In der Breite gut ausgebildet
In den letzten Jahren wurden viele Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen eingestellt. Für die Qualität in Kitas spielt ihre Qualifikation eine entscheidende Rolle. Eine OECD-Studie zeigt, dass Deutschland im internationalen Vergleich gut abschneidet, doch sie verweist auch auf Nachholbedarf.
Von Samuel Bader, Kirsten Fuchs-Rechlin und Daniel Turani
Die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in Kindertageseinrichtungen unterliegt seit fast 20 Jahren einer ungeheuren Wachstumsdynamik. Zwischen den Jahren 2006 und 2021 hat sich die Zahl des pädagogischen und leitenden Personals von 352.771 auf 699.962 erhöht, wie das Fachkräftebarometer Frühkindliche Bildung zeigt (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2022). Angesichts dieser eindrucksvollen Zuwächse wird häufig die Befürchtung geäußert, dies gehe – etwa aufgrund fehlender Ausbildungskapazitäten – mit einer Dequalifizierung des Personals und damit verbunden einer Absenkung der mühsam errungenen Qualitätsstandards einher (Fuchs-Rechlin/ Rauschenbach 2021). Denn mittlerweile ist empirisch gut belegt, dass die Qualifikation des Personals einen Einfluss auf die Prozessqualität in Kindertageseinrichtungen hat (Anders/Roßbach 2019): So besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Qualifikation der Fachkräfte und ihrem Erziehungs- und Interaktionsverhalten – und das beeinflusst auch die kindliche Entwicklung (Viernickel/Fuchs-Rechlin 2015). Die Fachkräfte sind damit ein Schlüssel für die Qualität. Zugespitzt formuliert: Die Fachkräfte sind – neben den Kindern – die wichtigsten Akteur:innen im Gruppenraum. Daher muss man unbedingt fragen: Wie ist es um die Qualifikation des Personals in den Kindertageseinrichtungen in Deutschland bestellt, und wie lässt sich dies im internationalen Vergleich einordnen?
Hohes Ausbildungsniveau, aber meist keine akademischen Abschlüsse
Gemessen an der Internationalen Standardklassifikation für das Bildungswesen (ISCED) ist das pädagogische Personal in Deutschland laut der OECD-Studie „TALIS Starting Strong“ gut qualifiziert: 67 Prozent der Personen, die in Kita-Gruppen mit Kindern ab 3 Jahren arbeiten, haben hierzulande mindestens einen Berufsausbildungsabschluss auf Level 6 der ISCED, was im deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) einem Bachelorstudium oder einer Fachschulausbildung entspricht. DQR und ISCED haben insgesamt acht Level; 7 steht für einen Masterabschluss, 8 für eine Promotion. Im internationalen Vergleich liegt lediglich in der Türkei der Anteil der Hochqualifizierten in Kindertageseinrichtungen mit 81 Prozent deutlich über dem deutschen Niveau. Weitere Vergleichsländer der Studie – Chile, Island, Israel, Norwegen und Korea – kommen auf Anteile um die 50 Prozent; in Japan liegt der Anteil des Personals mit mindestens Level 6 sogar nur bei 18 Prozent.
Eine Besonderheit in Deutschland ist bekanntermaßen, dass die pädagogisch Tätigen nicht an Hochschulen studiert haben, sondern an speziellen Fachschulen für Erzieher:innen ausgebildet wurden. Dies ist in den Vergleichsländern anders: Hier verfügt die Mehrzahl der Personen mit ISCEDLevel- 6-Qualifikation tatsächlich über einen Hochschulabschluss. In Deutschland dagegen sind hochschulisch qualifizierte Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen weiterhin selten. Allerdings lassen sich deutliche Unterschiede nach Arbeitsbereichen beobachten: So finden sich unter den Leitungskräften die meisten Hochschulabsolvent:innen. Sie kommen auf einen Anteil von 24 Prozent. Danach folgen mit 11 Prozent Fachkräfte, die Kinder mit (drohender) Behinderung fördern. Vergleichsweise unüblich ist eine akademische Ausbildung nach wie vor bei Gruppenleitungen (5 Prozent) und den Zweit- beziehungsweise Ergänzungskräften (3 Prozent), also jenen Personen, die das Gros der Interaktionsarbeit mit den Kindern leisten. Unter den Zweit- und Ergänzungskräften zeigt sich außerdem eine große Heterogenität in der Qualifikationsstruktur, hierunter fallen auch die meisten Personen mit einem Berufsfachschulabschluss etwa in der Kinderpflege oder der Sozialassistenz.
