Projekt "Apps für Kinder" - Praxisbericht "iMovie"
App-Kurzbeschreibung
Die iOS App „iMovie“ gehört zur Standardausrüstung von iPads und ermöglicht das Zusammenstellen und Nachbearbeiten von Video- und Fotodateien. Die Clips können mit verschiedenen Farbfiltern versehen, durch Übergänge verbunden und mit Audioaufnahmen und/oder Musik unterlegt werden. Die App stellt außerdem eine Auswahl an Trailern zur Verfügung, die bereits vorstrukturiert und musikalisch unterlegt sind. Hier können eigene Fotos und Videosequenzen eingebunden und die Texte angepasst werden. Die App ist offline nutzbar, enthält weder Werbung noch In-App-Käufe, bietet allerdings bei bestehender Internetverbindung die Möglichkeit, Videos auf YouTube hochzuladen.
Die App ist übersichtlich im Aufbau, die Grundfunktionen können von den Kindern nach einer kurzen Einführung selbstständig bedient werden. Einen ausführlichen Steckbrief zum Programm mit Anleitungen und Ideen zum Einsatz gibt es hier: www.blickwechsel.org/images/Medienpaedagogik/BildungshAPPchen/Steckbriefe/iMovie_Steckbrief.pdf. Ein Video-Tutorial ist hier zu finden: ipad-in-der.schule/2018/05/31/imovie-tutorial-einfache-videobearbeitung-am-ipad
Rahmenbedingungen
Gruppengröße: 12 Kinder, 2 Erzieherinnen
Alter: 4 bis 6 Jahre
Dauer: 90 Minuten
Material: 3 Tablets mit der App iMovie (iOS)
Idee: Kinder setzen sich mit ihren Medienvorlieben auseinander, interviewen sich dazu gegenseitig und kombinieren verschiedene Fotos und Clips zu einem kurzen Film
Die App wurde im November 2018 in einer Bremer Kita mit 12 Kindern im Alter von 4 bis 6 Jahren getestet.
Zur Kita
Das städtische Kinder- und Familienzentrum in Bremen betreut 140 Elementarkinder und 40 Hortkinder. Von den 180 Kindern haben 27 Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit und 178 Familien sind beitragsfrei. Der Stadtteil, in dem die Kita liegt, gehört zu denjenigen, die einen hohen Rang auf dem Bremer Benachteiligungsindex einnehmen, also über besonders viele Familien in prekären Lebenslagen verfügen. Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist und die mehrsprachig aufwachsen, stellen die Mehrheit. Die Familiensprachen sind überwiegend türkisch, arabisch, kurdisch, bulgarisch, serbokroatisch, afrikanische Sprachen, englisch und französisch. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Türkisch und Arabisch, da diese Familien den größten Anteil in der Kita bilden.
Vorbereitung
Für die Aktion steht ein etwa 40qm großer Raum zur Verfügung, in dem die Gruppe ungestört arbeiten und sich zwischendurch auch bewegen und spielen kann.
Im Vorfeld wurde überprüft, dass alle Akkus geladen sind und die App läuft.
Einstieg: Was guckt ihr gerne?
Die Kinder sitzen im Stuhlkreis. Die Tablets liegen schon parat. Sie gehören in dieser Kita zum Alltag und sind keine Besonderheit mehr. Jede Gruppe hat ein iPad und kann es situativ einsetzen. Die Erzieherin erzählt den Kindern, dass es heute darum gehen soll, was die Kinder gerne im Fernsehen mögen. Dazu wollen sie sich gegenseitig interviewen. Interviewen – das kennen die Kinder auch aus anderen Projekten – bedeutet, dass man andere etwas fragt. Die Interviews sollen mit dem Tablet gefilmt werden.
