Aufwachsen in Deutschland 2019. Alltagswelten von Kindern, Jugendlichen und Familien
Deutsches Jugendinstitut veröffentlicht Bericht auf Grundlage der Daten des Survey AID:A 2019
AID:A 2019 ist die dritte Erhebung des Deutschen Jugendinstituts (DJI) in der Reihe der Längsschnittstudie „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“, kurz AID:A.
Einen Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse auf Grundlage der Datenerhebung AID:A 2019 bietet die Publikation „Aufwachsen in Deutschland 2019. Alltagswelten von Kindern, Jugendlichen und Familien“. Der Band soll aufzeigen, welche Schwerpunkte derzeit in AID:A gesetzt werden und welche Potenziale die Themen des Datensatzes für die Forschung bergen. Zugleich werden erste wissenschaftlich wie gesellschaftlich und politisch interessante Ergebnisse beleuchtet. In ausgewählten Beiträgen stellen die Autorinnen und Autoren in den vier Arbeitsschwerpunkten von AID:A ihr jeweiliges Themenfeld und ihre thematische Perspektive vor.

Die Arbeitsschwerpunkte der Publikation „Aufwachsen in Deutschland 2019. Alltagswelten von Kindern, Jugendlichen und Familien“
Der zuerst in diesem Band dargestellte Arbeitsschwerpunkt untersucht unter dem Titel „Sozialberichterstattung“ traditionelle und neuere Differenzdimensionen der Sozialberichterstattung. Der Beitrag von Gerald Prein und Valerie Schickle demonstriert zur von den Befragten subjektiv wahrgenommenen sozialen Unterstützung durch Freunde und Bekannte den Wert der subjektiven Sichtweise AID:As in Ergänzung zu objektiven Fakten. Eine Berichtsebene tiefer, auf der Ebene der Haushaltseinheiten, geht der Beitrag von Gerald Prein und Holger Quellenberg der Frage nach, inwiefern in Familien, die in größerer finanzieller Not leben, auch Kinder unmittelbar davon betroffen sind und betont damit den Mehrwert der Individualbefragung in einem Haushaltsdesign. Schließlich demonstriert der Beitrag von Susanne Kuger und Gerald Prein auf Ebene der Zielpersonen, welche Effekte die Durchlässigkeit des Bildungssystems in Deutschland auf Jugendliche und junge Erwachsenen unterschiedlicher kultureller Herkunft hat.
Im zweiten inhaltlichen Teil illustriert der Arbeitsschwerpunkt Kinder, wie heterogen die von ihm untersuchten Kontexte, Lebensphasen sowie auch die eingenommenen Perspektiven sind. Da der familiäre Kontext der erste und wichtigste im Aufwachsen eines Kindes ist, widmet sich der Beitrag von Anja Linberg und Hanna Maly-Motta der Familie als Bildungsort und Anregungskontext. Er illustriert, wie früh sich Unterschiede entlang demografischer Merkmale zeigen und welchen Verlauf sie über die Jahre des Kindesalters nehmen. Danach folgt ein Beitrag von Christian Alt u.a. über die genutzten Konstellationen außerfamilialer Bildung, Betreuung und Erziehung. Der Besuch eines Kindergartens ab dem Alter von drei Jahren gehört mittlerweile zur Normalität, die dadurch abgedeckten Zeiten scheinen jedoch nicht für alle Eltern ausreichend zu sein, so dass Eltern zusätzliche Unterstützung von Tagespflegepersonen, Großeltern oder anderen privaten Helfern in Anspruch nehmen. Andere Studien belegen den immer früher und intensiver stattfindenden Kontakt von Kindern mit Medien. Der Umgang mit ihnen ist ebenso Teil des Aufwachsens in Deutschland. Der Beitrag von Thorsten Naab untersucht über die reinen Nutzungszeiten hinaus das elterliche Medienerziehungsverhalten im frühen Kindesalter. Ab dem Alter von neun Jahren werden Kinder in AID:A zu ihrer Lebenssituation selbst befragt. Diese Informationen nutzen Angelika Guglhör-Rudan und Alexandra Langmeyer-Tornier, um das Wohlergehen von Kindern im Grundschulalter genauer zu betrachten. Im Mittelpunkt steht das von Kindern selbst berichtete Autonomieerleben.
