Projekt „Apps für Kinder“ – Praxisbericht „Garageband"“
Kurzbeschreibung der App
Die iOS-App Garageband gehört zur Grundausstattung von iPads und ermöglicht das Aufnehmen und Nachbearbeiten von Sprache, Geräuschen und Musik. Außerdem können mehrere Tonspuren zu einem Gesamtwerk zusammengesetzt werden, so dass auch Hörspiele und musikalische Kompositionen erstellt werden können.
Die App stellt außerdem eine Sound-Bibliothek zur Verfügung, deren Elemente beliebig mit eigenen Audiosequenzen kombiniert werden können. Sie ist offline nutzbar, enthält keine Werbung und keine In-App-Käufe.
Die App wirkt zunächst sehr komplex und wenig übersichtlich im Aufbau, aber die wesentlichen Funktionen können von den Kindern nach kurzer Einführung selbstständig bedient werden. Eine ausführliche Anleitung zur App gibt es hier: www.rananmausundtablet.de/4-0-Materialkiste.html
Die Einsatzmöglichkeiten sind vielseitig, ein ausführlicher Steckbrief zum Programm mit Ideen zum Einsatz in der Praxis ist hier zu finden: www.blickwechsel.org/images/Medienpaedagogik/BildungshAPPchen/Steckbriefe/GarageBand_Steckbrief.pdf
Rahmenbedingungen
Gruppengröße: neun Kinder
Alter: Sieben Kinder sind vier bis sechs Jahre, zwei Kinder sind zwei Jahre alt.
Dauer: 120 Minuten
Material: ein Tablet mit der App Garageband (iOS), einige Utensilien zum Geräuschemachen
Idee: ein eigenes kurzes Hörspiel aufnehmen
Die App wurde im Mai 2018 in einer Bremer Kita mit neun Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren getestet.
Zur Kita
Die Kita ist eine zweisprachige Einrichtung (Deutsch/Englisch) und betreut ganztags eine Kleinkindgruppe mit acht Kindern im Alter von sechs Monaten bis drei Jahren sowie eine Kindergartengruppe mit 16 Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren. Das pädagogische Konzept wird durch die Reggio-Pädagogik inspiriert. Träger ist ein gemeinnütziger Elternverein.
Vorbereitung
Für die Aktion steht ein etwa 30 qm großer Raum zur Verfügung, in dem die Gruppe ungestört arbeiten und sich zwischendurch auch bewegen und spielen kann.
Vor Beginn checken:
- Akku geladen?
- App starten und eine Probeaufnahme machen
- App-Grundeinstellungen vor der Aktion überprüfen (Metronom für Sprachaufnahmen aus?)
Start: Einführung in die App
Die Kinder setzen sich im Kreis zusammen, in der Mitte liegt das Tablet, findet jedoch zunächst wenig Beachtung, da die Gruppe auch vorher schon mal mit dem Tablet gearbeitet hat und das Gerät deshalb bekannt ist. Die Erzieherin fragt die Kinder, ob sie Hörspiele kennen – einstimmiges, klares JAAA! – und welche sie gerne mögen. Die größeren Kinder erzählen begeistert von Bibi & Tina, Biene Maja, Drache Kokosnuss, Die ??? Kids und In einem Land vor unserer Zeit. Die meisten hören Hörspiele gerne zum Einschlafen oder auch nachmittags zusammen mit anderen Kindern. Auf die Frage, ob sie Lust hätten, auch mal selbst ein Hörspiel zu machen, reagieren alle begeistert.
Gemeinsam wird das Tablet eingeschaltet und die App gestartet. Auch wenn die Oberfläche der App nicht unbedingt bunt und kindgerecht wirkt, sind die Symbole den meisten Kindern doch bekannt: den Play-Pfeil und den roten Punkt zum Aufnehmen erkennen die meisten sofort. Also kann direkt mit einer Probeaufnahme begonnen werden, bei der die Kinder sehen, dass lauteres oder leiseres Sprechen dazu führt, dass sie unterschiedlich lange farbige Balken sehen. Die Einführung in die App, die Erklärung der Symbole und die Fragen der Kinder werden teilweise einfach direkt mit aufgenommen. Innerhalb von wenigen Minuten ist so eine erste kurze Audiosequenz fertig und wird mit dem Play-Pfeil gestartet. Die Kinder finden es toll, sich selbst zu hören und wollen die Aufnahme direkt nochmal hören und dann noch etwas aufnehmen.
Kreativ-Phase: eigene Versuche mit der App
Also startet direkt die Hörspielproduktion indem die Erzieherin die Kinder fragt: Okay, wie könnte unsere Geschichte anfangen? Hier hakt es zunächst ein bisschen, aber als die Erzieherin vorschlägt „Es war einmal …” sprudeln die Ideen: Königin, Monster, Schloss, Prinzessin, Dino … Das Schloss soll es sein, da ist man sich schnell einig, und so geht es Schritt für Schritt weiter. Die Erzieherin stellt den Kindern kurze Fragen (Wer lebt in dem Schloss? Wie heißen die? Was machen die? Und was passiert dann? …?). Die Fragen werden nicht mit aufgenommen. Die Kinder antworten – nachdem ein anderes Kind den Aufnahmebutton gedrückt hat.
