Situation von Jugendlichen in Strafverfahren verbessern

Neuregelungen in Jugendgerichtsgesetz und Strafprozessordnung – DJI untersucht Auswirkungen auf Beschuldigte und Jugendhilfe im Strafverfahren

24. Februar 2021 -

In Deutschland werden jedes Jahr etwa 120.000 bis 130.000 Jugendliche und Heranwachsende in Strafverfahren verurteilt. Doch der Großteil der Verfahren, etwa zwei Drittel, werden bereits vorher informell beendet. Neben den jungen Beschuldigten sind daran viele weitere Institutionen wie Jugendgericht, Staatsanwaltschaft, Polizei, Verteidigung und Jugendhilfe im Strafverfahren beteiligt. Für Jugendliche kann es mitunter schwierig sein, den Ablauf ihres Verfahrens aber auch die Aufgaben der Beteiligten und deren Zusammenwirken zu verstehen. Gesetzesänderungen 2019 und 2020 sollen die Position der Jugendlichen im Verfahren stärken. Ob dies erreichbar ist, untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Jugendinstituts (DJI) im Projekt „Jugend(hilfe) im Strafverfahren – neue Gesetzeslage, veränderte Aufgaben und die Perspektive der jungen Menschen“.

Mit ihrer Untersuchung setzen die DJI-Forschenden an Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes und der Strafprozessordnung an, die aufgrund zweier EU-Richtlinien notwendig wurden und mit dem „Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren“ und dem „Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung“ umgesetzt wurden. Durch die Änderungen sollten die Jugendlichen ausführlicher über ihre Rechte informiert werden. Zudem muss durch die gesetzlichen Änderungen neuerdings beispielsweise eine Pflichtverteidigung bereits hinzugezogen werden, wenn Freiheitsentzug als Strafe möglich ist. Die Jugendhilfe im Strafverfahren muss früher eingebunden werden und nun in den Hauptverhandlungen anwesend sein.

 

Wahrnehmungen der Jugendlichen im Mittelpunkt der Forschung

„Die Neuregelungen können enorme Auswirkungen haben. Ob sie die Situation der Jugendlichen verbessern, ist noch unklar“, betont die Wissenschaftlerin Annemarie Schmoll, die am DJI gemeinsam mit Bernd Holthusen, Leiter der Fachgruppe „Angebote und Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe“, und Dirk Lampe untersucht, wie sich die Änderungen in der Praxis auswirken. Im Mittelpunkt der Forschung stehen dabei die jungen Beschuldigten. „Wir wollen wissen, wie junge Menschen das gesamte Verfahren wahrnehmen. Das wurde bisher nicht erforscht“, erklärt Annemarie Schmoll.

Zudem werden die Auswirkungen der Gesetzesänderungen auf die Jugendhilfe im Strafverfahren analysiert. Aufgabe der Jugendhilfe im Strafverfahren ist es, die jungen Menschen im gesamten Verfahren zu beraten und zu unterstützen, vom Bekanntwerden der Tat bis zum Abschluss des Vollstreckungsverfahrens. Ändern sich die Aufgaben und die Rolle, die der Gesetzgeber der Jugendhilfe zuweist, hat dies mittelbar auch Einfluss auf die Betreuung und Beratung der Jugendlichen. Die Jugendhilfe im Strafverfahren organisieren Kommunen entweder als eigenständigen Dienst, als Teil des Allgemeinen Sozialen Dienstes oder sie übertragen deren Aufgaben an einen oder mehrere freie Träger.

„Ziel unserer Forschung ist es, mit neuen Erkenntnissen dazu beizutragen, die Jugendhilfe im Strafverfahren und das gesamte Verfahren weiterzuentwickeln. Falls notwendig, müssen neue Angebote geschaffen werden, um die Jugendlichen besser zu informieren“, meint Dirk Lampe.

 

Ablauf des Forschungsprojekts

Insgesamt werden 40 Jugendliche, die sich derzeit in einem Strafverfahren befinden oder gerade eines durchlaufen haben, persönlich befragt. Zudem finden vier Gruppendiskussionen mit Jugendlichen statt. Um die Situation der Jugendhilfe im Strafverfahren zu erheben, werden im Rahmen des Forschungsprojekts bundesweit alle Jugendämter online befragt. Persönliche Erfahrungen und Einschätzungen zum bisherigen Umsetzungsprozess der neuen Regelungen fließen durch die Befragung von zehn Fachkräften der Jugendhilfe im Strafverfahren in die Studie ein.

 

Projekt-Website „Jugend(hilfe) im Strafverfahren – neue Gesetzeslage, veränderte Aufgaben und die Perspektive der jungen Menschen“DJI-Stellungnahme 2018 im Rahmen des GesetzgebungsprozessesDJI-Stellungnahme 2019 im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses

 

Kontakt

Annemarie Schmoll
089/62306-335
schmoll@dji.de

Dirk Lampe
089/62306-292
lampe@dji.de

Martin Kern
Abteilung Medien und Kommunikation
089/62306-397
mkern@dji.de