Die Trennung der Eltern bewältigen
Wenn die Familie zerbricht, müssen Kinder mit Konflikten und belastenden Gefühlen zurechtkommen. Beratungsangebote richten sich deshalb nicht nur an Eltern, sondern auch direkt an betroffene Kinder und Jugendliche.
Von Janin Zimmermann und Stefanie Amberg
Die Trennung der Eltern stellt das Leben von Kindern auf den Kopf: Die Eltern streiten vielleicht schon seit längerer Zeit, sind belastet und stehen nicht mehr im gewohnten Umfang für die Kinder als Bezugsperson zur Verfügung. Die alltäglichen Abläufe verändern sich, und gegebenenfalls kommt es auch zu einem Verlust des gewohnten Umfelds. Diese Situation kann Kinder verunsichern und heftige, teils widersprüchliche Gefühle auslösen: Die meisten Kinder sind traurig über die Trennung ihrer Eltern und hoffen darauf, dass sie wieder zusammenkommen. Viele vermissen den Elternteil, der gerade nicht da ist. Mitunter empfinden Kinder starke Wut auf einen oder beide Elternteile und machen ihnen Vorwürfe. Es kommt aber auch vor, dass sie die Schuld bei sich suchen. Andere erleben die Trennung als Erleichterung, wenn die familiären Spannungen dadurch abnehmen.
Manche Kinder reagieren mit Wutausbrüchen, andere mit Rückzug oder Ängsten
Der Umgang mit der Trennung, den damit verbundenen Gefühlen und die Anpassung an die neue Lebenssituation kostet Kinder Kraft und bindet Ressourcen, die ihnen möglicherweise an anderer Stelle fehlen. Dies kann in der Folge zu Belastungsanzeichen bei den Kindern führen. Bei einigen äußern sich diese als sogenannte externalisierende Auffälligkeiten wie vermehrte Wutausbrüche oder oppositionelles Verhalten. Andere neigen eher zu internalisierenden Auffälligkeiten wie sozialem Rückzug, Ängsten oder Niedergeschlagenheit. Auch Rückschritte in der Entwicklung, beispielsweise erneutes Einnässen, kommen vor, ebenso Schwierigkeiten, sich in der Schule zu konzentrieren, oder auch psychosomatische Probleme wie Schlafstörungen oder Bauchschmerzen (Swartz-den Hollander 2017). Bei der Mehrheit der Kinder klingen solche Belastungsanzeichen mit der Zeit wieder ab. Bei manchen halten sie aber auch an oder nehmen sogar zu (Schmidt-Denter 2001).
Wie gut Kindern die Anpassung an die Trennung gelingt, hängt vom Zusammenwirken zahlreicher Faktoren ab. Ein wesentlicher Faktor, der sich ungünstig auf die Entwicklung der Kinder auswirkt, sind anhaltende, destruktiv ausgetragene Konflikte zwischen den Eltern (Harold/Sellers 2018). Besonders belastend ist für Kinder, wenn sie stark in die Konflikte einbezogen werden und das Gefühl vermittelt bekommen, sich zwischen ihren Eltern entscheiden zu müssen (Zimmermann u.a. 2023, Schrodt/Afifi 2018). Darüber hinaus spielt unter anderem eine bedeutsame Rolle, wie gut die Eltern in der Erziehung zusammenarbeiten, ob sie psychisch belastet sind, welche Qualität die Eltern-Kind-Beziehung hat und inwiefern Kinder ihre Wünsche hinsichtlich der Betreuungsregelung einbringen können (Rücker u.a. 2023, Lamela u.a. 2016, Weaver/Schofield 2015). All diese Faktoren stellen auch wichtige Ansatzpunkte für Interventionen dar.
Der Lebenseinschnitt verunsichert Eltern – Beratung kann helfen
Da vor allem der Umgang der Eltern mit der Trennungssituation einen Einfluss auf die Anpassung der Kinder hat, ist es sinnvoll, mit Interventionen bei den Elternanzusetzen. Tatsächlich sind auch die Eltern während einer Trennung oft erheblich verunsichert und suchen nach Unterstützung. Bei einer repräsentativen Befragung von 1.030 Trennungseltern in Deutschland zu ihren Beratungsbedarfen gaben im Jahr 2022 mehr als die Hälfte der Eltern an, im Internet nachInformationen gesucht zu haben, und 44 Prozent, Beratung oder Mediation in Anspruch genommen zu haben. Von den Eltern, die keine Angebote genutzt hatten, äußerten zudem mehr als ein Drittel, dass sie oder ihr Partner beziehungsweise ihre Partnerin sich Beratung im Trennungsprozess gewünscht hätten. Im Rahmen einer Tagebuchstudie zum Alltag in Trennungsfamilien äußerten getrennte Eltern am häufigsten Informationsbedarfe zu den rechtlichen Rahmenbedingungen, zum Finden einer Betreuungsregelung für die Kinder, zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem anderen Elternteil, zur Trennungsbewältigung ihrer Kinder sowie zur eigenen Anpassung an die neue Lebenssituation (Zimmermann u.a. 2024, im Erscheinen).
