Kita-Fachkräfte sind zufrieden mit dem Job, aber von Personalengpässen belastet
Die überwiegende Mehrheit des pädagogischen Personals ist sehr zufrieden mit seiner Arbeit, nicht aber mit den beruflichen Rahmenbedingungen. Das zeigt die OECD-Fachkräftebefragung aus dem Jahr 2018 in Deutschland und acht weiteren Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Kooperation mit nationalen Partnern. Über 15.000 Fachkräfte und 3.000 Leitungskräfte in Kindertageseinrichtungen aus Deutschland, Chile, Dänemark, Island, Israel, Japan, Korea, Norwegen und der Türkei haben an der Befragung teilgenommen. In Deutschland wurde die Studie vom Internationalen Zentrum Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (ICEC) am Deutschen Jugendinstitut (DJI) durchgeführt. Die zweite international vergleichende Ergebnisauswertung der Studie TALIS Starting Strong zeigt auf, was verbessert werden muss, um qualifizierte Kita-Fachkräfte im Beruf zu halten und neue zu gewinnen.
In Deutschland wie in den meisten anderen Ländern stimmen mehr als 90 Prozent der befragten Fachkräfte der Aussage völlig oder eher zu, mit ihrer Arbeit zufrieden zu sein. Entscheidend für die Zufriedenheit sind unter anderem Mitbestimmungsmöglichkeiten: Pädagogische Fachkräfte, die von ihren Leitungen in wichtige Entscheidungen einbezogen werden, geben mit mindestens doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit an, mit ihrer Arbeit zufrieden zu sein.
Personalengpässe belasten pädagogische Fachkräfte
Für den Großteil der Befragten in Deutschland stellen Aspekte der unmittelbaren pädagogischen Arbeit keine große Belastung dar. Dazu gehört etwa für die Entwicklung der Kinder verantwortlich zu sein oder den Anliegen der Eltern gerecht zu werden. Die unzureichende Ausstattung, beispielsweise mit Personal, Materialien oder Geld hingegen, sowie die zu große Anzahl an Kindern pro Gruppe nehmen sie hingegen als große Stressquelle wahr. Diese Ansicht teilen viele Fachkräfte anderer Länder.
Kurzfristige Personalausfälle werden in Deutschland als größte Belastung wahrgenommen, in allen anderen Ländern jedoch weniger als Problem genannt: Etwa ein Drittel der pädagogischen Fach- und Leitungskräfte hierzulande berichtet, dass sie wegen abwesenden Kolleginnen und Kollegen zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen und sich dadurch stark strapaziert fühlen. Außerdem beklagt eine von fünf Kita-Leitungen, der Personalmangel erschwere es ihrer Einrichtung, den Kindern ein gutes Umfeld für ihre Entwicklung, ihr Wohlbefinden und ihr Lernen zu bieten.
Fachkräfte, die sich unterstützt und gut bezahlt fühlen, sind weniger gestresst
Beruflicher Stress kann den Analysen zufolge durch verschiedene Faktoren reduziert werden, beispielsweise durch die Unterstützung der Mitarbeitenden durch die Einrichtungsleitung und durch die Zufriedenheit mit dem Gehalt. Allerdings sind knapp Dreiviertel der Befragten in Deutschland aktuell mit ihrem Gehalt eher oder sehr unzufrieden. Die Unterstützung durch die Leitungen wird im Vergleich zu den anderen Ländern hingegen eher positiv wahrgenommen. Doch auch hier gibt es in Deutschland Verbesserungspotenzial: Ein Viertel des pädagogischen Personals, das Kinder unter drei Jahren betreut (U3-Stichprobe) und ein knappes Drittel der Fachkräfte, die Kinder im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt betreuen (Ü3-Stichprobe), wünscht sich mehr Unterstützung.
Kita-Personal fühlt sich hier weniger anerkannt als in anderen Ländern
Verbessert werden kann das Wohlbefinden auch durch die Art und Weise, wie sich das pädagogische Personal von anderen geschätzt fühlt. Doch in Deutschland hat nur ein gutes Drittel der Befragten das Gefühl, von der Gesellschaft anerkannt zu werden. Dieser Wert ist im Vergleich zu den anderen Ländern gering.
Gesundheitliche Probleme können Anlass sein, den Job aufzugeben
Ein Viertel der in Deutschland befragten Kita-Fachkräfte nennt als wahrscheinlichsten Grund, ihren Beruf aufzugeben, gesundheitliche Probleme wie körperliche Beschwerden oder Burn-Out. In den meisten anderen Ländern gaben die Befragten am häufigsten den Ruhestand an. Familiäre Verpflichtungen und der Ruhestand folgen in Deutschland hingegen erst an zweiter und dritter Stelle. „Diesen Befund sollten wir ernstnehmen, denn in der aktuellen Pandemie-Situation werden die gesundheitlichen Sorgen und Belastungen der Fachkräfte vermutlich eher noch zunehmen“, sagt Samuel Bader vom ICEC. „Erfreulich ist andererseits, dass nur etwa 5 Prozent des der Befragten in Erwägung zieht, in ein anderes, nicht-pädagogisches Arbeitsfeld zu wechseln. Dies deutet auf eine starke Identifikation mit dem Bereich der Frühen Bildung, Betreuung und Erziehung hin."
