Publikationen

Antimuslimischer Rassismus und islamistischer Extremismus


Langner, Joachim/Jungmann, Annika (2024):
Antimuslimischer Rassismus und islamistischer Extremismus. Wechselseitige Bezüge in Forschung und pädagogischer Praxis.
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Die wechselseitigen Verbindungen von antimuslimischem Rassismus und islamistischem Extremismus zueinander in der pädagogischen Praxis sind seit den ersten pädagogischen Angeboten der Auseinandersetzung mit islamistischem Extremismus ein Thema in Fachdiskursen. Dabei werden auch Zusammenhänge zwischen den beiden Phänomenen diskutiert, deren empirische Untersuchung herausfordernd ist. Untersuchungen pädagogischer Arbeit zeigen jedoch, dass pädagogische Angebote beide Themen in der Praxis teilweise miteinander verknüpfen und Zusammenhänge benennen. Ziel des Berichts ist es, diese Verbindungen und Spannungsverhältnisse der beiden Themen in Bezug auf die pädagogische Praxis anhand des aktuellen Forschungsstands wissenschaftlicher Literatur darzulegen und auszudifferenzieren. Dazu werden Studienergebnisse zu wechselseitigen Verbindungen der Themen dargestellt und diskutiert. Das Review der Forschungsbefunde zeigt in Prozessen der Hinwendung und Radikalisierung junger Menschen zum islamistischen Extremismus vielfältige Zusammenhänge zu antimuslimischem Rassismus: Diese können über individuelle Diskriminierungserfahrungen, über die Wahrnehmung fehlender gesellschaftlicher Zugehörigkeit und Anerkennung und über die Identifikation mit kollektiven Gruppen (potenziell) Betroffener zu islamistisch-extremistischen Radikalisierungsprozesssen beitragen. Diese Zusammenhänge sind allerdings komplex und kontextabhängig. Besonders ist dabei zu beachten, dass Diskriminierungserfahrungen nicht nur unmittelbar als individuelle Krisenerfahrung in der Radikalisierung verarbeitet werden, sondern dass sie über die Ebene kollektiver Identifikation gerade indirekt zu einem Engagement motivieren können, das je nach Kontext demokratisch-emanzipativ oder an extremistische Narrative anschlussfähig verlaufen kann. Das Review der Forschung zu antimuslimischem Rassismus stellt heraus, dass es sich dabei um ein strukturelles Problem in der Gesellschaft handelt, das fortwährend bestehen bleibt. Einen Teil davon bilden antimuslimische Einstellungen, die durch zuschreibende Diskurse, die sich auf islamistischen Extremismus beziehen nach Ereignissen wie terroristischen Anschlägen verstärkt werden können. Zugleich führen zuschreibende Islamdiskurse zur assoziativen Vermengung von „Islam“ und „Islamismus“ und somit auch von „Muslim:innen“ und „Islamist:innen“. Diese Vermengung knüpft an Narrative vermeintlich gefährlicher Muslim:innen an, die auch eine Brücke zum Rechtsextremismus darstellen. Forschungsbefunde zur pädagogischen Praxis verweisen darauf, dass antimuslimischem Rassismus in der Auseinandersetzung mit islamistischem Extremismus eine wichtige Rolle zukommt. Antimuslimischer Rassismus ist dabei sowohl Thema der Arbeit als auch eine Rahmenbedingung, mit der sich die Praktiker:innen auseinandersetzen müssen. Ein sensibler Umgang mit dem Thema antimuslimischer Rassismus sowie entsprechenden Erfahrungen sind daher für die Praxis der (präventiven) Auseinandersetzung mit islamistischem Extremismus zu empfehlen, aber auch für andere pädagogische Kontexte in Jugendarbeit, Schule oder politischer Bildung. Insgesamt verweisen die Befunde auf einen besonderen Bedarf nach antirassistischer Bildungsarbeit, die durch ihre Relevanz für die Auseinandersetzung mit islamistischem Extremismus neben ihrer grundsätzlichen Wichtigkeit eine zusätzliche Bedeutung erhält. Der Bericht ist der vierte Band der Reihe „Zur pädagogischen Praxis der Demokratieförderung und Extremismusprävention“, die von der „Arbeits- und Forschungsstelle Demokratieförderung und Extremismusprävention“ am Deutschen Jugendinstitut herausgegeben wird.