Mit dem Ziel, auf die festgestellten Bedarfe der Eltern einzugehen und wissenschaftlich fundierte Informationen leicht verfügbar bereitzustellen, wurde im Rahmen des Forschungsprojekts „Streit und Trennung meistern: Alltagshilfe, Rat und Konfliktlösung“, kurz STARK, eine Online-Plattform entwickelt (Uemminghaus/Zimmermann/Lux 2023). Neben rechtlichen und ökonomischen Informationen erhalten Eltern auf der Website Hilfestellungen bei der Wahl eines Betreuungsmodells, praktische Tipps, wie Konflikte mit dem anderen Elternteil reduziert und die Zusammenarbeit verbessert werden kann, sowie Ratschläge, wie sie selbst die Trennung bewältigen und mit Stress umgehen können. Außerdem finden Eltern umfassende Informationen, wie sie mit ihren Kindern altersgerecht über die Trennung und über deren Wünsche bei der Betreuungsregelung sprechen können, wie sie vermeiden können, dass die Kinder sich zwischen den Eltern zerrissen fühlen, und wie sie ihnen bei Belastung emotionale Sicherheit geben können. In einer ersten Befragung von Trennungseltern, die die Seite genutzt hatten, wurde das Angebot als positiv und hilfreich bewertet (Amberg u.a. 2024).
In Kursen lernen Eltern, die Kinder während der Trennung im Blick zu behalten
Unterstützung können Eltern in Trennung auch in strukturierten Gruppenangeboten finden. Sie bieten neben hilfreichen Informationen die Möglichkeit, neu Erlerntes, beispielsweise konstruktivere Kommunikationsstrategien, in einem unterstützenden Umfeld einzuüben. Diese Angebote sollen Eltern dabei helfen, den Umgang mit der Trennung besser zu bewältigen, Konflikte zu reduzieren und das Wohl ihrer Kinder zu berücksichtigen, indem ihnen praktische Fähigkeiten für den Alltag vermittelt werden.
Wirksamkeitsnachweise liegen insbesondere für den Kurs „Kinder im Blick“ vor (Krey 2010), der nicht nur das Wohlbefinden und die Konfliktdynamik der Eltern positiv beeinflusst: Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe zeigten Kinder, deren Eltern den Kurs besuchten, Verbesserungen in ihrer Entwicklung und bei der Trennungsbewältigung. Als weitere strukturierte Angebote für getrennte Eltern werden in Deutschland je nach Region zum Beispiel die Kurse „Kinder aus der Klemme“ (Ganser u.a. 2023), „Kess (allein/ getrennt) erziehen“ (Hensel/Thomas/Böhmert 2010) und „Wir2“ (Weihrauch/Schäfer/Franz 2014) angeboten.
Schließlich stellen vor allem die Angebote der Trennungs- und Scheidungsberatung von Erziehungs-, Paar und Lebensberatungsstellen und Jugendämtern eine zentrale Säule der Unterstützung von Trennungsfamilien dar. Im Vergleich zu Gruppenangeboten bieten sie die Möglichkeit, im Rahmen von Einzelgesprächen oder Gesprächen mit beiden Eltern noch stärker auf die individuellen Problemlagen einzugehen und konkrete Lösungen zu erarbeiten.
Kinder und Jugendliche brauchen die Gelegenheit, ihre Bedürfnisse zu äußern
Neben dem indirekten Weg über die Eltern ist es wichtig, dass sich Unterstützung auch direkt an die betroffenen Kinder und Jugendlichen richtet. Ziel solcher Angebote sollte sein, den Kindern in ihrer schwierigen Situation Sicherheit und Orientierung zu vermitteln, ihnen Strategien an die Hand zu geben, um mit belastenden Gefühlen umgehen zu können, und sie darin zu stärken, ihre eigenen Bedürfnisse gegenüber ihren Eltern zu formulieren. Letzteres ist gerade deshalb wichtig, weil Kinder oft ihre eigenen Wünsche zurückstellen aus Angst, ihre Eltern zusätzlich zu belasten, einen Elternteil zu verletzen oder die Konflikte der Eltern zu verstärken.
