Wie inklusive Bildung an Schulen besser gelingen kann

DJI-Abschlussbericht legt Strategien, aber auch Probleme einer inklusiven Beschulung in Deutschland dar

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05. November 2025 -

Inklusive Bildungseinrichtungen müssen eine Vielzahl von Arbeitsmethoden und individuellen Förderstrategien bieten. Die Unterstützung von Lehrkräften, weiteren Fachkräften und Schulleitungen ist bei der Umstellung auf ein inklusives Bildungssystem wesentlich.  Es ist dabei entscheidend, dass die Akteurinnen und Akteure darüber hinaus nicht nur fähig, sondern auch Willens sind, Inklusion beim Lernen sicherzustellen. Grundlegend ist, dass die pädagogischen Konzepte und deren Tragfähigkeit beständig weiterentwickelt und immer wieder überprüft werden.

Der nun veröffentlichte Bericht mit dem Titel „Meta-Analyse – Inklusive Bildung an allgemeinbildenden Schulen“ wurde vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) im Auftrag des Observatoire national de l'enfance, de la Jeunesse et de la qualité scolaire (OEJQS) in Luxemburg erstellt. Ziel der Forschenden war es, ausgehend von einer deutschlandweiten Bestandsaufnahme zu Inklusion im Schulsystem Erfordernisse und Gelingensbedingungen für die inklusive Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf allgemein und unter dem besonderen Blickwinkel auf den Förderbereich „emotionale und soziale Entwicklung“ in Deutschland darzulegen. Darüber hinaus enthält der Bericht Umsetzungserfahrungen in Schweden und Italien.

Schulen müssen sich den unterschiedlichen Voraussetzungen anpassen

In Deutschland wird im Kontext der inklusiven Schulbildung selten zwischen den verschiedenen Förderschwerpunkten unterschieden. Um den unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürfnissen von Schülerinnen und Schülern mit verschiedenen Förderbedarfen und ohne spezifische Förderbedarfe im gemeinsamen Unterricht gerecht werden zu können, muss eine Binnendifferenzierung in der Gestaltung des inklusiven Unterrichts mit bedacht werden.

Kooperationen bilden Rahmen für ein inklusives Schulkonzept

Ein weiterer wichtiger Aspekt sind strukturierte engmaschige Kooperationen, die außerschulische Fachkräfte, etwa aus der Kinder- und Jugendhilfe, Schulpsychologinnen und -psychologen, Schulbegleitungen sowie Eltern, als kompetente Partnerinnen und Partner einbindet. Eine wichtige Rolle spielt hier die Schulleitung, die unterschiedliche Strategien koordiniert und entsprechende personale und finanzielle Ressourcen gezielt einsetzt sowie eine stetige Weiterentwicklung verfolgt. Kinder und Jugendliche sollten nicht nur beschult werden. Vielmehr ist die Ebene der sozialen Einbindung und Entwicklung zentral für eine vollumfängliche Teilhabe an Schule.

Voraussetzungen für einen gelingenden inklusiven Unterricht

Als weitere Voraussetzungen für eine erfolgreiche inklusive Bildungsarbeit gelten eine gemeinsame Verständigung zu inklusiver Schulbildung von pädagogischen Fachkräften und Schulleitungen sowie ein Verständnis darüber, dass inklusive Schulbildung ein hochkomplexer Prozess ist, der einer beständigen Überprüfung der Zielerreichung und einer fortwährenden Weiterentwicklung bedarf. Weiterhin sind positive Einstellungen vonseiten der Fachkräfte, der Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler ein wesentlicher Kern eines Inklusionskonzepts. Dies ist auch oftmals zentraler Bestandteil von Fortbildungen, Supervisionen und Teamsitzungen. Nur wenn diese Vielfalt und verschiedene Dimensionen zusammenspielen, können alle Schülerinnen und Schüler von einem inklusiven Schulkonzept profitieren. Inklusion beschäftigt sich mit allen Kindern und Jugendlichen einer Schule, nicht ausschließlich mit Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Die Unterstützung und Entlastung der Fachkräfte erfolgt durch Fortbildungen, Supervisionen und Teamsitzungen. Inklusive Schule ist nicht nur auf schulisches Lernen und Leistungsentwicklung fokussiert. Sie hat außerdem durch klassenbezogene und gruppenbezogene Angebote etwa im Rahmen von Ganztagsangeboten die Zielsetzung, das soziale Miteinander zu stärken. So kann etwa durch soziale Gruppenangebote die Akzeptanz von Vielfalt erlernt und damit ein von Vielfalt geprägtes konstruktives soziales Miteinander angeregt und realisiert werden.   