Die Erzieherin schaltet das Tablet ein und startet die Kamera. Sie zeigt den Aufnahmeknopf und stellt die erste Frage an ein Kind in der Runde: Was schaust du gerne im Fernsehen? Die Erzieherin geht mit dem Tablet zu den Kindern, die sich äußern wollen. Genannt werden z.B. Lady Bug, Dragons, Tom & Jerry, Sponge Bob, Miraculous … Aber nicht alle Kinder trauen sich im Stuhlkreis zu antworten. Und natürlich sollen die Kinder selbst fragen und filmen können. Dazu wird die Gruppe in drei Kleingruppen geteilt. Jede Gruppe setzt sich an einen Tisch, auf dem auch Malutensilien ausliegen. Manche beginnen erstmal zu malen; neben freiem Malen auf Papier und auf dem Tablet kamen auch Ausmalbilder zum Einsatz. In der Kleingruppensituation fällt das Sprechen in die Kamera leichter. Die Erzieherin animiert die Kinder, sich zu fragen, wen sie gemalt haben und was sie an den Figuren mögen. Die Kinder filmen sich auch gegenseitig beim Malen und fotografieren ihre auf Papier gemalten Medienlieblinge. Die gemalten Bilder hängen sie als Held*innen-Galerie an der Wand auf.
Start: Einführung in die App
Manchmal vergessen die Kinder, die Aufnahme zu beenden, sodass beim Weiterreichen des Tablets immer noch gefilmt wird. Dadurch sind einige Sequenzen sehr lang. Die Erzieherin erklärt, dass es ein Programm auf dem Tablet gibt, mit dem man die gefilmten Szenen kürzen, also das entfernen kann, was nicht zum Interview gehört. Jeweils in der Kleingruppe gibt die Erzieherin eine kurze Einführung in die App, die sich darauf beschränkt, das (Zu-)Schneiden zu demonstrieren.
Das Startfenster der App mit dem großen Plus ist eindeutig. Die Kinder tippen auf das Plus, die Erzieherin zeigt in dem Fenster, das sich daraufhin öffnet, auf den Filmstreifen. Sie erklärt, dass die Interviews zu einem Film zusammengestellt werden sollen. Nachdem die Kinder den Filmstreifen ausgewählt haben, öffnet sich ein Fenster, in dem die Datei-Sammlungen des iPads aufgelistet sind. Ein Kind markiert die gewünschten Videos und tippt dann auf „Film erstellen“. Die Videos öffnen sich im Arbeitsfenster. Die Erzieherin zeigt nun, dass man den Clip antippt, um ihn dann bearbeiten zu können. Sie zeigt die Symbole unten im Monitor und führt vor, wie auf die Schere getippt wird und dann auf das Wort „Teilen“ darüber, um das Video in zwei Teile zu zerlegen. Der Teil des Clips, der farbig umrandet ist, kann dann durch Tippen auf den Papierkorb rechts unten im Arbeitsfenster gelöscht werden. Wenn nur ein Stück aus der Mitte des Clips entfernt werden soll, lässt man das Video bis zum Ende des Stücks laufen, das rausgeschnitten werden soll und tippt dann nochmal auf die Schere und auf „Teilen“, markiert das Stück und wählt den Papierkorb.
Kreativ-Phase: eigene Versuche mit der App
Die Symbole sind eindeutig und auch ohne Lesekenntnisse haben die Kinder das Teilen der Videodatei schnell raus und entfernen so unerwünschte Längen. Sie holen mit Unterstützung der Erzieherin weitere Videosequenzen in die Arbeitsdatei, hängen sie hintereinander und fügen auch Fotos von den gemalten Bildern ein. Sie experimentieren auch mit Filtern und Übergängen und haben viel Spaß dabei. Einige Kinder, die vorher nicht gefilmt werden wollten, möchten nun doch noch eine Aufnahme machen, weil sie eine Erklärung zu ihrem gemalten Bild mit im Film haben möchten und filmen direkt aus der App heraus noch einige Interviews. Zum Schluss werden die Filme gespeichert.