Die Online-Plattform STARK richtet sich deswegen auch direkt an Kinder und Jugendliche. Sie finden auf der Seite Informationen zu möglichen Gründen und Folgen einer Trennung, aber auch zu ihren Rechten. Zudem werden praktische Tipps und Übungen bereitgestellt, die Kindern beim Umgang mit ihren Gefühlen, mit Konflikten der Eltern sowie beim Formulieren ihrer Bedürfnisse und Wünsche helfen. Kinder und Jugendliche, die die Website genutzt hatten, bewerten diese überwiegend als positiv und hilfreich (Amberg u.a. 2024). Zudem wurde ein strukturiertes Online-Training entwickelt, dessen Wirksamkeit aktuell überprüft wird. Gerade, wenn die Eltern heftige Konflikte austragen (siehe auch S. 40 in dieser Ausgabe), kann es für Kinder außerdem hilfreich sein, sich einer neutralen Ansprechperson, beispielsweise einer Schulsozialarbeitenden oder einer Beratungsfachkraft, anzuvertrauen. Zudem bieten viele Beratungsstellen Gruppen für Kinder an, in denen sie sich mit anderen betroffenen Kindern austauschen können. Diese vermitteln nicht nur die Gewissheit, mit der Situation nicht allein zu sein, sondern stärken auch das Selbstwirksamkeitserleben. Bei starken oder anhaltenden Belastungsanzeichen der Kinder ist es zudem ratsam, psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Die Trennung der Eltern ist für Kinder und Jugendliche mit erheblichen Belastungen und Herausforderungen verbunden. Sie können aus dieser Krise allerdings auch gestärkt hervorgehen, wenn Kinder merken, dass ihre Eltern trotz eigener Belastungen für sie da sind, auf ihre Bedürfnisse eingehen und sie in wichtige Entscheidungen einbeziehen. Eine gelungene Anpassung an die neue Lebenssituation kann zudem ihr Selbstvertrauen stärken, auch künftige Krisen erfolgreich meistern zu können.
Amberg, Stefanie u.a. (2024): STARKplus – Mastering Conflict and Separation, Everyday Assistance, Advice, and Conflict Resolution [Poster]. Post-Separation Families Today: International Evidence Conference (ECOSPA) am 23.05.2024 in München
Ganser, Maxi A. u.a. (2023): Indizierte Prävention hochstrittiger Trennungseltern: eine qualitative Implementationsstudie zu „Kinder aus der Klemme“. In: Prävention und Gesundheitsförderung, 18. Jg., H. 1, S. 68–77
Harold, Gordon T. / Sellers, Ruth (2018): Annual Research Review. Interparental conflict and youth psychopathology: An evidence review and practice focused update. In: Journal of child psychology and psychiatry, and allied disciplines, 59. Jg., H. 4, S. 374–402
Hensel, Sandra / Thomas, Claudia / Böhmert, Beate (2010): Evaluationsbericht zum Elternkurs Kess-erziehen. Institut für Forschung und Ausbildung in Kommunikationstherapie e.V. München
Krey, Mari (2010): Der Elternkurs „Kinder im Blick“ als Bewältigungshilfe für Familien in Trennung. Eine Evaluationsstudie. Berlin
Lamela, Diogo u.a. (2016): Typologies of Post-divorce Coparenting and Parental Well-Being, Parenting Quality and Children’s Psychological Adjustment. In: Child psychiatry and human development, 47. Jg., H. 5, S. 716–728
Prognos AG (2023): Studie zu Beratungsstrukturen und Beratungsbedarfen im Kontext von Trennung. Prognos AG. Düsseldorf
Rücker, Stefan u.a. (Hrsg.) (2023): Befunde der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ – Wohlergehen von Kindern in Trennungsfamilien. Schlüchtern
Schmidt-Denter, Ulrich (2001): Differentielle Entwicklungsverläufe von Scheidungskindern. In: Walper, Sabine/Pekrun, Reinhard (Hrsg.): Familie und Entwicklung. Aktuelle Perspektiven der Familienpsychologie. Göttingen, S. 292–313
Schrodt, Paul / Afifi, Tamara D. (2018): Untying the Ties That Bind: Dispositional and Relational Patterns of Negative Relational Disclosures and Family Members’ Feelings of Being Caught. In: Journal of Family Issues, 39. Jg., H. 7, S. 1962–1983
Swartz-Den Hollander, Emma (2017): Parental divorce and children’s adjustment: An updated meta-analysis. Master-Thesis, Utrecht University. Utrecht
Uemminghaus, Monika / Zimmermann, Janin / Lux, Ulrike (2023): STARK-Onlinehilfe: Unterstützungsbedarfe von Kindern getrennter Eltern. In: Public Health Forum, Vol. 31, No. 2, 2023, S. 104–106
Weaver, Jennifer M. / Schofield, Thomas J. (2015): Mediation and moderation of divorce effects on children’s behavior problems. In: Journal of Family Psychology, 29. Jg., H. 1, S. 39–48
Weihrauch, Lonja / Schäfer, Ralf / Franz, Matthias (2014): Long-term efficacy of an attachment-based parental training program for single mothers and their children: a randomized controlled trial. In: Journal of Public Health, 22. Jg., H. 2, S. 139–153
Zimmermann, Janin u.a. (2024, im Erscheinen): Informations- und Unterstützungsbedarfe von Trennungseltern. In: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie
Zimmermann, Janin u.a. (2023): Belastungen von Kindern in Trennungsfamilien mit familiengerichtlichen Konflikten. In: Praxis der Rechtspsychologie, 33. Jg., H. 01, S. 79–96

Weitere Analysen gibt es in Ausgabe 3+4/2024 von DJI Impulse „Elternkonflikte meistern: Wie Kinder gstärkt aus Familienkrisen hervorgehen“ (Download PDF).