„Aufklärung in der Schule ist wichtig“


Rassismus, Altersdiskriminierung, LGBTQI*-Feindlichkeit: Ferda Ataman leitet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche berät. Im DJI-Impulse-Interview spricht sie darüber, welche jungen Menschen besonders häufig Hilfe suchen, warum der Bedarf an Information groß ist und was sich ändern muss, um besser vor Diskriminierung zu schützen. 

DJI Impulse: Frau Ataman, die Antidiskriminierungsstelle des Bundes meldete zuletzt vermehrt Beratungsanfragen – betreffen diese auch Kinder und Jugendliche? 

Ferda Ataman: Ja, auch Kinder und Jugendliche erleben Diskriminierung. Am häufigsten beobachten wir, dass sie von Rassismus, Antisemitismus, LGBTQI*-Feindlichkeit, aber auch von Altersdiskriminierung berichten. Denn Altersdiskriminierung kann junge Menschen genauso treffen – zum Beispiel, wenn sie pauschal aus Restaurants oder Hotels ferngehalten werden. Und in der Debatte um die Absenkung des Wahlalters wird deutlich, dass man Jugendlichen nicht viel zutraut. Generell habe ich das Gefühl, dass die Sorgen von Jüngeren oft nicht ernst genug genommen werden. 

Ferda Ataman ist Unabhängige Bundes­beauftragte für Anti­diskriminierung und leitet seit 2022 die Anti­diskriminierungs­stelle des Bundes. Sie ist Politologin und gelernte Journalistin. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind die Themen Migration, Teil­habe und Diskriminierung. Vor ihrem Amts­antritt arbeitete sie unter anderem im Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen, in der Anti­diskriminierungs­stelle des Bundes und als Journalistin, Publizistin und Beraterin. Ehrenamtlich war sie Vorsitzende von Vereinen, die sich für mehr Vielfalt und inklusive Teil­habe in der Einwanderungs­gesellschaft engagieren. poststelle@ads.bund.de

Gibt es bestimmte junge Menschen, die besonders oft Diskriminierung erleben?

Der Großteil der Anfragen, die uns erreichen, kommt zu rassistischen Diskriminierungen. Das beobachten wir altersübergreifend. Auch Diskriminierungen wegen des Geschlechts – beispielsweise sexuelle Belästigungen, aber auch ungleiche Bezahlungen oder Diskriminierungen wegen der geschlechtlichen Identität – erleben wir vergleichsweise häufig.

Wie äußert sich Diskriminierung im schulischen Kontext? Haben Sie hierzu konkrete Fallbeispiele?

Diskriminierung kann durch Lehrkräfte geschehen, aber auch unter den Schüler:innen. Die Anfragen, die uns erreichen, sind vielfältig. Beispielsweise wurde ein Kind mit osteuropäischem Hintergrund bei gleichem Leistungsniveau durchgehend schlechter benotet als seine Mitschüler:innen. Die Eltern haben als Ausweg nur noch einen Schulwechsel gesehen. Wir haben Fälle von Hijab-tragenden Mädchen, die als Terroristinnen beschimpft werden, oder von jüdischen Kindern, die von ihren Mitschüler:innen gemobbt werden. Allerdings gibt es bei all diesen Anfragen ein Problem: Das Allgemeine Gleichbehandlungs­gesetz gilt nicht an öffentlichen Schulen. Hierfür sind die Länder zuständig. Wir können Betroffenen also oft nicht weiterhelfen – und in den Ländern gibt es bislang außer in Berlin noch kaum Anlauf­stellen für Schüler:innen, Eltern oder Lehrer:innen, die Diskriminierung erleben. Ich würde mir wünschen, dass die Länder hier mehr tun und Diskriminierung an Schulen konkret in eigenen Landes­antidiskriminierungs­gesetzen ansprechen und Ansprech­personen benennen. 

Auch im digitalen Raum werden junge Menschen diskriminiert. Wie kann man ihnen dort mehr Schutz bieten? 

Jugendliche trennen oft nicht mehr zwischen digitaler und „realer“ Welt. Für sie ist der digitale Raum die „reale“ Welt. Entsprechend findet im digitalen Raum ebenfalls Diskriminierung statt, etwa auf sozialen Medien. Dort ist sie aber teilweise viel enthemmter. Das berichten uns immer wieder Beratungsstellen vor Ort. Eltern und Lehrkräfte sind damit oft überfordert, auch weil sie die Art der Kommunikation mit bestimmten Emojis und Ausdrücken nicht verstehen. Das Problem mit Diskriminierung online und auf Social Media ist, dass Kinder und Jugendliche sich dem nicht entziehen können. Mobbing gab es leider schon immer. Aber wurde ein Kind vor einigen Jahren noch in der Schule gemobbt oder diskriminiert, hatte es zumindest nach der Schule etwas Ruhe. Nun sind Kinder und Jugendliche 24 Stunden am Tag damit konfrontiert. Generell müsste Social Media besser reguliert werden, gerade im Hinblick auf Kinder und Jugendliche. Medienkompetenz und der Umgang mit Social Media sollten Teil des Lehrplans sein.

Lebensalter muss als Merkmal im Grundgesetz aufgenommen werden. Das wäre ein ganz starkes Signal.

Welche Strategien erscheinen Ihnen besonders wirkungsvoll, um diskriminierungsfreie Räume für junge Menschen zu schaffen? 

Zunächst ist es wichtig, dass wir mehr über Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen wissen. Deswegen fördern wir eine Studie der Hochschule Leuphana zu „Adultismus und Diskriminierung entlang des jungen Alters“. Außerdem ist Aufklärung in der Schule wichtig, damit Kinder und Jugendliche ihre Rechte kennen. Der Bedarf an Informationen ist groß, gerade was Kinder- und Jugendrechte angeht. Auch da berichten mir Beratungsstellen, die gezielt mit Schulen arbeiten, dass dieses Thema selten im Unterricht vorkommt. Schulen und Bildungseinrichtungen sollten mit Beratungsstellen zusammenarbeiten. Und nicht zuletzt sollten alle Länder Antidiskriminierungsgesetze auf den Weg bringen, die den Bildungsbereich einschließen. Damit wäre ein guter erster Schritt gemacht. 

Wenn Sie einen Appell an Politik und Gesellschaft richten könnten: Was muss sich langfristig verändern, um Kinder und Jugendliche wirksam vor Diskriminierung zu schützen und ihnen gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen? 

Lebensalter muss als Merkmal im Grundgesetz aufgenommen werden. Das wäre ein ganz starkes Signal, damit wären alle vor Altersdiskriminierung geschützt, ob alt oder jung. Wichtig sind aber auch mehr Beratungsstellen, an die Menschen sich in ihrem Bundesland wenden können. Da gibt es nach wie vor zu viele weiße Flecken auf der Landkarte. Und vor allem: Wir müssen Jugendliche und Kinder und ihre Sorgen ernst nehmen. 


Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Birgit Lindner

Weitere Analysen gibt es in Ausgabe 2/2025 von DJI Impulse „Aufwachsen in Vielfalt – Wie gelingt in einer Realität voller Unterschiede mehr Chancengleichheit?“ (Download PDF).

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