„Es fehlen immer noch viele Kita-Plätze, vor allem in den westdeutschen Bundesländern“

Warum der U3-Ausbau weniger vorangeht als notwendig, erklärt Christiane Meiner-Teubner vom Forschungsverbund DJI/TU Dortmund anlässlich neuer Zahlen des Statistischen Bundesamts.

Die Zahl der Kinder unter drei Jahren, die ein Angebot der Kindertagesbetreuung wahrnehmen, hat sich zum 1. März 2020 gegenüber dem Vorjahr um rund 10.700 erhöht, vermeldete das Statistische Bundesamt am 30. September 2020. Das ist der niedrigste Zuwachs an Krippenplätzen seit dem Jahr 2006. Dennoch erreichte der Kitaplatz-Ausbau insgesamt einen neuen Höchststand. Christiane Meiner-Teubner, Expertin für Frühe Bildung am Forschungsverbund DJI/TU Dortmund erklärt, wie es zu dieser Entwicklung kam.

Christiane Meiner-Teubner (Foto: Sebastian Volberg)

DJI: Der Fokus der politischen Anstrengungen in den letzten Jahren lag auf dem Ausbau der Plätze für Kinder unter drei Jahren. Warum war das im vergangenen Jahr nicht mehr so?

Meiner-Teubner:
  Die demografische Entwicklung erforderte vor allem viele Plätze für Kinder zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt. Das hängt damit zusammen, dass die Anzahl der Kinder in der Bevölkerung seit Jahren steigt. Um die hohe Quote der in Kindertageseinrichtungen betreuten Kinder dieser Altersgruppe konstant zu halten, mussten daher viele Plätze geschaffen werden. In früheren Jahren war das anders: Da sank die Anzahl der Kinder in dieser Altersgruppe, so dass Plätze frei wurden, die genutzt werden konnten, um den U3-Ausbau zu bewältigen. Seit 2012 steigt die Zahl der Kinder zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt allerdings wieder, so dass für beide Altersgruppen zusätzliche Plätze benötigt werden. Auch im vergangenen Jahr ist deshalb die Anzahl der Kinder in Kindertagebetreuung insgesamt erneut enorm gestiegen – um weit mehr als 90.000 Kinder. Das ist der stärkste Zuwachs an belegten Plätzen seit dem Jahr 2006. Doch es reicht eben immer noch nicht.

In früheren Jahren sank die Anzahl der Kinder zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt, so dass Plätze frei wurden, die für den U3-Ausbau genutzt werden konnten.

Kam der Ausbau der Plätze für unter Dreijährige im vergangenen Jahr dadurch zu kurz?  

Insgesamt fand in den letzten fünf Jahren ein noch nie dagewesener Ausbau der Kindertagesbetreuung statt, der zeigt, welche enormen Ausbauanstrengungen in den Ländern erfolgt sind. Wir sprechen hier von einem jährlichen Ausbau um 65.000 bis 90.000 Plätze für beide Altersgruppen. Fest steht aber auch, dass seit dem Jahr 2006 noch nie so wenige Plätze für Kinder unter drei Jahren geschaffen wurden wie zwischen März 2019 und März 2020. Die Zahl der Kinder unter drei Jahren, in Kindertagesbetreuung ist in diesem Zeitraum nur um rund 10.700 gestiegen. Im Jahr zuvor sind hingegen fast 30.000 zusätzliche Plätze für Kinder dieser Altersgruppe hinzugekommen, in früheren Jahren zeitweise sogar zwischen 40.000 und fast 65.000. Trotz des verhältnismäßig geringen Ausbaus im vergangenen Jahr ist die Quote der betreuten Kinder unter drei Jahren jedoch um 0,7 Prozentpunkte auf 35 Prozent gestiegen.

Sind die Wünsche der Eltern nach Betreuungsplätzen für Ihre Kinder unter drei Jahren damit erfüllt?

Nein, in den westdeutschen Bundesländern reicht das verfügbare Platzangebot noch lange nicht aus, um allen Eltern, die sich einen Platz für ihr unter dreijähriges Kind wünschen, einen solchen bereitzustellen. Der Ausbau muss also unbedingt weitergehen – mit unterschiedlichem Fokus in den ost- und westdeutschen Ländern.

Inwiefern unterscheidet sich die aktuelle Situation in Bezug auf verfügbare Plätze und Elternbedarfe in den ostdeutschen und westdeutschen Bundesländern?

Vor allem die demografische Lage gestaltet sich in den ost- und westdeutschen Bundesländern unterschiedlich: Während im Westen die Anzahl der unter Dreijährigen in der Bevölkerung nahezu konstant geblieben ist, sinkt sie im Osten. Das hat dazu geführt, dass in den ostdeutschen Bundesländern im Jahr 2020 3.000 Kinder unter drei Jahren weniger ein Angebot der Kindertagesbetreuung in Anspruch nehmen als im Vorjahr. Trotzdem haben noch nicht alle Eltern einen Betreuungsplatz für ihr unter dreijähriges Kind, die sich einen solchen wünschen. Diese Lücke zwischen der Quote der Kinder, die eine Kindertageseinrichtung oder eine Tagepflegeperson besuchen, und dem Betreuungsbedarf der Eltern, wird sich zwar künftig verkleinern, weil vor allem die Geburtenrate weiter sinkt. Doch zunächst müssen auch hier noch Plätze geschaffen werden. Noch viel mehr Kita-Plätze fehlen allerdings in den westdeutschen Bundesländern. Der von den Eltern geäußerte Bedarf übersteigt hier um etwa 14 Prozentpunkte das verfügbare Platzangebot und zeigt, dass die hohen Anstrengungen der Länder fortgesetzt werden müssen.

Woher soll das Personal für den notwendigen weiteren Ausbau der Plätze in den Kitas kommen?

Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit die gesamte Fachwelt. Bereits jetzt beklagen Träger und Einrichtungen, dass die Suche nach qualifizierten Fachkräften immer schwieriger wird. Das ist nicht erstaunlich, da im Arbeitsfeld Kita in den vergangenen Jahren  enorm viel Personal eingestellt wurde. Derzeit steigt in den Einrichtungen die Anzahl der Beschäftigten, die noch in Ausbildung sind. Allein zwischen 2019 und 2020 hat sich deren Anzahl von etwa 23.200 auf 27.200 erhöht. An diesen Daten scheinen sich die Strategien einiger Länder zu spiegeln, verstärkt auf berufsbegleitende Ausbildungen und Teilzeitausbildungen zu setzen, die beispielsweise für Quereinsteigende attraktiv sind. Die größten Zuwächse zeigen sich aber nach wie vor bei den Erzieherinnen und Erziehern. Denn die Ausbildungskapazitäten werden insgesamt weiterhin ausgebaut und es interessieren sich viele junge Menschen für diesen Beruf. Auch zukünftig müssen hohe Anstrengungen unternommen und neue Strategien entwickelt werden, um weiteres Personal für das Arbeitsfeld zu gewinnen und um gleichzeitig das Qualifikationsniveau halten zu können.


Zentrale Ergebnisse des 8. Nationalen Bildungsberichts 2020 aus dem Bereich der Frühen Bildung

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Forschungsverbund DJI/TU Dortmund

 

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