Reihum sprechen die Kinder ein paar Worte oder einen Satz ins Mikro. Die beiden Zweijährigen sind die ganze Zeit interessiert und konzentriert dabei und sprechen ebenfalls einzelne Wörter ins Mikrofon. Ganz wichtig ist, dass bei der Aufnahme immer darauf geachtet wird, dass man sich in der Timeline an der richtigen Stelle befindet, sonst wird womöglich versehentlich eine Sequenz durch eine neue Aufnahme überspielt. Da bei dieser Hörspielimprovisation aber immer nur sehr kurze Sequenzen aufgenommen werden, wird die verloren gegangene Stelle schnell erneut eingesprochen. So ist innerhalb weniger Minuten eine kleine Geschichte entstanden, die gemeinsam angehört wird. Super! Alle sind sehr begeistert und applaudieren!
Einführung in den Schnitt
Die Erzieherin fragt: Aber zwischendurch bin ich ja mal zu hören und einmal ist so eine längere Pause und ein Husten … Soll das drin bleiben? Oder kriegen wir das irgendwie raus?“ Ein Kind antwortet tatsächlich: „Rausschneiden! Aber nicht mit einer Schere! Das Werkzeugsymbol zum Teilen ist aber tatsächlich eine Schere, was sich die Kinder dann sehr gut merken können. Gemeinsam werden ein paar „Patzer“ rausgeschnitten und dann gibt es erst mal eine Pause, denn inzwischen sind rund 60 Minuten vergangen und alle brauchen ein bisschen Bewegung und etwas zu trinken.
Geräusche erzeugen und aufnehmen
Nach rund 15 Minuten geht es weiter und gemeinsam wird überlegt, welche Geräusche denn zu der Geschichte gehören. Die Kinder suchen sich die passenden Utensilien in der Kita zusammen und nehmen Rasseln auf, improvisiertes Schlagzeug, Applaus und Stimmengewirr… Hier können alle gleichzeitig zum Zuge kommen und sind wieder begeistert dabei. Die aufgenommenen Geräusche werden anschließend mit dem Finger an die gewünschte Stelle in der Timeline gezogen. Dann wird alles angehört, mehrfach nacheinander, weil alle so begeistert von dem Ergebnis sind!
Nun wird das eigene Hörspiel richtig abgespeichert und soll noch einen Namen bekommen: das Krabbelgruppenkonzert! Die Kinder tippen den Dateinamen selber ein. Die Buchstaben sind den drei großen Mädchen, die im Sommer zur Schule kommen, bekannt. Sie lassen sich das Wort von der Erzieherin buchstabieren und suchen Buchstabe für Buchstabe auf der Tastatur.
Abschluss
In der Abschlussrunde werden die Kinder gefragt, wie ihnen die Aktion gefallen hat. Einstimmig Begeisterung und großer Zuspruch. Sie sollen auch nochmal erklären, wie das Hörspiel entstanden ist. Die Beschreibung der Arbeitsschritte macht den Kindern die Abläufe bewusst und regt sie dazu an, sich nochmal mit dem zu befassen, was sie in dieser Aktion gelernt haben. Die Kinder erklären, dass man nur das hört, was sie aufgenommen haben und dass man Worte wegschneiden kann. Die Kinder können auch den Audioschnitt sehr gut erklären und versichern den Erzieherinnen, dass sie das unbedingt nochmal zusammen machen können, denn sie wüssten ja, wie das funktioniert, falls die beiden mal nicht mehr weiter wissen!
Obwohl die App auf den ersten Blick eher komplex und wenig spielerisch wirkt, erschließt sie sich den Kindern schnell. Voraussetzung ist allerdings, dass die Betreuungspersonen sich vorher ausführlich mit der App befasst haben und die Grundfunktionen und Einstellungen verstanden haben. Dann wissen sie genau, worauf sie sich konzentrieren müssen und können die Kinder gut anleiten.
Das Arbeiten mit mehreren Tonspuren stellt dann keine große Herausforderung dar, da einfach nacheinander in mehreren Arbeitsschritten zunächst Text gesprochen wird, der Text nochmal gehört wird und dazu einzelne Geräusche aufgenommen und an die gewünschte Stelle geschoben werden. Diese Kombination sorgt beim anschließenden Hören bei den Kindern für große Begeisterung. Durch die Kombination von Stimmen, Geräuschen und Musik entsteht ein richtiges Hörspiel, das an die bekannten Produktionen erinnert. Text Das Zusammenspiel sorgt dafür, dass wir „Bilder sehen“, obwohl wir eigentlich nur hören.
Ursprünglich war geplant, die Gruppe zu teilen und mit zwei iPads zu arbeiten. Allerdings hat die Arbeit so gut geklappt, die Kinder haben sich so toll unterstützt, gegenseitig geholfen und gemeinsame Lösungen gefunden, dass spontan entschieden wurde, auch die Hörspielimprovisation mit der ganzen Gruppe gemeinsam zu machen. Das hat sehr gut funktioniert, ist aber sicherlich auch von der Gruppe abhängig. Bei anderer Gruppenstruktur kann es ratsam sein, mit kleineren Gruppen zu arbeiten – sofern die technische Ausstattung es ermöglicht.
Da einzelne Sequenzen immer sofort angehört werden konnten, hatten alle Kinder schnell Erfolgserlebnisse und waren motiviert, dran zu bleiben und weiter mitzumachen. Die App eignet sich gut, um kreativ und kooperativ ein Gemeinschaftsprojekt zu gestalten. Die Kinder sprechen sich ab, agieren gemeinsam und freuen sich zusammen an den Ergebnissen.
Es sind Absprachen zwischen den Kindern notwendig, die Aushandlung von Reihenfolgen und die Einigung über Zuständigkeiten. Medienarbeit ist Teamarbeit und stärkt soziale Kompetenzen und Kommunikationsfähigkeiten sowie technisches Verständnis und regt die Auseinandersetzung mit medialen Inszenierungen an.