Ziel des Verbundvorhabens CHAT ist die Prävention von sexuellen Übergriffen zwischen Jugendlichen in Gruppenzusammenhängen. Solche Übergriffe finden auf Partys statt, auf dem Schulhof, in Wohngruppen und Paarbeziehungen, aber auch bei der Weitergabe von Bildern in sozialen Netzwerken.

Der Verbund greift dabei die Ergebnisse vorhergehender Projekte zu unterstützendem Verhalten zwischen Peers (Bystander) auf. Aus diesen Projekten ist bekannt, dass Jugendliche um die Gefahren sexueller Übergriffe wissen. Sie sehen sich in riskanten Situationen durchaus auch in der Verantwortung für sich und andere. In der konkreten Situation aber fällt es schwer, die Lage richtig einzuschätzen und angemessen zu handeln.

CHAT möchte Jugendliche befähigen, gefährliche Situationen angemessen zu deuten und zu bewerten, um sich selbst auf dieser Basis besser zu schützen und/oder andere unterstützen zu können.

Auf Basis qualitativer Daten aus Interviews und Gruppendiskussionen mit Jugendlichen - auch aus besonders vulnerablen oder herausfordernden Zielgruppen - sowie pädagogischen Fachkräften entwickelt und erprobt der Forschungsverbund dazu gemeinsam mit Jugendlichen lebenswelt- und verhaltensbezogenes Präventionsmaterial für die Zielgruppe selbst sowie Fortbildungsmaterial und Konzepte für pädagogische Fachkräfte. Zudem werden Module für die curriculare Lehre an Fach- und Hochschulen entwickelt. Die Zusammenarbeit zweier wissenschaftlicher und zweier Praxiseinrichtungen gewährleisten den multidisziplinären Zugang, die breite Erprobung der Materialien und einen nachhaltigen Praxistransfer.

Das koordinierende Deutsche Jugendinstitut (DJI) ermittelt die Ansatzpunkte und Handlungsmöglichkeiten für Prävention im sozialen Kontext, untersucht die Wirkungswege von pädagogischer Arbeit und evaluiert die im Vorhaben entwickelten Materialien und Fortbildungskonzepte.

Das Teilvorhaben des SoFFI F. konzentriert sich auf die subjektive Sicht der Jugendlichen und untersucht im Besonderen die Chancen, Schwierigkeiten sowie möglichen Dilemmata des Eingreifens.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) entwickelt und erprobt Konzepte und Materialien in den Handlungsfeldern der Schule und Jugend(verbands-)arbeit und sichert dort den Transfer in die Praxis.

Die DGfPI bringt ihre Expertise in der partizipativen Erarbeitung von Fortbildungscurricula und die Verbindung zur Praxis ein und nutzt sie für die Entwicklung, Erprobung und den Transfer der Konzepte und Materialien in die Handlungsfelder der Jugend- und Behindertenhilfe.

Das Vorhaben setzt an der Prävention sexualisierter Gewalt unter Jugendlichen im sozialen Umfeld an, die in Deutschland - anders als in den USA - wenig vorangeschritten ist. Sexuelle Übergriffe unter Jugendlichen finden teilweise in Anwesenheit anderer Jugendlicher statt oder bahnen sich in diesem Kontext an. Normen und Dynamiken in Gruppen beeinflussen, ob sich sexuelle Übergriffe unter Peers ereignen oder verhindert werden. Im Hinblick auf Ausdifferenzierungen jugendlicher Lebenswelten wird diskutiert, dass sich gerade vulnerable Jugendliche mit anderen Marginalisierten zusammentun (Finkelhor/Browne 1985) oder generell ausgegrenzt werden, was beides das Risiko sexueller Übergriffe erhöhen kann. Auch Disclosure unter Jugendlichen – Jugendliche offenbaren sich vor allem Gleichaltrigen, wenn sie sexuelle Gewalt erfahren haben (Maschke/Stecher 2018) – lässt sich als Phänomen des sozialen (Gruppen-)Kontextes mit Regeln des Sprechens über sexuelle Gewalt betrachten (Rusack 2019). In pädagogischen Einrichtungen ist der Umgang mit jugendlicher Sexualität und sexuellen Übergriffen für Professionelle auch vor dem Hintergrund institutioneller Handlungslogiken mit Herausforderungen verbunden. Hierbei vollzieht sich professionelle Thematisierung meist unter dem Blickwinkel von Schutz und Kontrolle, was im Jugendalter aufgrund von Autonomieansprüchen und der Bedeutung von Gleichaltrigengruppen an Grenzen stößt (Helfferich/Kavemann, 2016). Bezüglich präventiver Maßnahmen im Jugendalter gibt es Hinweise auf die Notwendigkeit einer Zielgruppendifferenzierung u.a. nach Behinderung oder Belastungen durch eine Vorgeschichte mit Gewalterfahrungen (Kavemann 2016). Gleiches gilt für den Aspekt der sexuellen Orientierung.

