Publikationen

Scheinbare Gewissheiten zu (Dauer-)Pflegeverhältnissen

Santen, Eric van/Pluto, Liane/Seckinger, Mike (2021):
Scheinbare Gewissheiten zu (Dauer-)Pflegeverhältnissen. Empirische Befunde.
In: Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe, 16. Jg., H. 3, S. 100-108

In diesem Beitrag werden Daten der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik in Bezug auf die Frage nach der Bedeutung der Perspektivenklärung im Kontext der Vollzeitpflege ausgewertet. Deutlich wurde, dass es für eine Änderung der bisherigen rechtlichen Regelungen bzw. der bisherigen Fachpraxis nicht ausreicht, sich auf Ergebnisse der Bindungsforschung zu beziehen. Diese wurden überwiegend in Studien mit unter Dreijährigen gewonnen. Diese Ergebnisse sind wiederum nur für einen Teil der Pflegeverhältnisse relevant: Die meisten jungen Menschen in Vollzeitpflege sind zu Beginn des Pflegeverhältnisses drei Jahre oder älter. Weiterhin zeigt sich, dass Beendigungen von Pflegeverhältnissen, die gemeinhin als Dauerpflegeverhältnisse bezeichnet werden, alles andere als selten sind. „Dauerpflegeverhältnisse“ sind in weniger als der Hälfte der Fälle tatsächlich von Dauer und bleiben bis zum Erwachsenenalter bestehen. Dies gilt auch für Pflegeverhältnisse mit jungen Menschen, die bereits in einem sehr jungen Alter in einer Pflegefamilie gekommen sind. Insofern scheint es problematisch, in gesetzlichen Regelungen die bisherige Verweildauer in einem Pflegeverhältnis zu einem zentralen Kriterium zu machen. Die prognostische Kraft der bisherigen Verweildauer für eine auf Dauer angelegte Lebensperspektive ist weitaus geringer als oftmals angenommen.