Der dritte inhaltliche Teil ist Beiträgen zur Untersuchung von ausgewählten Entwicklungsschritten, Stationen und Aufwachsenskontexten des Jugendalters und des jungen Erwachsenenalters gewidmet. Ein Beitrag von Kien Tran und Nora Gaupp über Freundschaften als zentrale Bezugsinstanz während des Jugendalters legt das Augenmerk auf Freizeitaktivitäten von Jugendlichen mit ihren Freunden und die Rolle von Offline- und Online- Begegnungen dabei. Anschließend berichtet Anne Berngruber vom Wandel der Selbstwahrnehmung Jugendlicher und junger Erwachsener. Sie untersucht, inwiefern die Selbstwahrnehmung als Kind, als Jugendliche(r) oder als Erwachsene(r) zusammenhängt mit zentralen Stationen des Aufwachsens und Erwachsenwerdens, wie etwa dem Auszug aus dem Elternhaus oder dem Eingehen einer ersten festen romantischen Beziehung. Im Beitrag von Christine Steiner und Julia Zimmermann wird der Übergang von Ausbildung oder Studium in das Erwerbsleben als eine weitere wichtige Station genauer unter die Lupe genommen und dargestellt, wie hoch der Anteil dauerbefristeter Arbeitsverhältnisse zum Berufsstart für verschiedene Personengruppen ist sowie welche Personengruppen besonders betroffen sind. Schließlich untersuchen Martina Gille und Björn Milbradt in ihrem Beitrag zu (vor-) politischen Einstellungen im Jugend- und jungen Erwachsenenalter Zusammenhangsmuster zwischen autoritären Haltungen, konventionalistischen Einstellungen und einigen soziodemografischen Personenmerkmalen und regen damit Fragen hinsichtlich des politischen Engagements der Bevölkerung in Deutschland an.
Im Themenschwerpunkt Familie werden schließlich die verschiedenen Perspektiven des Arbeitsbereichs auf Einzelpersonen, auf das Zusammenleben innerhalb der Familie sowie auf die Interaktion von Familie (bzw. ihren Mitgliedern) mit Außenstehenden betrachtet. Im ersten Beitrag von Claudia Recksiedler, Valerie Heintz-Martin und Magdalena Gerum wird das mütterliche Wohlbefinden im Hinblick auf Unterschiede zwischen verschiedenen Familienformen sowie in Abhängigkeit von den ökonomischen Verhältnissen der Familie hin analysiert. Ein zentraler Aspekt des Wohlbefindens ist für Eltern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Der Beitrag von Janine Bernhard und Claudia Zerle-Elsäßer fokussiert daher auf die Rolle neuerer Entwicklungen zur Erleichterung der Vereinbarkeit, genauer des Home-Office und digitaler Kommunikationsmöglichkeiten. Sowohl der Erwerbsumfang von abhängig beschäftigten Eltern als auch geschlechtsspezifische Unterschiede werden differenziert betrachtet. Schließlich widmet sich der letzte Beitrag in diesem Abschnitt von Christine Entleitner-Phleps und Alexandra Langmeyer dem Coparenting, also der elterlichen Zusammenarbeit in der Erziehung. Vor dem Hintergrund möglicher Stressoren des Familienlebens wird beschrieben, wie das Coparenting in verschiedenen Familientypen in Deutschland ausgeprägt ist und inwiefern Zusammenhänge mit mehr oder weniger traditionellen Geschlechtsrollenstereotypen bestehen.
Informationen zum Forschungsprojekt AID:A 2019
Alleinstellungsmerkmal
Wie kein anderer vergleichbar breit angelegter Survey in Deutschland stellt AID:A die Lebenssituation von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Mittelpunkt. Mit einer bundesweiten, repräsentativ angelegten Befragung liefert AID:A tragfähige Informationen für die Sozialberichterstattung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Hierbei kommen ab einem Alter von neun Jahren die Kinder auch selbst zu Wort. AID:A beschränkt sich nicht auf Auskünfte der Eltern.
Schrittweise hat AID:A den Blick über einzelne Individuen hinaus auf ihr soziales Nahumfeld erweitert. So werden seit 2014 bei minderjährigen Kindern nach Möglichkeit beide Eltern (und nicht nur eine Auskunftsperson) befragt. Bei jungen Erwachsenen, die in einem Paarhaushalt leben, wird der Partner beziehungsweise die Partnerin einbezogen. In der aktuellen Befragung AID:A 2019 werden nun auch Geschwister und andere Haushaltsmitglieder im Befragungsalter (0 – 32 Jahre) einbezogen.
Damit berücksichtigt AID:A 2019 in zunehmendem Maße, dass die Befragten als Mitglieder enger sozialer Netzwerke zu sehen sind. Dass diese Netzwerke über den Haushalt hinaus reichen, wird sowohl bei Fragen zu Großeltern und Trennungsfamilien als auch in Fragen zur Partnerschaft und zum Freundeskreis berücksichtigt. Dementsprechend rücken die gelebten Beziehungen innerhalb und außerhalb der Familie in den Mittelpunkt der Analyse, etwa mit Blick auf die Integration Heranwachsender unter Gleichaltrigen.
