
Fabia Klein, Klimaaktivistin und Pressesprecherin von Fridays for Future in Deutschland
Politik war in meiner Familie nie ein wirklich großes Thema – natürlich wurden aktuelle Themen angeschnitten, aber nie ausführlich diskutiert. Mein politisches Interesse wurde durch die Lehrkräfte an meiner Schule geweckt, die viel Zeit und Engagement in die politische Bildung ihrer Schülerinnen und Schüler investierten, indem sie offene Diskussionen als Unterrichtsformate gewählt und uns unsere eigene Meinung haben bilden lassen. Formate wie „Jugend debattiert“, ein Bundesprogramm zur Demokratiebildung an weiterführenden Schulen, boten mir einen Einblick in den politischen Diskurs. Aktuelle politische Themen wurden von allen Seiten beleuchtet, indem kontroverse Debatten geführt und intensiv vorbereitet wurden. Gerade das macht für mich eine zeitgemäße politische Bildung aus: die Möglichkeit, politisches Interesse zu entwickeln, und das, obwohl man selbst nicht die perfekten familiären Voraussetzungen dafür mitbringt. Ich selbst hatte das Glück, dass sich immer Lehrkräfte und andere Menschen in meinem Umfeld befanden, die mich unterstützten. Schlussendlich darf politische Bildung aber weder von familiären oder sozialen Voraussetzungen abhängen noch davon, ob die besuchte Schule Wert auf sie legt. Zeitgemäße politische Bildung bedeutet für mich, jungen Menschen in den sie betreffenden Lebensbereichen ein Mitspracherecht zu geben und auf diese Weise nicht nur das Gefühl zu vermitteln, gehört zu werden. Es reicht lange nicht mehr, lediglich in einer Handvoll Sozialkunde-Schulstunden unser politisches System zu besprechen und damit „politische Bildung“ zu etablieren. Jugendorganisationen von Parteien können einen Beitrag zur politischen Bildung leisten, aber sie erreichen meist nur bereits politisierte Jugendliche und nicht die breite Masse. Deshalb können sie niemals Jugendbewegungen oder schulische Politisierung ersetzen. Es ist doch vor allem wichtig, dass auch junge Menschen, die gerade nicht politikinteressiert oder in einer Partei sind, dafür begeistert werden, sich mit ihrer politischen Meinung differenziert auseinanderzusetzen. Wir sind die Köpfe von morgen und müssen heute eine Stimme sowie ein Mitspracherecht bekommen. Das Gefühl, selbst etwas bewegen zu können, ist unfassbar. Dieses Gefühl kann Massen bewegen!

Christian Weis, Leiter des Referats für Grundlagenarbeit und jugendpolitische Themen beim Deutschen Bundesjugendring (DBJR)
Kinder und Jugendliche hinterfragen regelmäßig die Regeln unserer Gesellschaft und deren Zustandekommen. Sie hinterfragen, ob es richtig ist, wenn diese zulasten einzelner Gruppen oder ganzer Generationen gehen, sie fordern gleichberechtigte Teilhabe ein, wollen gestalten, etwas voranbringen, sie protestieren und demonstrieren. Das ist Politik. Und sie tun dies am liebsten in der Gruppe, mit Spaß und Begeisterung. Wir alle sind gefordert, dies aufzugreifen, das Interesse und Engagement junger Menschen zu unterstützen und zu fördern. Wir dürfen ihren Einsatz nicht negieren, verniedlichen oder auf Bereiche reduzieren, die Erwachsene auswählen. Sogenannte politikferne Kinder und Jugendliche sind oft solche, die keine Förderung erfahren haben und im Gegenteil oft Momente erleben, in denen sie nicht ernst genommen werden. Kurz: Junge Menschen brauchen die Freiräume, die es ihnen ermöglichen, ihrer Begeisterung für Politik zu folgen und dabei Erfolgserlebnisse zu erfahren.
Hier setzt zeitgemäße politische Bildung an. Sie greift die jeweiligen Interessen auf. Sie ermöglicht jungen Menschen, aktiv für ihre Interessen einzustehen. Sie unterstützt beim Erlernen und Üben demokratischer Aushandlungsprozesse und hilft, entsprechendes Handeln zu reflektieren. Mein Interesse an Politik wurde geweckt, obwohl dies – im Sinne von Hinterfragen und Mitgestaltenwollen – vom Staat, der damaligen DDR, nicht toleriert wurde. Wenige hatten das Glück, Freiräume zu finden. In meinem Fall war dies die Evangelische Jugend. Dort wurden Diskussionen angeregt und Diskursräume geöffnet, dort fand Erfahrungsaustausch statt. Politisches Engagement, etwa in der Friedensbewegung oder im Umweltschutz, wurde bekräftigt. Nicht ohne Grund nutzten viele der dort Engagierten nach der politischen Wende die Möglichkeiten und Freiräume einer demokratischen Gesellschaft und setzen ihr Engagement fort.

Weitere Analysen gibt es in Ausgabe 1/2021 von DJI Impulse „Politische Bildung von Anfang an: Wie Kinder und Jugendliche Demokratie lernen und erfahren können“ (Download PDF).