Wie der Umgang mit radikalisierten Kindern und Jugendlichen gelingen kann
Drei Publikationen des DJI-Projekts „Radikal, fundamentalistisch, anders – Fachkräfte im Kontakt (RaFiK)“ und begleitende Podcasts beschreiben Herausforderungen und mögliche Lösungswege
Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe kommen immer häufiger und direkter in Kontakt mit Kindern aus fundamentalistischen oder demokratiefeindlich gestimmten Elternhäusern oder treffen auf bereits selbst radikalisierte Kinder und Jugendliche. Sie stehen dabei oft vor der konflikthaften Frage, wie sie sich professionell verhalten und positionieren sollen. Diesen Themen haben sich Forschende des Deutschen Jugendinstituts (DJI) in Zusammenarbeit mit SOCLES International Centre for Socio-Legal Studies und cultures interactive – Verein zur interkulturellen Bildung und Gewaltprävention (CI) gewidmet.
Ziel des Projekts „Radikal, fundamentalistisch, anders – Fachkräfte im Kontakt (RaFiK)“ war es herauszufinden, wie sich Fachkräfte den religiösen oder politischen Themen annehmen, wie sie ihre eigenen Sichtweisen zur Sprache bringen sowie wann und wie sie in ihrem Vorgehen auf den Diskurs und die Handlungsansätze von Expertinnen und Experten aus dem Feld Radikalisierungsprävention zurückgreifen. Die Ergebnisse sollen der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe Orientierung geben und einen Beitrag leisten zum Brückenbau zwischen dem spezialisierten Feld der Arbeit mit religiös begründetem Extremismus und den Regelstrukturen. Ferner sollen sie in einem breit angelegten Prozess in der Fachöffentlichkeit diskutiert und in Prozesse überführt werden, in denen Handlungsempfehlungen erarbeitet sowie Strukturen aufgebaut werden.
Handlungssicherheit im Umgang mit Radikalisierung
Im Projekt wurden sechs Fokusgruppen mit Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe (zum Beispiel Jugendamt, Hilfen zur Erziehung, Jugendarbeit, Kita) und angrenzender Bereiche (beispielsweise Schule) durchgeführt. Im Mittelpunkt der Handreichung „Handlungsempfehlungen für Fachkräfte im Kontakt mit „anderer“, fundamentalistischer und radikaler Religiosität und Weltanschauung“ stehen dabei die Herausforderungen und Dilemmata, welchen die Fachkräfte im Zuge ihrer Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien begegnen, die sich religiös radikalisieren, fundamentalistische oder undemokratische sowie menschenfeindliche Haltungen vertreten. Zugleich geht es aber auch um die Lösungswege, die sie wählen.
Zentrale Fragen sind, wie Fachkräfte mit diesen Familien in einen gelungenen Kontakt kommen können, wie sich das Verhältnis von Radikalisierung und Kindeswohl gestaltet und welche Aspekte für die Kooperation im Dreieck von Jugendhilfe, Radikalisierungsprävention und Sicherheitsbehörden von zentraler Bedeutung sind.
Rechtsexpertise zum religiösen Neutralitätsgebot
Die Expertise „Religion und Weltanschauung in der Kinder- und Jugendhilfe: Neutral gegen radikal?“ setzt sich vor allem mit den verfassungsrechtlichen Implikationen auseinander, die bei der Arbeit mit den Familien von Fachkräften zu berücksichtigen sind. Zum einen geht es darum, der Bedeutung, dem Sinngehalt und der Reichweite der grundrechtlichen Position der Eltern nachzugehen. Diese genießen nicht nur das Grundrecht zur Erziehung ihres Kindes nach den eigenen Vorstellungen, sondern auch das Grundrecht der Glaubensfreiheit. Diesen spezifischen verfassungsrechtlichen Schutz für die religiös-weltanschauliche Kindererziehung müssen auch die Fachkräfte im Kontext ihrer Arbeit respektieren. Zum anderen gilt dieses besondere Grundrecht nicht unbegrenzt, sondern findet seine Grenzen einerseits im Wohlergehen des Kindes, zum anderen aber auch in den (Grund-)Rechten Dritter. Die Expertise liefert die verfassungsrechtlichen Herleitungen dieser unterschiedlichen Aspekte und setzt sie ins Verhältnis, um daraus für die Fachkräfte handlungsleitende Rückschlüsse zu ziehen.
Angebote und Ansätze der Präventionsarbeit
Die Expertise „Prävention und Intervention gegen Menschen- und Demokratiefeindlichkeit: Angebote und Ansätze“ beschäftigt sich mit dem weiten Feld der Präventionsarbeit. Sie beschreibt ausführlich deren verschiedene Ansätze und Grundlagen, setzt sich mit den Zielgruppen auseinander und liefert erstmalig einen umfassenden Vergleich deutscher Angebote und setzt diese in Bezug mit anderen europäischen Angeboten.
Podcast behandelt zentrale Aspekte des RaFiK-Projekts
In den Folgen 6 bis 10 des SOCLES-Podcasts „Recht trifft soziale Wirklichkeit“ geht es um zentrale Aspekte des RaFiK-Projekts. Themen sind beispielsweise die Phänomene rechter Radikalisierung und Verschwörungsideologien oder im Gespräch mit DJI-Wissenschaftler Prof. Dr. Heinz Kindler die Kindeswohlgefährdung in religiös extremistisch eingestellten Familien. Ferner stehen die Kooperationsbeziehungen der Kinder- und Jugendhilfe mit den Sicherheitsbehörden sowie mit den Trägern der Präventions- und Deradikalisierungsarbeit im Zentrum.
Projekt „Radikal, fundamentalistisch, anders – Fachkräfte im Kontakt (RaFiK)“ mit Download der drei ExpertisenFachliches Handeln zum Wohl von Kindern und Jugendlichen im Kontakt mit »anderer«, fundamentalistischer und radikaler Religiosität und Weltanschauung. Handlungsempfehlungen aufbauend auf zentralen Erkenntnissen des Projekts »Radikal, fundamentalistisch, anders – Fachkräfte im Kontakt (RaFiK)«, Thomas Meysen, Leon A. Brandt, Susanne Witte, Zainab Fakhir, Heinz Kindler, 176 Seiten, DOI: 10.36189/DJI202219SOCLES-Podcast "Recht trifft soziale Wirklichkeit"cultures interactive – Verein zur interkulturellen Bildung und Gewaltprävention (CI)
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Dr. Susanne Witte
Projekt „Radikal, fundamentalistisch, anders – Fachkräfte im Kontakt (RaFiK)“
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