Forschungsmethode
Während frühere AID:A-Erhebungen noch als telefonische Befragungen durchgeführt wurden, setzt AID:A 2019 nun auf persönliche Interviews. Wie bei AID:A II umfasst die Stichprobe Personen im Altersbereich von der Geburt bis zum Alter von 32 Jahren und wird nach dem Zufallsprinzip über Einwohnermeldeämter gezogen. Sofern noch weitere Personen im angezielten Altersbereich im Haushalt leben (zum Beispiel Geschwister oder eigene Kinder der Heranwachsenden), werden auch diese einbezogen. Darüber hinaus werden zusätzlich die Eltern im Haushalt der minderjährigen Zielpersonen befragt sowie gegebenenfalls der Partner beziehungsweise die Partnerin, sofern er oder sie mit der Zielperson im gemeinsamen Haushalt lebt. Die Interviews wurden zwischen Februar und Sommer 2019 von professionellen Interviewern eines externen Erhebungsinstituts bundesweit in über 6.300 Haushalten durchgeführt. Auf Wunsch ist auch eine telefonische Befragung möglich. Insgesamt wurden knapp 14.300 Zielpersonen ab der Geburt bis zum Alter von 32 Jahren und ca. 9.900 Eltern von minderjährigen Zielpersonen erfasst.
Thematische Schwerpunkte
Um Zeitvergleiche zu ermöglichen, greift AID:A 2019 ähnliche Themenkomplexe auf wie die vorherigen AID:A-Befragungen. Besonderes Augenmerk gilt gesellschaftlichen Trends wie beispielsweise in der Verbreitung von komplexen Familienstrukturen (Trennungs-, Stief- und Patchworkfamilien). Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund sowie der Gestaltung von Freundschaftsbeziehungen Jugendlicher werden ausführlicher verfolgt. Gleichzeitig werden neue thematische Schwerpunkte eingeführt, wie etwa die zunehmende Digitalisierung des Alltags und der Ausbildungs- und Berufswelt.
Ziele
Die Ergebnisse von AID:A bilden die Grundlage verschiedener Forschungsstränge des DJI im Bereich Kindheit, Jugend und Familie sowie regelmäßiger Sozialberichterstattung. So greifen mit dem Bildungsbericht, dem Kinder- und Jugendbericht sowie dem Familienbericht gleich mehrere Bereiche der regelmäßigen Berichterstattung der Bundesregierung auf AID:A als Datenbasis zurück.
Ziel von AID:A 2019 ist es, einen einmaligen, repräsentativen Datensatz zu generieren, wissenschaftlich auszuwerten und damit Politik, Wissenschaft und Gesellschaft wertvolle Erkenntnisse darüber zu bieten, was junge Menschen bewegt, wie sie leben und welche Einflüsse ihre Lebensumstände prägen.
Auf breiter Basis soll mit Hilfe des Survey Aufschluss darüber gewonnen werden, wie sich sozialer Wandel in Veränderungen der Lebensbedingungen, Einstellungen, Verhaltensmuster und des subjektiven Wohlergehens von Heranwachsenden und deren Familien niederschlägt. Die umfassende Studie liefert einen aktuellen Zahlenspiegel, der die Daten aus den früheren Erhebungen fortschreibt und somit der Forschung in Deutschland die Möglichkeit gibt, Zeitreihenvergleiche über viele Jahre anzustellen.
Zudem sollen Zusammenhänge aufgezeigt werden zwischen relevanten Rahmenbedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, individuellen Lebensbedingungen im sozialen Nahkontext sowie unterschiedlichen Aspekten des Wohlergehens der heranwachsenden Generation. Dies spricht auch die Bedeutung kontextueller Entwicklungsbedingungen an, die einer politischen Gestaltung zugänglich sind. Damit werden die Forschungsschwerpunkte des DJI aufgegriffen, um in den kommenden Jahren gesellschaftliche Phänomene vertieft zu untersuchen und mögliche Erklärungen oder Lösungsansätze zu finden.
Des weiteren soll AID:A interessierten Forscherinnen und Forschern zur Verfügung stehen, um darüber hinaus gehende Erkenntnisse zu generieren und einzelne Forschungsfragen zu vertiefen.
Forschungsdesign
Der Survey untersucht seit 2009 die Lebenslagen und Lebensführung von Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Familien in Deutschland. AID:A bietet detaillierte Einblicke in die Lebensbedingungen und die Entwicklung junger Menschen und ergänzt damit die Analysen der amtlichen Statistik.
Im Zentrum der Beobachtung stehen Personen von 0 bis 32 Jahre. Für die dritte Befragungswelle AID:A 2019 passten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DJI das Forschungsdesign des Survey an und führten Haushaltsbefragungen durch. Dies beinhaltet neben den jungen Menschen selbst auch deren enge Bezugspersonen. Hierzu zählen neben Erziehungsberechtigten von minderjährigen Studienteilnehmenden oder im Haushalt lebenden Partnerinnen und Partnern beispielsweise Geschwister. Zwischen Frühjahr und Herbst 2019 wurden in mehr als 6100 Haushalten Interviews durchgeführt.