Benachteiligung versus Diskriminierung

Warum nicht jede Benachteiligung diskriminierend ist, aber jede Diskriminierung benachteiligt – eine Begriffsklärung

Von Laura Castiglioni und Lisa Hasenbein

Gleichstellung, Gleichberechtigung und Chancengleichheit sind wesentliche Grundsätze unserer Gesellschaft. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und Nichtdiskriminierung ist im Grundgesetz verankert. Dennoch ist soziale  Ungleichheit allgegenwärtig – etwa im Zugang zu Bildung, im Berufsleben oder im täglichen Miteinander. Es haben nicht alle dieselben Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe. Doch nicht jede Ungleichheit und Benachteiligung ist eine Diskriminierung. Worin besteht der Unterschied?

Unsere Gesellschaft ist von sozialer Ungleichheit geprägt. Sowohl materiell-ökonomische Ressourcen wie Einkommen, Vermögen oder attraktive Berufe als auch sozial-kulturelle Ressourcen wie Bildung, Gesundheit und soziale Netzwerke sind nicht gleichmäßig verteilt (Groh-Samberg u.a. 2023). In individualistisch geprägten Gesellschaften kann eine solche Ungleichheit gerechtfertigt werden, wenn diese das Ergebnis von meritokratischen Prozessen – also von unterschiedlich großer Anstrengung oder Talent – ist (Scherr 2016). Problematisch ist es, wenn eine Besser- oder Schlechterstellung rein aufgrund der Zugehörigkeit zu (einer) bestimmten Gruppe(n) oder wegen bestimmter persönlicher Merkmale erfolgt: In diesem Fall spricht man von Benachteiligung oder Diskriminierung.

Benachteiligte Menschen stehen vor systematischen und strukturellen Hürden

Der Begriff der Benachteiligung bezieht sich auf systematische oder strukturelle Barrieren, die Menschen in bestimmten Lebenslagen daran hindern, die gleichen Chancen und Ressourcen zu erhalten. Benachteiligung kann auf verschiedenen Ebenen auftreten – etwa wirtschaftlich, sozial, kulturell oder politisch – und beeinflusst damit umfassend die Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe.

Bei Kindern und Jugendlichen kann Benachteiligung lebenslang negative Wirkungen entfalten. So schneiden beispielsweise Kinder aus Vierteln mit einem relativ hohen Anteil an Menschen, die staatliche Leistungen beziehen, schlechter bei Kompetenzmessungen bei Schul­eingangs­unter­suchungen ab, haben eine geringere Wahrscheinlichkeit des Übertritts aufs Gymnasium, nehmen seltener an Vorsorgeuntersuchungen teil und nutzen weniger Sport- und Kultureinrichtungen (Helbig/Salomo 2021). Diese Benachteiligungen im frühen Alter führen unter anderem zu durchschnittlich schlechteren Bildungsabschlüssen sowie zu einem höheren Risiko für gesundheitliche Probleme und den Bezug von sozialen Leistungen im (jungen) Erwachsenenalter.

Dieses Beispiel zeigt, dass sich eine Benachteiligung auf mehrere Lebensbereiche auswirken kann. Gleichzeitig kann eine Person auch aus mehreren unterschiedlichen Gründen benachteiligt werden, was die Schlechterstellung in der Regel verstärkt. Dies passiert beispielsweise bei Armut im Kontext von Einwanderung: Zugewanderte verfügen tendenziell über schlechtere Kenntnisse der Unterstützungs­systeme und damit über geringere Chancen, Armut und deren Folgen entgegenzuwirken (Baisch u.a. 2023).

Die Stabilisierung von Familienbeziehungen ist wichtig, um psychischen Problemen von Kindern in Armutslagen vorzubeugen.

Gegen Diskriminierung lässt sich rechtlich vorgehen – sie ist gezielt und ungerechtfertigt

Während Benachteiligung allgemein strukturelle oder gesellschaftliche Ungleichheiten beschreibt, ist Diskriminierung eine gezielte und ungerechtfertigte Ungleichbehandlung aufgrund von mindestens einem von sechs gesetzlich geschützten Merkmalen. Es ist also nicht jede Benachteiligung mit einer Diskriminierung gleichzusetzen, aber jede Diskriminierung ist eine bestimmte Form der Benachteiligung.

In Deutschland sind laut Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unmittelbare sowie mittelbare Benachteiligungen aus rassistischen Gründen oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität unzulässig, wenn kein Rechtfertigungsgrund vorhanden ist (Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2022).

Das AGG bietet Betroffenen die Möglichkeit, rechtlich gegen Diskriminierung vorzugehen – etwa durch eine Beschwerde oder eine Klage. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet Beratung und Unterstützung. Andere Formen der Benachteiligung sind zwar nicht rechtswidrig, aber dennoch politisch unerwünscht, denn sie widersprechen gleichermaßen dem Grundsatz der Chancengleichheit. Die Bekämpfung von Benachteiligung erfordert politische und gesellschaftliche Lösungen. Forschungen zu sozialen Ungleichheiten helfen dabei, effektive Maßnahmen zu entwickeln, damit möglichst alle Menschen faire Startbedingungen und Chancen im Leben haben. 

Baisch, Benjamin u.a. (2023): Barrieren der Inanspruchnahme monetärer Leistungen für Familien. München

Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2022): AGG-Wegweiser. Erläuterungen und Beispiele zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Berlin

Groh-Samberg, Olaf / Kleinert, Corinna / Konietzka, Dirk (2023): Was ist soziale Ungleichheit? Konzeptionelle Perspektiven. In: Informationen zur politischen Bildung/izpb, H. 354, S. 4–10

Helbig, Marcel / Salomo, Katja (2021): Eine Stadt – getrennte Welten? Sozialräumliche Ungleichheiten für Kinder in sieben deutschen Großstädten. In: Heinrich-Böll-Stiftung, Deutsches Kinderhilfswerk und
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (Hrsg.): Band 25 der Schriftenreihe Wirtschaft und Soziales. Berlin

Scherr, Albert (2016): Diskriminierung/Antidiskriminierung – Begriffe und Grundlagen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. H. 9, S. 3–10

Weitere Analysen gibt es in Ausgabe 2/2025 von DJI Impulse „Aufwachsen in Vielfalt – Wie gelingt in einer Realität voller Unterschiede mehr Chancengleichheit?“ (Download PDF).

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