Nachfrage nach außerunterrichtlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten für Grundschulkinder steigt
In einem Jahr, zum 1. August 2026, greift der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter. Für Kinder, die eingeschult werden, äußern die Eltern im Rahmen der bundesweiten DJI-Kinderbetreuungsstudie besonders hohen Bedarf
Ab dem Schuljahr 2026/27 haben Grundschulkinder ein Recht auf ganztägige Förderung in Horten oder Ganztagsschulen. Zunächst gilt der gesetzliche Anspruch für alle neu eingeschulten Kinder und wird dann jährlich um eine Stufe erweitert, bis er im Schuljahr 2029/30 die erste bis vierte Klassenstufe umfasst. Um die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, haben Länder und Kommunen noch Einiges zu tun.
Auswertungen repräsentativer Daten der DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) des Deutschen Jugendinstituts (DJI) aus dem Jahr 2023 zeigen, dass der bundesweite Betreuungsbedarf für alle Grundschulkinder erstmals seit dem Jahr 2020 wieder leicht angestiegen ist, und zwar um zwei Prozentpunkte auf 75 Prozent. Für die Kinder, die im Frühjahr 2023 die erste Klassenstufe besuchten, äußerten mit 82 Prozent besonders viele Eltern einen Betreuungsbedarf. Für die Schüler:innen der zweiten Klasse lag der von den Eltern genannte Bedarf im Jahr 2023 bei 79 Prozent. Mit jeder weiteren Klassenstufe und steigendem Alter der Kinder werden außerunterrichtliche Bildungs- und Betreuungsangebote etwas weniger nachgefragt und genutzt.
Der Anstieg beim bundesweiten Betreuungsbedarf für alle Grundschulkinder ist besonders auf die erhöhte Nachfrage nach Angeboten der Übermittagsbetreuung zurückzuführen. Bei Ganztagsschulangeboten, Hortplätzen oder anderen Angeboten mit Betreuungsende nach 14.30 Uhr stagniert der Bedarf seit dem Jahr 2020 deutschlandweit bei 64 Prozent.
Obwohl in den letzten beiden Jahrzehnten massiv in den Ausbau ganztägiger Angebote für Grundschulkinder investiert wurde, reichte es im Jahr 2023 in Westdeutschland nicht aus: 4 Prozent der Eltern haben keinen Platz für ihr Kind gefunden, obwohl sie sich einen wünschten. Weitere 3 Prozent der Eltern gaben an, dass ihr Bedarf den aktuell von ihnen genutzten Betreuungsumfang um mehr als fünf Stunden pro Woche übersteigt. Damit müssen in Westdeutschland für insgesamt 7 Prozent aller Grundschulkinder noch Plätze neu geschaffen oder in ihrem Umfang erweitert werden.
Potenzial für demokratiebezogenes Lernen wird bislang nicht ausgeschöpft
Während die meisten Eltern ihren Betreuungsbedarf für Grundschulkinder mit ihrer beruflichen Tätigkeit und einem dafür erforderlichen verlässlichen Betreuungsangebot begründen, wird mit der Ganztagsschule politisch und gesellschaftlich auch das Ziel verbunden, soziale Ungleichheiten zu verringern und die Kompetenzen der Schüler:innen umfassender zu fördern, beispielsweise durch Demokratiebildung.
Ergebnisse der DJI-Studie „Demokratiebildung im Ganztag“ veranschaulichen, wie Demokratiebildung in der pädagogischen Praxis im grundschulischen Ganztag verstanden und konkret praktiziert wird - und was verbessert werden kann. So werden aktuelle gesellschaftliche Ereignisse und Entwicklungen – etwa Kriege, Klimakrise, Menschen- und Demokratiefeindlichkeit – von Lehr- und Fachkräften des Ganztags zum Anlass genommen, Demokratie verstärkt zum Bildungsthema zu machen, aber meist nur innerhalb von kurzfristigen Projekten.
Die DJI-Forschenden empfehlen stattdessen didaktisch fundierte Konzepte, die langfristiges Erfahrungslernen sowie Wertebildung und die Entwicklung von Resilienz im Umgang mit gesellschaftlichen Veränderungen ermöglichen. Um Verbindlichkeit und Transparenz sicherzustellen, sei es zudem notwendig, Demokratiebildung in Schulkonzepten zu verankern und einen Schulentwicklungsprozess anzustoßen, der die gesamte Organisationsstruktur und -kultur sowie alle Beteiligte betrifft. Potenziale für die Demokratiebildung schreiben die DJI-Forschenden vor allem dem gebundenen Ganztag zu, bei dem die Kinder verpflichtend auch nachmittags die Schule besuchen.
Veranstaltungsreihe zum Ganztag
Gelegenheit zum Austausch über den Stand der Forschung zur Ganztagsbildung und-betreuung für Grundschulkinder bietet eine aktuelle Veranstaltungsreihe des DJI und des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) mit dem Titel „Ganztägige Bildung und Betreuung im Fokus der Wissenschaft“.
DJI-Kinderbetreuungsstudie
Die DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) ist eine jährliche bundeslandrepräsentative Befragung von etwa 33.000 Eltern von Kindern ab der Geburt bis zum Ende der Grundschulzeit. Die Untersuchungsschwerpunkte der Studie sind die aktuelle Betreuungssituation sowie die elterlichen Bedarfe an Bildung und Betreuung, die von den Eltern wahrgenommene Qualität der Angebote und die Gründe dafür, weshalb Eltern ihr Kind ausschließlich privat betreuen. Das BMBFSFJ fördert die Studie.
DJI-Studie „Demokratiebildung im Ganztag“
Im Rahmen der Studie untersuchten die Forschenden den Schulalltag an acht Ganztagsgrundschulen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Bayern. Um Aufschluss über die Demokratiebildung zu erhalten, führten sie teilnehmende und videogestützte Beobachtungen im Unterricht, am Nachmittag, in Pausen und Übergangssituationen, wie beispielsweise Aufräumsituationen, durch. Zudem erhoben sie die Perspektive der Lehrkräfte, der pädagogischen Fachkräfte sowie der Schüler:innen anhand von Gruppendiskussionen. Auch Einrichtungskonzeptionen wurden von den Forschenden analysiert.
Veranstaltungsreihe „Ganztägige Bildung und Betreuung im Fokus der Wissenschaft“Handreichung mit Praxisbeispielen “Demokratiebildung im Ganztag”DJI-Studie „Demokratiebildung im Ganztag“DJI-Kinderbetreuungsstudie
Kontakt
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Dr. Katja Flämig
Leiterin der Fachgruppe „Pädagogische Konzepte für die Kindheit”
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Abteilung Medien und Kommunikation
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