Jugendgewalt in Deutschland auch im Corona-Jahr 2020 weiter gesunken

DJI-Analysen amtlicher Statistiken verweisen auf Rückgang bei Gewaltdelikten

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13. Juli 2021 -

Wie in den Vorjahren, sind auch im Jahr 2020 die Fälle von Jugendgewalt in Deutschland zurückgegangen. „Gute Präventionsarbeit ist hierfür sicher mit ein ausschlaggebender Faktor. Im vergangenen Jahr haben die Kontaktbeschränkungen der Corona-Pandemie den Rückgang zudem scheinbar noch verstärkt“, erklärt Dr. Sabrina Hoops. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Dr. Diana Willems wertete die Wissenschaftlerin in der Arbeitsstelle „Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention“ am Deutschen Jugendinstitut (DJI) Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) sowie weiterer amtlicher Statistiken wie der Strafverfolgungs- und der Strafvollzugsstatistik aus. Ihre Ergebnisse fassen die Forscherinnen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention in der aktuellen Veröffentlichung des DJI „Zahlen – Daten – Fakten: Jugendgewalt“ zusammen.

 

Verwendete Daten und Methodik der Datenanalyse
Wird von Jugendkriminalität, zu der Jugendgewalt zählt, gesprochen, geht es vor allem um die Altersgruppe 14 bis 18 bzw. 21 Jahre. Sabrina Hoops und Diana Willems betrachten zudem Kinder unter 14 Jahre und Jungerwachsene bis unter 25 Jahre.

Die Analyse der Forscherinnen konzentriert sich dabei auf Daten des Hellfelds der Kriminalität, das heißt auf die amtlich registrierte Kriminalität. Da die Aussagekraft zur tatsächlichen Straffälligkeit jedoch begrenzt ist, werden die Daten mit Erkenntnissen aus Dunkelfeldstudien ergänzt. Diese beziehen auch jene straffälligen Handlungen ein, die den Strafverfolgungsbehörden nicht bekannt sind.

Delikte, die nicht angezeigt oder ermittelt werden, verbleiben im Dunkelfeld. Ein An- oder Absteigen von Zahlen in der PKS kann sowohl in einer Veränderung der tatsächlichen Kriminalität als auch in Gesetzesänderungen oder einer Verschiebung der Hellfeld-Dunkelfeld-Relation, etwa durch verstärkte Polizeikontrollen oder eine veränderte Anzeigebereitschaft, begründet sein.

 

Daten im Kontext grundlegender Forschungsergebnisse bewerten
Um die Daten der Jugendgewalt zu bewerten, sei es notwendig, diese vor dem Hintergrund grundlegender kriminologischer Forschungsergebnisse einzuordnen, betonen Sabrina Hoops und Diana Willems. Längsschnittstudien   zeigten, dass sich strafbare Handlungen im Jugendalter in den überwiegenden Fällen im Erwachsenenalter nicht fortsetzten. Zudem begingen Jugendliche überwiegend Straftaten im Bereich von Ladendiebstahl, Sachbeschädigung, Schwarzfahren und einfacher Körperverletzung. Gewalttaten machen nur einen kleinen Teil der gesamten Jugenddelinquenz aus. Die überwiegende Mehrzahl werde lediglich ein- bis zweimal auffällig und nur ein kleiner Teil mit drei oder mehr Delikten. Den Großteil wiederholter und schwerwiegender Straftaten verübt eine kleine Personengruppe, die in der Regel komplexe Problemlagen auf sich vereinigt, von sozialer Randständigkeit über Gewalterfahrungen in der Familie und Schulproblemen bis hin zu Alkohol- und Drogenmissbrauch.

 

Gewaltdelikte  nehmen in allen Altersgruppen ab
Die am DJI analysierten Daten beinhalten Gewaltdelinquenz, hierzu gehören unter anderem gefährliche und schwere Körperverletzung, Raub, Vergewaltigung und sexueller Übergriff im besonders schweren Fall sowie Mord und Totschlag. Daneben werden zudem einfache Körperverletzung ohne strafschärfende Tatbestandsmerkmale betrachtet.

Die Anzahl polizeilich registrierter Tatverdächtiger von Delikten der Gewaltkriminalität ging in den Jahren 2019 und 2020 für die Gruppe der Kinder um 14,1 Prozent zurück. Im aktuellen Berichtsjahr 2020 ist ein Rückgang sowohl bei Jugendlichen (um 6,7 Prozent) als auch bei Heranwachsenden (11,3 Prozent) und jungen Erwachsenen (5,1 Prozent) zu verzeichnen. Auch die Zahl an Tatverdächtigen im Bereich der einfachen Körperverletzung hat im Vergleich zum Jahr 2019 abgenommen. Differenziert nach Altersgruppen zeigt sich ein ähnliches Bild wie im Bereich der Gewaltkriminalität: die Zahl tatverdächtiger Kinder unter 14 Jahren ging im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent zurück, Delikte von Jugendlichen um 16,5 Prozent, der Heranwachsenden um 15,8 Prozent und jungen Erwachsenen um 10,5 Prozent.

Insgesamt wurden im Jahr 2020 zudem weniger junge Menschen als Tatverdächtige polizeilich registriert als im Vorjahr. „Wir gehen davon aus, dass dies auch mit den Einschränkungen durch die Pandemie wie etwa Beschränkungen im öffentlichen Raum, Distanzunterricht und der Schließung von Freizeitangeboten und Veranstaltungsorten zusammenhängt“, erklärt Diana Willems.

 

Ausbau der Präventionsstrategie fortsetzen und opferbezogene Ansätze weiterentwickeln
Auf Grundlage der aktuellen Daten bewerten die Forscherinnen die Entwicklung der vergangenen Jahre positiv. Im Bericht „Zahlen – Daten – Fakten: Jugendgewalt“ empfehlen sie daher „den eingeschlagenen Weg des Ausbaus der Präventionsstrategien fortzusetzen und die wichtige Rolle der Kinder- und Jugendhilfe weiterhin zu befördern. Darüber hinaus ist eine Weiterentwicklung von opferbezogenen Ansätzen wünschenswert.“

 

Broschüre „Zahlen – Daten – Fakten: Jugendgewalt“ (Stand Mai 2021)Broschüre „Zahlen – Daten – Fakten: Jugendgewalt“ (Stand Mai 2020)Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention am DJI

 

Kontakt
Dr. Sabrina Hoops
Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention
089/62306-267
hoops@dji.de

Dr. Diana Willems
Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention
089/62306-139
willems@dji.de

Martin Kern
Abteilung Medien und Kommunikation
089/62306-397
mkern@dji.de