Neue Studienergebnisse zum Thema Kinderschutz

Wie sich Gewalt gegen Kinder und Jugendliche eindämmen lässt, zeigt die aktuelle Ausgabe des Forschungsmagazins des Deutschen Jugendinstituts „DJI Impulse“ auf

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15. April 2025 -

Obwohl die Sensibilität der Gesellschaft für Kindes­vernachlässigung und -missbrauch wächst, bleibt die Zahl minder­jähriger Betroffener in Deutschland hoch. Im Zuge der Digitalisierung entwickeln sich zugleich neue Phänomene von psychischer und sexualisierter Gewalt. Aktuelle Forschungs­ergebnisse des Deutschen Jugendinstituts (DJI) über das Ausmaß von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und den Umgang damit in Jugend­ämtern, Schulen, Heimen und Wohn­gruppen liefern wichtige Hinweise für ein besseres Vorbeugen und ein schnelles Eingreifen im Falle von psychischer, körperlicher oder sexualisierter Gewalt. Sie werden in der neu erschienenen Ausgabe des Forschungsmagazins „DJI Impulse“ vorgestellt, um notwendige Konsequenzen für Politik und Fach­praxis abzuleiten.

Nur 17 Prozent der Schulen verfügen über umfassende Schutzkonzepte 

Ein zentrales Thema des Hefts ist die sexualisierte Gewalt: In der aktuellen Längsschnittstudie „Entwicklung und Wirkung von Schutzkonzepten an Schulen“ (SchuLae) gab knapp die Hälfte der befragten Schüler:innen der siebten bis neunten Klassen an, im zurück­liegenden Jahr eine Form von sexueller Gewalt erlebt zu haben. Dazu gehören beispiels­weise sexuelle Beleidigungen, verstörende Pornografie oder ungewollte Berührungen. Meist waren Mitschüler:innen die Gewalt­ausübenden. Ein bundesweites Monitoring zeigt: Zwei Drittel der etwa 2.000 befragten Schul­leitungen berichteten nur von einzelnen Präventions­maßnahmen, und lediglich 17 Prozent der Schulen verfügen über ein umfassendes Schutzkonzept.

Die wiederholten Befragungen im Rahmen der SchuLae-Studie belegen erstmals: An Schulen mit umfassenden Schutz­konzepten berichten Jugendliche seltener von Übergriffen als an den übrigen Schulen. Bislang verpflichten nur einige Bundes­länder Schulen dazu, Schutzkonzepte zu entwickeln und umzusetzen, die beispielsweise Fort­bildungen zur Problematik beinhalten, einen Verhaltens­kodex für Lehrkräfte und einen Handlungs­plan zum Vorgehen bei (vermuteter) sexualisierter Gewalt.

Auch in den stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, wie etwa Heimen oder Wohn­gruppen, haben sich Schutz­konzepte gegen Gewalt verbessert. Doch laut den Forschungs­ergebnissen zweier aktueller DJI-Studien profitieren noch nicht alle jungen Menschen davon. Insbesondere Kinder und Jugendliche mit Behinderung sowie Mädchen und junge Frauen gehören demnach zu den Risiko­gruppen, die über­durchschnittlich oft von Übergriffen betroffen sind. 

Etwa 7 Prozent der 12- bis 21-Jährigen berichten, Cybermobbing erlebt zu haben

Gerade beim Thema Cyber­mobbing besteht nicht nur in den Einrichtungen der Kinder- und Jugend­hilfe und in Schulen Handlungs­bedarf, sondern auch in Ausbildungs­betrieben sowie Berufs- und Hochschulen. Das zeigen die Ergebnisse des DJI-Surveys „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“, kurz AID:A. Etwa 7 Prozent der befragten 12- bis 21-Jährigen gaben im Jahr 2023 an, in den letzten Monaten Cyber­mobbing erlebt zu haben, wie etwa die digitale Verbreitung von diffamierenden Fotos und Filmen, Bedrohungen oder Beleidigungen in Online-Gruppen oder bewusstes Ausschließen davon. 

Über neue Gefahren im Netz spricht auch die Kommunikations­wissenschaftlerin Prof. Dr. Ruth Wendt im Interview mit DJI Impulse. Dabei betont die Professorin der Ludwig-Maximilians-Universität München, dass Verbote und Filter allein nicht vor sexualisierter Gewalt im Netz schützen. Vielmehr sei das Zusammen­spiel einer aktiven Medien­erziehung in Familie und Schule sowie technische Unter­stützung und Regulation seitens der Platt­formen selbst erforderlich. Jugendliche würden vor allem von sozialen Kompetenzen profitieren. Auch weil diese dazu beitrügen, dass sich Jugendliche aktiv für den Schutz anderer einsetzen. 

Vielen jungen Menschen fällt es schwer, bei sexualisierten Übergriffen unter Gleichaltrigen hilfreich einzugreifen, darauf deuten die bislang unveröffentlichten Ergebnisse des Verbund­projekts CHAT hin, an dem das DJI beteiligt ist. Teilweise werde sexualisierte Gewalt verharmlost oder sogar ignoriert, um den sozialen Status und die Zugehörigkeit innerhalb der Peer­gruppe nicht zu riskieren. Aufbauend auf den Studien­ergebnissen wurden Präventionsworkshops mit theater­pädagogischen Einheiten entwickelt, erprobt und evaluiert. Dabei zeigte sich, dass sich Präventions­arbeit nicht auf Wissens­erweiterung beschränken darf, sondern auch die Handlungs­fähigkeit unter sozialen Dynamiken berücksichtigen muss.

Aufgaben und Herausforderungen im Kinderschutz nehmen zu

„Es hat sich viel getan. Und gleichzeitig deutet sich an, dass mit den Aufgaben auch die Heraus­forderungen für den Kinderschutz gewachsen sind“, schreibt DJI-Direktorin Prof. Dr. Sabine Walper in ihrem Editorial und verweist unter anderem auf die großen Heraus­forderungen in den Jugend­ämtern, wie etwa den Personal­mangel. Nicht nur eine stabile und ausreichende Personalbasis sind den wissen­schaftlichen Analysen zufolge Grundlagen für einen gelingenden Kinderschutz, sondern auch aussagekräftige Einschätzungs­instrumente sowie wirksame Hilfen für Gefährdungs­fälle. Im Zusammen­spiel von Forschung und Praxis ließen sich in allen drei Bereichen noch Verbesserungen erreichen, bilanzieren die Autor:innen.

Das Forschungsmagazin DJI Impulse berichtet über die wissen­schaftliche Arbeit am DJI, einem der größten sozial­wissenschaftlichen Forschungs­institute in Deutschland. Regelmäßig informieren Forschende über relevante Themen aus den Bereichen Kindheit, Jugend, Familie sowie Bildung und liefern Impulse für Politik, Wissenschaft und Fachpraxis. <


Alle Artikel aus dem DJI-Impulse-Schwerpunkt „Kinder und Jugendliche wirksam schützen“ digitalGesamtausgabe DJI Impulse 1/2025 „Kinder und Jugendliche wirksam schützen“ (kostenloser Download oder Print-Bestellung)DJI-Kinderschutzexpertin und Psychologin Dr. Susanne Witte in Folge 7 des Videocasts Perspektiven


Kontakt
Dr. Susanne Witte, Kinderschutz-Expertin
089/62306-221
witte@dji.de 

Prof. Dr. Sabine Walper, DJI-Direktorin
089/62306-289
walper@dji.de

Birgit Lindner, Abteilung Medien und Kommunikation
089/62306-180
blindner@dji.de