Den digitalen Wandel der Jugendarbeit gestalten
Das Deutsche Jugendinstitut untersucht, welche Erfahrungen Fachkräfte der Kinder- und Jugendarbeit in Deutschland mit digitalen Angeboten machen und vor welchen Herausforderungen sie stehen.
Von Mike Seckinger und Kira Svetlova-Fessl
Jugendliche verknüpfen On- und Offline-Aktivitäten ganz selbstverständlich miteinander – und dies nicht erst seit der Coronapandemie. Einen nennenswerten Anteil ihrer freien Zeit verbringen junge Menschen digital. Dabei beschränken sie sich nicht auf rezeptiv-konsumtive Aktivitäten, sondern pflegen über digitale Medien ihre sozialen Beziehungen, experimentieren aktiv mit künstlerischen wie politischen Inhalten und gestalten eigene Videos sowie Texte. Die Jugendarbeit in Jugendzentren, -treffs und -häusern steht daher ganz grundsätzlich vor der Aufgabe, diesen Bereich jugendlichen Lebens zu reflektieren und zu berücksichtigen. Doch wie kann es gelingen, die Grundprinzipien der Offenen Kinder- und Jugendarbeit auch in digitalen Angeboten zu verwirklichen? Und vor welchen spezifischen Herausforderungen stehen die Fachkräfte?
Das aktuelle Forschungsprojekt des Deutschen Jugendinstituts (DJI) mit dem Titel „Auswirkungen von Digitalisierung in der Kinder- und Jugendarbeit“ sucht Antworten auf diese Fragen. Seit Sommer 2021 wurden drei Gruppendiskussionen mit Fachkräften geführt. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse soll noch im Jahr 2022 eine breit angelegte quantitative Befragung in Einrichtungen der offenen Jugendarbeit in Deutschland erfolgen.
Willkommene Erweiterung der Möglichkeiten der offenen Jugendarbeit
In den qualitativen Gruppendiskussionen (Fokusgruppen) sprachen Fachkräfte über ihre bisherigen Erfahrungen mit digitalen Angeboten, ihre Erwartungen und die damit verbundenen Herausforderungen. Aus Sicht der Studienteilnehmenden sind die Möglichkeiten digitaler Jugendarbeit grundsätzlich eine willkommene Erweiterung der Handlungsoptionen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit.
Im Einzelnen hoben die Fachkräfte folgende Aspekte hervor: Wesentlich für eine gute Offene Kinder- und Jugendarbeit sind der Aufbau und der Erhalt vertrauensvoller und belastbarer Beziehungen zu den Jugendlichen. Dies gelingt nach den bisherigen Erfahrungen der Fachkräfte während der Pandemie nicht oder nur eingeschränkt, wenn die Jugendarbeit allein auf digitale Angebote reduziert ist. Offene Jugendarbeit lebt laut den Studienteilnehmenden von der Unmittelbarkeit der Begegnung des sozialen Miteinanders und der analogen Kommunikation (Sprache, Körpersprache, Stimmungslagen), was auch die emotionale Ebene umfasst. Den digitalen Raum erleben die Fachkräfte im Vergleich hierzu als reduziert und weniger verbindend.
Fachkräfte halten eine Weiterentwicklung der digitalen Angebote für erforderlich
Die Gruppendiskussionen machten zudem deutlich, dass Fachkräfte nach angemessenen Formen digitaler Jugendarbeit suchen, die den Grundprinzipien der Offenen Kinder-und Jugendarbeit, wie zum Beispiel Lebensweltorientierung, Niedrigschwelligkeit, Partizipation und Offenheit gerecht werden. Dabei scheinen sie vor methodischen Transferproblemen zu stehen, denn Lebensweltorientierung bedeutet mehr als die Nutzung derselben Software und Partizipation mehr als das Abstimmen via Online-Tools. Zugleich werden Niedrigschwelligkeit und Offenheit nicht einfach dadurch gewährleistet, dass alle Beteiligten online erreichbar sind. Nichtsdestotrotz muss aber zuallererst die notwendige Ausstattung mit entsprechenden Endgeräten zur Verfügung stehen sowie ein stabiler Zugang zum Internet, ungestörte Räume und technische Barrierefreiheit gesichert sein.
In den Fokusgruppen wurde ein enges Zusammenspiel von analogen und digitalen Angeboten als anzustrebendes Ideal formuliert. Aus Sicht der Fachkräfte ist dafür jedoch eine Weiterentwicklung digitaler Angebote erforderlich.

Weitere Analysen gibt es in Ausgabe 2/2022 von DJI Impulse „Der lange Weg aus der Pandemie: Wie sich die Coronakrise auf Jugendliche auswirkt und welche Unterstützung sie benötigen“ (Download PDF).