Fachkräfte fühlen sich kompetent dabei, die Entwicklung der Kinder zu fördern, beim Umgang mit Vielfalt gibt es Unsicherheiten
Wie in allen anderen Ländern fühlt sich das pädagogische Personal in Deutschland gut in der Lage, die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern zu fördern: 95 Prozent schreiben sich die Kompetenz zu, die Interaktion der Kinder untereinander und ein gutes Sozialverhalten anregen zu können. Das Lernen der Kinder durch den Einsatz digitaler Medien zu unterstützen, traut sich die große Mehrheit hingegen kaum zu. Aber auch bei der Arbeit mit Kindern, die unterschiedliche Hintergründe haben, bestehen Unsicherheiten: Nur knapp die Hälfte der Befragten ist davon überzeugt, die Entwicklung von Kindern aus benachteiligten Familien fördern und das Interesse der Kinder für kulturelle Vielfalt wecken zu können. Da in den deutschen Kitas dem aktuellen Bildungsbericht 2020 zufolge jedes fünfte Kind zu Hause eine andere Sprache als Deutsch spricht, ist dieser Aspekt von großer Relevanz. Doch immerhin arbeiten in Einrichtungen, in denen mehr als 10 Prozent der Kinder eine andere Sprache als Deutsch sprechen und in Einrichtungen mit einem Anteil von mehr als 10 Prozent an Kindern aus sozioökonomisch benachteiligten Familien, überdurchschnittlich viele Fachkräfte, die in der Aus- und Weiterbildung den Umgang mit Vielfalt gelernt haben.
Fortbildungsaktivitäten konzentrieren sich in Deutschland auf wenige Themen
Zwar erweist sich das pädagogische Personal in allen Ländern als ausgesprochen weiterbildungsaffin, doch begrenzten sich die jüngsten Fort- und Weiterbildungsaktivitäten in Deutschland auf eine relativ geringe Anzahl von Themen. Eine größere thematische Bandbreite in der Aus- und Weiterbildung begünstigt den Analysen nach ein stärkeres Selbstwirksamkeitsgefühl bei der Unterstützung der kindlichen Entwicklung. Darüber hinaus zeigt der Ländervergleich, dass sich pädagogische Fachkräfte, die mehr Themen sowohl in der Ausbildung als auch in der Weiterbildung abgedeckt haben, auch mehr Aktivitäten anbieten, die die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen von Kindern berücksichtigen. Auch bei der Vorbereitung auf Leitungsaufgaben gibt es in Deutschland Nachholbedarf: Nicht einmal die Hälfte der Kita-Leitungen wurde bereits in ihrer Ausbildung auf diese Tätigkeit vorbereitet, das niedrigste Niveau unter den teilnehmenden Ländern.
Die Studie TALIS Starting Strong der OECD
Über 15.000 Kita-Fachkräfte und 3.000 Leitungen in Deutschland, Chile, Dänemark, Island, Israel, Japan, Norwegen, Südkorea, Türkei wurden in den Jahren 2016 bis 2018 zu ihrer Arbeit mit Kindern im Alter von drei Jahren bis zur Einschulung (Ü3-Teilstudie) befragt. Deutschland, Dänemark, Israel und Norwegen haben auch an der U3-Teilstudie teilgenommen.
In Deutschland führte das Internationale Zentrum Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (ICEC) am Deutschen Jugendinstitut (DJI) die Studie durch und wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Die Forscherinnen und Forscher des DJI befragten rund 3.000 zufällig ausgewählte Fach- und Leitungskräfte in über 500 Kindertageseinrichtungen.
Erste international vergleichende Ergebnisse der Studie zu den Themen Personalzusammensetzung und -qualifikation, pädagogische Praxis und Einstellungen sowie strukturelle Merkmale der Einrichtungen wurden im Jahr 2019 veröffentlicht. Im Mittelpunkt des hier veröffentlichten zweiten Ergebnisberichts stehen Arbeitsbedingungen und -zufriedenheit des pädagogischen Personals, das Management der Einrichtungen sowie die Aus- und Weiterbildung.
Der zweite Ergebnisbericht ist unter dem Titel „Building a High-quality Early Childhood Education and Care Workforce“ erschienen und kann zusammen mit einer Ländernotiz für Deutschland kostenfrei auf der OECD-Website gelesen werden.
Kontakt
Internationales Zentrum Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (ICEC) am DJI
Daniel Turani
089/62306-276
turani@dji.de
Samuel Bader
089/62306-381
sbader@dji.de
Carolyn Seybel
089-62306-264
seybel@dji.de
Abteilung Medien und Kommunikation am DJI
Uta Hofele
089/62306-173
hofele@dji.de