Das Qualifikationsgefälle zwischen Gruppenleitungen und Ergänzungskräften ist hierzulande geringer als in anderen Ländern
Der hohe Anteil des pädagogischen Personals in Deutschland mit einem Berufsausbildungsabschluss auf ISCED-Level-6-Niveau lässt sich auf die insgesamt geringen Qualifikationsunterschiede zwischen den Gruppenleitungen und den Zweit- und Ergänzungskräften zurückführen. Um ein Beispiel zu nennen: Während in Deutschland 74 Prozent der Gruppenleitungen und 57 Prozent der Zweit- und Ergänzungskräfte eine Ausbildung auf ISCED-Level 6 absolviert haben, sind es in Norwegen zwar 95 Prozent bei den Gruppenleitungen, aber lediglich 11 Prozent bei den Zweit- und Ergänzungskräften. Rund 30 Prozent der norwegischen Zweit- und Ergänzungskräfte sind auf Level 4 oder 5, 60 Prozent sogar unterhalb des Levels 4 qualifiziert.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in anderen Vergleichsländern: Hoch qualifizierten Fachkräften, die hauptverantwortlich mit den Kindern arbeiten, werden häufig unterstützende Assistenzkräfte mit deutlich niedrigerer Ausbildung zur Seite gestellt. Während unter den „Teachers“ viele Personen mindestens über einen Abschluss auf Bachelor-Niveau verfügen, trifft das nur auf wenige „Assistants“ zu (OECD 2019). In Deutschland ist dieser Unterschied zwischen den Arbeitsbereichen deutlich schwächer ausgeprägt, sodass im internationalen Vergleich das Qualifikationsgefüge des deutschen Kita-Personals auffällig homogen erscheint.
Und auch beim Thema Fachlichkeit schneiden pädagogisch Tätige in Deutschland gut ab: Nahezu alle haben eine Ausbildung absolviert, die sie „speziell für die Arbeit mit Kindern qualifiziert“ (Bader u.a. 2019, S. 29). Im internationalen Vergleich ist dies keine Selbstverständlichkeit. So sind in Norwegen zwar nahezu alle Gruppenleitungen fachlich einschlägig ausgebildet, bei den Zweit- und Ergänzungskräften trifft dies jedoch lediglich auf knapp 60 Prozent zu. Auch in Chile und Israel fallen die Anteile von fachlich einschlägig qualifizierten Assistenzkräften mit 65 beziehungsweise 70 Prozent deutlich geringer aus als hierzulande. Unter den ohnehin geringer qualifizierten Assistenzkräften in Chile, Israel und Norwegen gibt es somit einen großen Anteil an Personen ohne jegliche fachlich einschlägige Ausbildung (OECD 2019).
Bei der individuellen Förderung von Kindern fühlen sich Fachkräfte unsicher
Doch selbst in Deutschland deckt die hohe Qualifikation nicht alle Themenbereiche ab, die in Kindertageseinrichtungen täglich von Bedeutung sind. Insbesondere die Kompetenzselbsteinschätzung des Personals, die in der Studie „TALIS Starting Strong“ im Jahr 2018 abgefragt wurde, gibt hier Hinweise auf Stärken und Schwächen des Ausbildungssystems. Nachholbedarf zeigt sich bei der individuellen Förderung von Kindern: Etwa ein Drittel der in Deutschland Befragten gibt an, dass sie ihre Arbeit gar nicht oder eher wenig „an die besonderen Bedürfnisse einzelner Kinder anpassen können“. Auch fühlt sich hierzulande nur etwa die Hälfte der pädagogisch Tätigen dazu in der Lage, Kinder aus benachteiligten Verhältnissen zu fördern. Deutlich positiver ist die Selbsteinschätzung, wenn es um die Förderung der sozial-emotionalen Entwicklung der Kinder geht; dies passt zur sozialpädagogisch ausgerichteten Ausbildung der Erzieher:innen an Fachschulen, die rund zwei Drittel des pädagogischen Personals stellen (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2022). „Kinder beim Teilen, Helfen und Interagieren“ zu unterstützen, sie „zu trösten und zu beruhigen“ und ihnen „ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln“ – das trauen sich fast alle Befragten in Deutschland zu (jeweils über 95 Prozent).
Auch in den Vergleichsländern fühlt sich das pädagogische Personal am sichersten bei der Unterstützung der sozial-emotionalen Entwicklung der Kinder: Mehr als die Hälfte des pädagogischen Personals hat nach eigener Aussage das Gefühl, diese Anforderung gut oder sehr gut erfüllen zu können. Bei der Förderung von einzelnen Kindern und von Kindern aus benachteiligten Verhältnissen schätzen sich die Befragten in anderen Ländern hingegen teils etwas stärker ein als in Deutschland (Bader u.a. 2021).
