anspruch, obwohl mehr möglich wäre. So ist zwar die Beteiligung von Vätern an Aufgaben der Kinderbetreuung, auch bei der Pflege und Versorgung des Kleinkindes, im Laufe der letzten Jahrzehnte größer geworden, dennoch ist unsere Arbeitswelt, so Michael Meuser, immer noch so strukturiert, dass eine Vereinbarung von beruflicher Karriere und Kinderbetreuung nur äußerst schwer zu realisieren ist.

Im Erwerbsfeld wird laut Meuser immer noch stark nach Geschlecht kategorisiert und zugeschrieben, indem davon ausgegangen wird, dass Männer beruflich eher verfügbar sind, dass sie nicht durch familiäre Verpflichtungen gebunden sind. Diese Zuschreibung fände bei berufstätigen Frauen nicht in gleicher Weise statt.

Überhaupt basiere das traditionelle Geschlechterarrangement ja eben durch die klassische Arbeitsteilung in der Familie darauf, dass sich Männer auf Beruf und Karriere konzentrieren könnten, während Frauen durch die daraus resultierende Hauptzuständigkeit für Kinderbetreuung und Familie weniger Zeit für berufliches Investment bliebe.

Wenn dieses traditionelle Arrangement in Frage gestellt wird, z.B. durch Veränderungen in der Erwerbsarbeit, wie diskontinuierliche oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse und die institutionelle Grundlage für das traditionelle männliche Selbstverständnis als Ernährer der Familie wegbricht, kann dies bei Männern einerseits Verunsicherungs- und Bedrohungsgefühle erzeugen, andererseits sehen laut Meuser auch zunehmend mehr Männer darin die Möglichkeit, partnerschaftliche Lebensentwürfe jenseits des traditionellen männlichen Selbstverständnisses zu leben und ihre geschlechtliche Identität nicht mehr nur allein auf den beruflichen Erfolg zu konzentrieren und zu fixieren.

Was eine mögliche Retraditionalisierung der Geschlechterverhältnisse durch die Corona-Krise betrifft, will Meuser diese für den Fall nicht ausschließen, dass Frauen – sollte es zu Einschränkungen bei der institutionellen Betreuung (Schule, Kita) kommen – diese Aufgaben vermehrt übernehmen, weil sie häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer.

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