Corona-Notbetreuung verhindert negatives Erziehungsverhalten
DJI-Wissenschaftlerinnen untersuchten Auswirkung der Notbetreuung auf elterlichen Stress und Erziehungsverhalten in der Pandemie

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Welche Auswirkungen hatten Kita- und Schulschließungen während der COVID-19-Pandemie auf elterliches Wohlbefinden und Erziehungsverhalten? Wie wirksam war eine Notbetreuung gegen elterlichen Stress und negatives Erziehungsverhalten? Diesen Fragen widmet sich eine aktuelle Studie von Dr. Simone Schüller und Hannah S. Steinberg. Die Wissenschaftlerinnen des Deutschen Jugendinstituts (DJI) untersuchten die Auswirkung der Notbetreuungsmaßnahmen der Bundesländer zu Beginn des ersten COVID-19 Lockdowns im März/April 2020.
Auswertung der DJI-Daten
Um den Zusammenhang zwischen Notbetreuung und elterlichem Stresserleben zu analysieren, haben die Autorinnen Daten des DJI-Surveys „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten (AID:A) 2019“ und der AID:A 2020 Corona Add-on Studie herangezogen. Über 600 Familien mit Kindern unter zwölf Jahren, die eine Kita oder Schule besuchen, wurden vor und während der Corona-Pandemie unter anderem zu ihrem Erziehungsverhalten und Wohlbefinden befragt.
„Wir stellten fest, dass die Notbetreuungsmaßnahmen deutliche Effekte hatten, die auch Monate nach dem ersten Lockdown noch statistisch signifikant messbar waren. Unserer Analyse zufolge konnte der Zugang zu Notbetreuung den Pandemie-Druck auf das elterliche Wohlbefinden zwar nicht merklich mindern, wohl aber konnte der Anstieg schädlichen Erziehungsverhaltens wie häufiges „Wütend werden“ effektiv verhindert werden“, betont Dr. Simone Schüller.
Im Umkehrschluss zeigen diese Befunde, dass der beobachtete Anstieg von schädlichem Erziehungsverhalten, dem sogenannten „harsh parenting“, in Deutschland zwischen den Jahren 2019 und Spätsommer 2020 konkret auf die KiTa- und Schulschließungen zurückzuführen sind. Die ebenfalls beobachtete deutliche Verminderung elterlichen Wohlbefindens, insbesondere der allgemeinen Lebenszufriedenheit, scheinen ein allgemeinerer Pandemie-Effekt zu sein, der nicht allein mit den Schließungen im Zusammenhang steht.
Auswirkung auch auf positives Erziehungsverhalten
Die Haupteffekte der Notbetreuung auf das negative Erziehungsverhalten sind gleichermaßen für Mütter und Väter offensichtlich. Sie finden sowohl bei Eltern statt, die vor der Pandemie „selten“ oder „nie“ von diesem Erziehungsverhalten berichten, als auch bei denjenigen Eltern, bei denen dies häufiger der Fall ist. Interessant ist zudem, dass sich die Notbetreuung auch auf positives Erziehungsverhalten auszuwirken scheint und beispielsweise verhindert, dass die kindzentrierte Kommunikation, insbesondere bei Vätern, pandemiebedingt abnimmt.
Methodisch basieren die Analysen auf einem quasi-experimentellen „Dreifach-Differenzen“-Ansatz. Dabei nutzen die Forscherinnen den Umstand, dass es während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 in den einzelnen Bundesländern Unterschiede in den Regelungen des Zugangs zur Notbetreuung gab. Dieser Zugang wurde abhängig von der beruflichen Systemrelevanz der Eltern gewährt, allerdings in unterschiedlicher Weise. So galt beispielsweise in einigen Bundesländern die „Ein-Eltern-Regel“, nach der ein systemrelevantes Elternteil ausreichte, um Zugang zur Notbetreuung zu erlangen, während in anderen Bundesländern nach der „Zwei-Eltern-Regel“ beide Eltern systemrelevant sein mussten. Dieser Umstand ermöglicht den Forscherinnen den Vergleich von Elternpaaren mit gleichen beruflichen Konstellationen, deren Zugang zur Notbetreuung jedoch davon abhängt, in welchem Bundesland sie wohnen. Über diesen Vergleich kann sichergestellt werden, dass die untersuchten Veränderungen auf die Notbetreuung zurückzuführen sind und nicht mit speziellen pandemischen Belastungen systemrelevanter Berufe im Zusammenhang stehen.
Ein weiterer Vergleich mit Elternpaaren, die aufgrund ihrer beruflichen Konstellation in keinem Bundesland Zugang zur Notbetreuung haben, dient dazu, zusätzlich auch Bundesland-spezifische Veränderungen über die Zeit herauszurechnen, die nicht mit der Notbetreuung im Zusammenhang stehen, sondern beispielsweise mit unterschiedlich starker Betroffenheit durch Inzidenzen oder unterschiedlich rigiden Maßnahmen.
Parents under stress: Evaluating emergency childcare policies during the first COVID-19 lockdown in Germany (peer-reviewed), Simone Schüller, Hannah S. SteinbergAufwachsen in Deutschland: Kinder, Jugendliche und Familien vor und während Corona
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