Warum ein inklusiver Kinderschutz dringend nötig ist
Zwar haben Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe Schutzkonzepte etabliert, doch profitieren junge Menschen mit Behinderung deutlich weniger von ihnen als Kinder und Jugendliche ohne Auffälligkeiten

Bild: iStockphoto/Prostock-Studio und LanaStock
Junge Menschen, die in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe wie Heimen oder Wohngruppen aufwachsen, haben zuvor häufig Vernachlässigung, Misshandlung oder Gewalt erlebt. Und dort, wo sie eigentlich geschützt werden sollen, besteht für sie ebenfalls ein erhöhtes Risiko, (erneut) emotionale, körperliche oder sexuelle Gewalt zu erleben. Dies bestätigt eine aktuelle Befragung von 135 10- bis 18-Jährigen in stationären Einrichtungen im Rahmen des DJI-Forschungsprojekts „Schutzinklusiv“: Jeweils etwa Dreiviertel der Befragten hat seit seiner Aufnahme körperliche Gewalt (74 Prozent) und emotionale Gewalt (74 Prozent) erlebt. Von sexuellen Gewalterfahrungen mit Körperkontakt berichteten etwas mehr als ein Viertel der Kinder und Jugendlichen und von digitaler sexueller Gewalt fast jede:r fünfte Befragte.
Zwar haben Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in den vergangenen Jahren ein großes Bewusstsein für das Risiko sexueller Gewalt entwickelt und zumindest zahlreiche Bestandteile eines Schutzkonzepts umgesetzt, beispielsweise eine kinderschutzsensible Personalgewinnung, Verhaltenskodizes zur Gestaltung des Organisationsklimas sowie kindgerechte Beschwerdeformen. Doch diese Schutzmaßnahmen greifen nicht bei allen jungen Menschen gleichermaßen, schreiben Johann Hartl und Fabienne Hornfeck in der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins DJI Impulse. So sind gemäß der Daten des Forschungsprojekts „Schutzinklusiv“ Kinder und Jugendliche mit selbstberichteten mindestens leicht ausgeprägten Beeinträchtigungen im sozioemotionalen Bereich (Stimmungen, Konzentration und Verhalten gegenüber anderen) zu einem deutlich höheren Anteil von emotionaler Gewalt (90,3 Prozent) beziehungsweise sexueller Gewalt mit Körperkontakt (41,9 Prozent) betroffen als Kinder und Jugendliche ohne Auffälligkeiten (62,1 beziehungsweise 58,6 Prozent). Auch junge Menschen mit mindestens leicht ausgeprägten Sinnesbeeinträchtigungen beim Sehen oder Hören sind deutlich häufiger von körperlicher oder sexueller Gewalt mit Körperkontakt betroffen als jene ohne eine Einschränkung (siehe Abbildung). Bei einer bundesweiten Befragung in Einrichtungen stationärer Hilfen zur Erziehung im Rahmen des DJI-Projekts „Jugendhilfe und sozialer Wandel“ gaben im Jahr 2019 63 Prozent der Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe an, Bewohner:innen mit einer Behinderung zu betreuen.
Kriminalstatistiken und wissenschaftliche Untersuchungen weisen nicht nur für junge Menschen mit Behinderung, sondern auch für Mädchen und junge Frauen ein erhöhtes Risiko nach, insbesondere sexuelle Gewalt zu erleben. Um beide Gruppen künftig besser schützen zu können, sei es erforderlich, Schutzkonzepte und Präventionsprogramme an deren individuellen Bedürfnisse und Herausforderungen anzupassen, schreiben die DJI-Forschenden und erläutern dies anhand der Ergebnisse zweier Forschungsprojekte in ihrem DJI-Impulse-Beitrag mit dem Titel „Die Schwächsten stärken“.
„Die Schwächsten stärken“, Artikel aus der DJI Impulse Ausgabe 01/25 Online-Schwerpunkt zu DJI Impulse 1/25 „Kinder und Jugendliche wirksam schützen“Printausgabe des Forschungsmagazins DJI Impulse 1/25
Kontakt
Johann Hartl
Fachgruppe „Familienhilfe und Kinderschutz“
089/62306-357
jhartl@dji.de
Uta Hofele
Abteilung Medien und Kommunikation
089/62306-446
hofele@dji.de