Auf die Einrichtungsleitung bereitet die pädagogische Ausbildung kaum vor
Leitungskräfte in Kindertageseinrichtungen haben sowohl in Deutschland als auch international durchweg ein hohes Qualifikationsniveau. Wird jedoch danach gefragt, inwiefern sie während ihrer Ausbildung auf diese Tätigkeit vorbereitet wurden beziehungsweise werden, fällt Deutschland hinter die meisten Vergleichsländer zurück. So ist in vielen Ländern eine spezifisch frühpädagogische Ausbildung für Leitungskräfte üblich, etwa in Norwegen, Island, Südkorea oder Japan. Deutschland bewegt sich in dieser Hinsicht zwar im Mittelfeld, das Schlusslicht bilden Chile und die Türkei. Weniger gut schneidet Deutschland jedoch bei den Themen „Pädagogische Leitung“ und „Verwaltung“ ab, obwohl die Leitungskräfte sich in ihrem Arbeitsalltag genauso häufig mit diesen Aufgaben beschäftigen (Turani u.a. 2022). Nur rund ein Drittel von ihnen berichtet, dass diese zwei Aspekte in der Ausbildung vorkamen. Dies ist jeweils der geringste Wert unter allen Ländern.
Professionalisierung nach internationalem Vorbild weiter vorantreiben
Alles in allem steht das deutsche Personal in Kindertageseinrichtungen im internationalen Vergleich gut da; dies zeigt sich beim Ausbildungsniveau und bei der Fachlichkeit gleichermaßen. Das Qualifikationsgefälle zwischen Gruppenleitungen sowie Zweit- und Ergänzungskräften ist in Deutschland deutlich geringer ausgeprägt als in den Vergleichsländern – dies ist ebenfalls ein positiver Befund. Gleichwohl ist das Kita-Personal – zumindest sofern es eine Leitungsposition oder eine Gruppenleitung innehat – international in der Regel hochschulisch qualifiziert. Entwicklungsbedarfe bestehen vor allem hinsichtlich der individuellen Förderung von Kindern sowie der Förderung benachteiligter Kinder; diese Selbsteinschätzungen der pädagogisch Tätigen decken sich weitgehend mit Studienergebnissen zur Qualität von Kindertageseinrichtungen (Becker-Stoll u.a. 2013). Handlungsbedarfe zeigen sich außerdem bei einigen Leitungskompetenzen, die in der fachschulischen Erzieher:innen-Ausbildung in Deutschland kaum vorkommen. Während die Qualifikation hierzulande „individualisiert“ ist beziehungsweise von den Aktivitäten der einzelnen Einrichtungsträger abhängt, wird die Leitungsausbildung in anderen Ländern bereits systematisch professionalisiert. So ist etwa in Finnland ab 2030 ein Masterabschluss für alle Einrichtungsleitungen und ein Bachelorabschluss für alle „Teacher“ vorgeschrieben (Ahtiainen/Fonsén 2021). Angesichts der Bedeutung der Leitungskräfte für die Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen kann das finnische Modell auch für Deutschland einen wichtigen Impuls liefern.
Ahtiainen, Raisa / Fonsén, Elina (2021): Finnish early childhood education and care leaders’ perceptions of pedagogical leadership and assessment of the implementation of the National Core Curriculum in times of change. In: Australasian Journal of Early Childhood, 46. Jg., H. 2, S. 126–138
Anders, Yvonne / Rossbach, Hans-Günter (2019): Qualität in der Kindertagesbetreuung. In: Köller, Olaf u.a. (Hrsg.): Das Bildungswesen in Deutschland. Bestand und Potenziale. Bad Heilbrunn, S. 441–470
Autorengruppe Fachkräftebarometer (2022): Personal und Arbeitsmarkt in Zeiten von Corona. Analysen zum Fachkräftebarometer Frühe Bildung. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte. München
Bader, Samuel u.a. (2019): Kita-Praxis im internationalen Vergleich. München
Bader, Samuel u.a. (2021): Kita-Fachkräfte im internationalen Vergleich. München
Becker-Stoll, Fabienne u.a. (Hrsg.) (2013): Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit (Nubbek). Weimar
Fuchs-Rechlin, Kirsten / Rauschenbach, Thomas (2021): Erzieher*innen – ein Qualifikationsprofil in der Zwickmühle. Seitenwege, Irrwege, Auswege. In: Bildung und Erziehung, 74. Jg., H. 2, S. 200–218
OECD (2019): Providing Quality Early Childhood Education and Care. Paris
Statistisches Bundesamt (2021): Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege am 01.03.2021. Wiesbaden
Turani, Daniel / Seybel, Carolyn / Bader, Samuel (2022): Kita-Alltag im Fokus – Deutschland im internationalen Vergleich. Weinheim
Viernickel, Susanne / Fuchs-Rechlin, Kirsten (2015): Fachkraft-Kind-Relationen und Gruppengrößen in Kindertageseinrichtungen. In: Viernickel, Susanne u.a. (Hrsg.): Qualität für alle. Wissenschaftlich begründete Standards für die Kindertagesbetreuung (3. Aufl.). Freiburg im Breisgau, S. 11–130
Weitere Analysen gibt es in Ausgabe 1/2023 von DJI Impulse „Frühe Bildung weiterentwickeln - Wie es um die Qualität der Kindertagesbetreuung in Deutschland steht und welche positiven Beispiele es aus anderen Ländern gibt“ (Download PDF).