Aufbauend auf Erkenntnissen der Vorläuferprojekte „Prävention von Reviktimisierung bei sexuell missbrauchten Jugendlichen in Fremdunterbringung“ und „Schutzprozesse gegen sexuelle Übergriffe“ sollen Forschungsdesiderata bei der Prävention sexueller Übergriffe im sozialen Umfeld Jugendlicher bearbeitet werden. Diese betreffen Dilemmata und Ängste als Schutzhürden für Bedrängte und Bystander sowie darauf bezogene Lösungsansätze. Zudem sollen Differenzierungen von Prävention im sozialen Umfeld bei Jugendlichen mit kognitiven Beeinträchtigungen, Vorbelastungen durch bereits erlebte (sexuelle) Gewalt und besonderen sexuellen Orientierungen erprobt werden. Die Forschungsergebnisse fließen in die Weiterentwicklung der in den Vorläuferprojekten erstellten Präventionsmaterialien und -konzepte für Jugendliche sowie in die Konzipierung von Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte ein. Diese werden anschließend erprobt und evaluiert.

Der Präventionsansatz bezieht Jugendliche niedrigschwellig und reflektierend ein und setzt dabei optional Rollenspiel und theaterpädagogische Methoden ein. Er nimmt das soziale Umfeld mit in die Verantwortung für ein Eingreifen bei sich anbahnenden sexuellen Übergriffen (Bystander-Ansatz). Die hierfür nötigen Kompetenzen werden präzisiert als Wahrnehmen sexueller Übergriffe (Checken), Einordnen des Wahrgenommenen und Entscheidung für Gegenwehr bzw. eine Intervention (Abklären und Entscheiden) und die Umsetzung (Tun) – (Akronym „CHAT“). Pädagogische Fachkräfte sollen durch Fortbildung in die Lage versetzt werden, an diese Kompetenzen Jugendlicher zu unterstützen und zu fördern.

Worum geht es in der Studie?

Es geht um Erfahrungen von Jugendlichen mit sexuellen Übergriffen in ihrem Umfeld. Deine Einrichtung bietet Dir nicht nur ein positives, entwicklungsförderndes Lebensumfeld. Du verbringst dort auch Zeit mit Gleichaltrigen, knüpfst Kontakte und verabredest Dich. Dabei kann es zu Sexuelle Übergriffen kommen.
Solche Übergriffe können auf Partys, auf dem Schulhof, in Wohngruppen und Paarbeziehungen stattfinden, aber auch bei der Weitergabe von Bildern in sozialen Netzwerken.
Bei Jugendlichen können dann Momente entstehen, bei denen sie überlegen müssen: Wie kann ich anderen helfen, sich gegen sexuelle Übergriffe zu verteidigen? Was tue ich selber, dass mir nichts passiert? Genau darum geht es in der Studie. Aus den Antworten sollen Erkenntnisse, Konzepte und Arbeitsmaterialien gewonnen werden, um Jugendliche besser schützen zu können. Wir denken, dass Jugendliche viel voneinander lernen können. Und auch Erwachsene sollten wissen, was Jugendliche tun, um sich und andere vor sexuellen Übergriffen zu schützen.

Wie wird die Studie durchgeführt?

Es werden Interviews und Gruppendiskussionen mit Jugendlichen geführt. Dafür kommt jemand aus dem Forschungsteam in verschiedene Einrichtungen und führt dort in einem geeigneten Raum die Interviews und Gruppendiskussionen durch. In beiden geht es um sehr persönliche Erfahrungen und Gedanken. Folgende Fragen wären zum Beispiel für uns interessant:

  • Deine Erfahrungen mit Übergriffen und Grenzverletzungen und was Du tust, um Dich vor solchen Gefahren zu schützen?
  • Was tust Du, wenn Gleichaltrige von Grenzverletzungen und Übergriffen betroffen sind?
  • Wie denkst Du über die Rolle von Mädchen bzw. Jungen und über das Holen von Hilfe?

Warum wird die Studie durchgeführt?

CHAT möchte Jugendliche befähigen, gefährliche Situationen gut einschätzen und bewerten zu können, um sich und andere Jugendliche besser schützen und/oder unterstützen zu können. Das ist ein sehr wichtiges Thema, da leider sehr viele Jugendliche Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen machen und die Folgen davon sehr belastend und schwerwiegend für die Betroffenen sein können.

