Warum die Kinder- und Jugendhilfe immer bedeutender wird

Extra-Ausgabe des Kinder- und Jugendhilfereports 2021 zeigt: Die Investitionen in die Kinder- und Jugendhilfe haben sich innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt

Bild: AdobeStock

27. April 2021 -

Die Kinder- und Jugendhilfe wird immer wichtiger: Bund, Länder und Kommunen haben im Jahr 2019 rund 55 Milliarden Euro für Betreuungs-, Bildungs- und Freizeitangebote, für gezielte Unterstützung von Familien mit Problemen und für Kinderschutzmaßnahmen ausgegeben. Damit wurden die Investitionen in die Kinder- und Jugendhilfe in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Nicht nur der Ausbau der Kindertagesbetreuung trug wesentlich zu dieser Steigerung bei, sondern auch Eingliederungshilfen für junge Menschen mit Behinderung und der verstärkte Kinderschutz. Das zeigt die Extra-Ausgabe des Kinder- und Jugendhilfereports 2021, den die „Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik“ im Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut/Technische Universität Dortmund veröffentlicht hat.

Bedarf an Kita-Plätzen und Fachkräften für alle Altersgruppen wird zunächst weitersteigen

In den ungefähr 94.000 Einrichtungen und Dienststellen der überwiegend gemeinnützigen, zivilgesellschaftlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe arbeiten mittlerweile mehr als 900.000 Personen im pädagogischen Bereich – ehrenamtlich und freiwillig Engagierte nicht mitgezählt. Zum Vergleich: An allgemeinbildenden Schulen gibt es aktuell zirka 780.000 Lehrkräfte.

Die Kindertagesbetreuung ist das mit Abstand größte Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe. Laut dem Report wurden im Jahr 2019 allein in diesem Bereich fast 42 Milliarden Euro investiert – im Jahr 2006 waren es nur etwa 12 Milliarden Euro. Zwischen 2017 und 2020 wurden bundesweit für mehr als eine viertel Million Kinder zusätzliche Plätze in der Kindertagesbetreuung geschaffen, mehr als 2.300 neue Kitas sind entstanden, und fast 94.000 Fachkräfte wurden zusätzlich eingestellt.

Bis Ende des Jahrzehnts sei mit einem weiteren Ausbau in allen Altersgruppen zu rechnen, da der Bedarf an zusätzlichen Plätzen vor allem in Westdeutschland erheblich ist, schreibt die Autorengruppe des Kinder- und Jugendhilfereports. Ein weiterer Bedarf sei vor allem dann zu erwarten, wenn der geplante Rechtsanspruch auf ein Ganztagsangebot für Kinder im Grundschulalter komme.

Kooperationen zwischen Jugendhilfe und Schulen werden wichtiger

Stark gestiegen sind auch die Ausgaben für Eingliederungshilfen junger Menschen mit Behinderung – von etwa 600 Millionen im Jahr 2008 auf knapp 2 Milliarden im Jahr 2019. Grund dafür ist, dass sich sowohl die Fallzahlen als auch der zeitliche Umfang für solche Eingliederungshilfen, insbesondere im schulischen Bereich, erhöht haben. „Kooperationen zwischen Jugendhilfe und Schulen werden künftig noch wichtiger werden“, bilanziert die Autorengruppe. Denn mit dem neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, das der Bundestag am 22. April beschlossen hat, soll die Kinder- und Jugendhilfe bis zum Jahr 2028 inklusiv werden. Alle Leistungen für Kinder mit und ohne Behinderung sollen damit zusammengeführt werden.

Auch die Ausgaben für ambulante und stationäre „Hilfen zur Erziehung“ haben sich in den vergangenen zehn Jahren nahezu verdoppelt, wobei sich die Wachstumsdynamik im stationären Bereich, etwa bei Heimen oder Wohngruppen, abschwächte. Ursache hierfür ist, dass die Minderjährigen, die vor allem in den Jahren 2015 und 2016 unbegleitet nach Deutschland eingereist sind, mittlerweile zu einem großen Teil volljährig geworden sind und keine weitere Unterstützung durch die Kinder- und Jugendhilfe mehr erhalten.

Verstärkter Kinderschutz erfordert mehr Ressourcen

Eine weiterhin große Bedeutung im Spektrum der Kinder- und Jugendhilfe hat der Kinderschutz: Die Anzahl der Meldungen möglicher Kindeswohlgefährdungen bei den Jugendämtern stieg seit 2013 bis zum Jahr 2019 um 50 Prozent auf zirka 173.000. Die Bearbeitung erforderte entsprechend mehr Ressourcen. Insbesondere das Personal in den Allgemeinen Sozialen Diensten (ASD) der Jugendämter wurde ausgebaut. Seit 2006 verdoppelten sich die Vollzeitstellen auf mehr als 15.000. Dieser personelle Zuwachs hat die Jugendämter in ihrer Struktur verändert: Das statistisch „mittlere“ Jugendamt verfügte im Jahr 2018 über 57 Vollzeitstellen. Zwölf Jahre zuvor war es mit durchschnittlich 32 Vollzeitstellen noch deutlich kleiner.

Wie sich die verschiedenen Phasen der Corona-Pandemie auf den Kinderschutz auswirkte, zeigt eine aktuelle Auswertung der noch laufenden „8a-Zusatzerhebung 2020“ der „Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik“: Die Jugendämter haben besonders im Herbst 2020 eine überproportionale Zahl an Verdachtsfällen auf Kindeswohlgefährdungen bearbeitet, die entweder darauf hindeuten, dass Gefährdungssituationen zugenommen haben oder verspätet und daher gehäuft gemeldet wurden.

Der Kinder- und Jugendhilfereport bündelt die wichtigsten statistischen Daten zur gesamten Kinder- und Jugendhilfe und bietet anhand von Kennzahlen einen Überblick über ihre Arbeitsfelder und Aufgabengebiete. Die Extra-Ausgabe 2021 schreibt den KJH-Report aus dem Jahr 2018 fort, bringt die zentralen Kennzahlen auf den aktuellen Stand und kommentiert diese.
 

Kostenloser Download des Kinder- und Jugendhilfereports Extra 2021 und des Kinder- und Jugendhilfereports 2018Zentrale Ergebnisse des Kinder- und Jugendhilfereports Extra 2021Zentrale Ergebnisse des Kinder- und Jugendhilfereports 2018
Zu den Autorinnen und Autoren gehören:
Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Dr. Thomas Mühlmann, Dr. Christiane Meiner-Teubner, Sandra Fendrich, Ninja Olszenka, Dr. Jens Pothmann, Agathe Tabel, Dr. Melanie Böwing-Schmalenbrock, Jonas Detemple, Katharina Kopp


Kontakt
Dr. Thomas Mühlmann, Geschäftsführer der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik
0231/755-5554
thomas.muehlmann@tu-dortmund.de

Uta Hofele
Abteilung Medien und Kommunikation am DJI
089/62306-173
hofele@dji.de