Etablierung inklusiver Beschulung

Die im Bericht aufgeführten Praxisbeispiele verdeutlichen den positiven Einfluss institutioneller Kooperationen auf die vollumfängliche Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit emotionalem und sozialem Förderbedarf. Durch die enge Zusammenarbeit des multiprofessionellen Teams können die betroffenen Kinder stabile Beziehungen zu weiteren Bezugspersonen aufbauen, während einzelne Lehrkräfte sowie Pädagoginnen und Pädagogen entlastet werden. Darüber hinaus ist die Einbeziehung der Eltern in die schulische Förderung unerlässlich vor allem bei Kindern und Jugendlichen mit ausgeprägten emotionalen und sozialen Auffälligkeiten. Mit Blick auf die Unterrichtsgestaltung und Klassenführung erscheint der umfassende Ansatz der Mehrebenenprävention überzeugend. Damit geeignete Fördermaßnahmen und Trainingsprogramme eingesetzt werden und deren Erfolg überprüft wird, ist die Verlaufsdiagnostik entscheidend, die Daten zum Stand aller Schülerinnen und Schüler im Lernen und Verhalten regelmäßig erhebt.

Um die schulische Inklusion in Deutschland voranzubringen, ist es erforderlich, die Doppelstruktur von allgemeinbildenden und Förderschulen aufzulösen, einheitliche Umsetzungsstandards inklusiver Schulbildung durch die Kultusministerkonferenz (KMK) einzuführen, systematische Aus- und Fortbildung anzubieten sowie die individuelle Begleitung von Übergängen insbesondere zwischen Grundschule und weiterführende Schulen zu stärken.

Inklusive Schulentwicklung in Italien und Schweden

Die Analyse verschiedener europäischer Länder im Hinblick auf inklusive Schulsysteme verdeutlicht, dass Italien ein Vorbild für Inklusion im Bildungswesen ist. Das Land verfügt über zielgerichtete bildungspolitische Rahmenbedingungen, die die Umsetzung eines inklusiven Bildungssystems fördern. Trotz aller Entwicklungen hin zu einem inklusionsorientierten Bildungssystem besteht jedoch auch dort weiterhin Verbesserungsbedarf.

Europaweit ist zudem Schweden eine Referenz, weil die Bildungspolitik Schwedens hauptsächlich auf soziale Eingliederung ausgerichtet ist und dem grundlegenden Prinzip der Chancengleichheit im Bildungsbereich folgt. Bei genauer Analyse des Stands der Inklusion zeigen sich Umsetzungsprobleme, was dazu führt, dass vermeintlich inklusive Praktiken exklusive Strukturen herausbilden. Die Bildungspolitik Schwedens unterliegt seit Jahren starken Veränderungen, insbesondere im Zuge einer zunehmenden Privatisierung, die das ursprüngliche Konzept der (inklusiven) Gesamtschule angreift.

Der Blick auf Schweden und Italien verweist auf Potenziale für Deutschland, insbesondere im Hinblick auf die Implementierung des Rechts von Schülerinnen und Schülern, in Zusammenarbeit mit ihren Lehrkräften eigenständig über ihre Schullaufbahn zu entscheiden. Dies steht im Gegensatz zum deutschen System, in dem Entscheidungen weitgehend im Rahmen des Elternwahlrechts getroffen werden.

 

Meta-Analyse – Inklusive Bildung an allgemeinbildenden Schulen, DJI-Abschlussbericht, Irene Hofmann-Lun, Shih-cheng Lien, Philipp Reimann, Birgit Reißig, 142 Seiten, ISBN: 978-3-86379-585-6 (PDF)

 

Kontakt
Prof. Dr. Birgit Reißig
Leitung Forschungsschwerpunkt Übergänge im Jugendalter
0345/68178-33
reissig@dji.de

Sonja Waldschuk
Abteilung Medien und Kommunikation
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