Außerdem wurden vor allem Jugendliche aus benachteiligten Gruppen, wie einer heteronormativen sexuellen Orientierung, Menschen mit Behinderungen, Menschen mit sexuellen und/oder verschiedenen anderen belastenden Vorerfahrungen in der bisherigen Forschung kaum berücksichtigt und sollen in diesem Projekt Beachtung finden.

Wer forscht an dieser Studie?

Die Studie wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bezahlt.

Es gibt vier große Akteure, die in diesem Projekt forschen:

  • Deutsches Jugendinstitut (DJI): forscht zu Kindern, Jugendlichen und Familien und gibt Empfehlungen für die Politik, den Alltag und die Forschung heraus.
     
  • Sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut zu Geschlechterfragen (SoFFI F.): forscht alltagsnah zu Themen wie Familie, Frauen- und Geschlechterbeziehungen, und unterschiedliche Phänomene von Gewalterleben und Bewältigung.
     
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): nimmt Aufgaben der Vorbeugung und Gesundheitsförderung wahr, wozu auch die Vorbeugung sexuellen Missbrauchs zählt.
     
  • Deutsche Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung, -vernachlässigung und sexualisierter Gewalt (DGfPI): ist ein Zusammenschluss von Mitgliedern und Institutionen aus ganz Deutschland und dem angrenzendem Ausland, die sich gemeinsam zum Ziel gesetzt haben, aktiv für eine Verbesserung des Kinderschutzes einzutreten.

 

 

Worum geht es in der Studie?

In der Studie geht es um sexuelle Übergriffe unter Jugendlichen.
Sexuelle Übergriffe unter Jugendlichen sind zum Beispiel:

  • Ein Jugendlicher sagt etwas über Deinen Körper. Dir ist das unangenehm
  • Ein Jugendlicher küsst Dich. Du möchtest das nicht.
  • Ein Jugendlicher fasst Dir an den Po. Du möchtest das nicht.

Alle Jugendlichen sollen wissen, was man dann machen kann.
Damit der andere Jugendliche damit aufhört.
Darum soll es in der Studie gehen.

In Deiner Einrichtung triffst Du viele andere Jugendliche.
Ihr erlebt schöne und blöde Situationen
Dazu will ich Dir Fragen stellen.
Aber nur, wenn Du das auch willst.

Was wird in der Studie gemacht?

Für die Studie werden Jugendliche interviewt.
Ein Interview heißt, dass jemand Dir Fragen stellt.
Eine Forscherin kommt zu Dir in die Einrichtung.
Das Gespräch wird mit einem Aufnahmegerät aufgenommen.
Durch das Aufnahmegerät können Antworten später noch einmal angehört werden.
Die Antworten werden dann wissenschaftlich verarbeitet.
Dafür werden dann Berichte für andere Forscherinnen und Forscher geschrieben und für Menschen, die mit Jugendlichen arbeiten.
Wir möchten damit Jugendlichen helfen.

Wonach wird gefragt?

  • Ob Dir sexuelle Übergriffe schon mal passiert sind?
  • Was Du tust, um Dich davor zu schützen?
  • Was Du tust, wenn andere Jugendliche sexuelle Übergriffe erleben
  • Was Du über Hilfe holen denkst?

Wer macht die Studie?

Die Studie machen vier Einrichtungen:

  • Deutsches Jugendinstitut (DJI)
  • Sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut zu Geschlechterfragen (SoFFI F.)
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
  • Deutsche Gesellschaft für Prävention und Vernachlässigung bei Kindesmisshandlung, -vernachlässigung und sexualisierter Gewalt (DGfPI)

Die haben schon oft eine Studie gemacht und viel Erfahrung damit.

Finkelhor, David/Browne, Angela (1985): The traumatic impact of child sexual abuse: a conceptualization. In: The American journal of orthopsychiatry 55 (4), S. 530-541.

Helfferich, Cornelia/Kavemann, Barbara (2016): "Kein Sex im Kinderheim?". Prävention sexueller Gewalt in der stationären Jugendhilfe. Sozialmagazin, (08), 52-59. Beltz Juventa.

Kavemann, Barbara (2016): Sexualpädagogik oder Gewaltprävention? Sexualität vor dem Hintergrund sexueller Gewalterlebnisse. Forum Gemeindepsychologie, 21 (11).

Maschke, Sabine/Stecher, Ludwig (2018): Sexuelle Gewalt. Erfahrungen Jugendlicher heute. Weinheim, Basel: Beltz.

Rusack, Tanja (2019): Sexualität und Gewalt in Paarbeziehungen von Jugendlichen (1. Aufl.). Weinheim und Basel: Beltz Juventa.

 

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