Nicht alle Kinder interessieren sich für den Videoschnitt. Einige malen hochkonzentriert die ganze Zeit weiter an ihren Bildern. Es gibt keinen Streit darum, wer an die iPads geht und wer lieber malt. Auch wer auf Papier malt und wer am iPad, wird ohne Streit organisiert.
Die Erzieherin fragt aber immer mal wieder einzelne Kinder, ob sie auch mal filmen oder den Schnitt ausprobieren möchten, damit auch zurückhaltende Kinder die Chance bekommen, mit der App zu experimentieren.
Abschluss
In der Abschlussrunde schauen wir uns nochmal alle Bilder und dann die drei kurzen Videos von der heutigen Aktion an. Die Erzieherin fragt die Kinder, wieso jetzt gar nicht mehr alles zu sehen ist, was vorher – zum Teil unabsichtlich – gefilmt worden ist. Die Beschreibung der Arbeitsschritte macht den Kindern die Abläufe bewusst und regt sie dazu an, sich nochmal mit dem zu befassen, was sie in dieser Aktion gelernt haben. Die Kinder erklären, dass man mit der Schere im Programm das Video zerschneiden und dann ein Stück in den Papierkorb „geworfen“ werden kann. Sie erzählen auch nochmal engagiert von ihren Lieblingssendungen. Das Thema Medien und ihre Inhalte ist ein guter Sprachanlass und eröffnet den Kindern darüber hinaus Verarbeitungshilfen für ihre Medienerlebnisse.
AUSWERTUNG
Die App erschließt sich den Kindern in ihren Grundfunktionen schnell. Voraussetzung ist allerdings, dass die Betreuungspersonen sich vorher mit der App ausführlich befasst und die Grundfunktionen und Einstellungen verstanden haben. Dann wissen sie genau, worauf sie sich konzentrieren müssen und können die Kinder gut anleiten.
Für den Videoschnitt mit Kindergartenkindern sollte ausreichend Zeit eingeplant und Parallelangebote vorbereitet werden. Nicht alle Kinder haben Lust, sich mit dem Programm zu befassen, aber alle haben durch Parallelangebote die Möglichkeit, am selben Thema zu arbeiten, in diesem Fall Medienerlebnisse malen und filmen. Wenn nur die Grundfunktion des Schnitts erklärt wird, kommen die Kinder damit schnell zurecht und wenn die Sequenzen nicht zu lang gefilmt werden, lässt sich der Schnitt auch von Kindergartenkindern gut bewältigen, weil sie sich nur wenige Arbeitsschritte bzw. Symbole merken müssen.
Einige Kinder hatten dann Lust, tiefer in das Programm einzutauchen und haben auch die Filter und Übergänge benutzt. Für sie war es faszinierend zu beobachten, wie mit einem Fingertipp die Videosequenz völlig anders aussah oder durch Übergänge tolle Effekte entstanden.
Da die Sequenzen immer sofort angesehen werden können, konnten die Kinder gleich die Folgen ihrer Experimente begutachten. Das hat ihnen Spaß gemacht und sie motiviert, dran zu bleiben und weiter zu probieren. Die App eignet sich gut, um kreativ und kooperativ ein Gemeinschaftsprojekt zu gestalten, in dem Fotos und Videos von allen Kindern der Gruppe kombiniert werden können. Die Kinder sprechen sich ab, agieren gemeinsam und erfreuen sich zusammen an den Ergebnissen.
Es sind Absprachen zwischen den Kindern notwendig, ebenso wie das Aushandeln von Reihenfolgen und Einigen über Zuständigkeiten. Medienarbeit ist Teamarbeit, stärkt soziale Kompetenzen, Kommunikationsfähigkeiten sowie technisches Verständnis und regt zur Auseinandersetzung mit medialen Inszenierungen an.
Fotodokumentation
Bericht und Fotos: Susanne Roboom im Auftrag des DJI e. V.