Zehn Jahre „Internationales Zentrum Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (ICEC)“

Das ICEC feierte sein Jubiläum mit einer Fachtagung zum Thema „Translating Visions into Practice: Wie werden Qualitätsreformen in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung in anderen Ländern umgesetzt?“

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26. Juni 2023 -

Die Fachtagung des „Internationalen Zentrums Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (ICEC)“ am Deutschen Jugendinstitut (DJI) bot Anlass für einen gelungenen Austausch von nationalen und internationalen Akteurinnen und Akteuren aus Politik, Fachpraxis und Wissenschaft. Zehn Jahre zuvor fand die Auftakttagung zur Gründung des ICEC statt, das im Jahr 2012 als „Arbeits- und Forschungsstelle“ am DJI seine Arbeit aufnahm.

Inspiriert durch die Keynote von Prof. Mathias Urban von der Dublin City University in Irland und mehrere Länderbeispiele diskutierten die über hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Frage, welche Ansätze Länder bei der Qualitätsentwicklung verfolgen und wie sie Qualitätsreformen in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung in gelebte Praxis übersetzen. Als erste Gratulantin eröffnete die Parlamentarische Staatssekretärin Ekin Deligöz die Tagung.

In seinem Vortrag bettete Prof. Dr. Mathias Urban die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in einen globalen Rahmen ein und erinnerte an die Verantwortung, Kindern weltweit faire Chancen und einen lebenswerten Planeten zu gewährleisten. Er mahnte an, dabei Perspektiven und Erfahrungen aus Ländern des globalen Südens zu berücksichtigen. Diese würden zum Teil ehrgeizige multisektorale Strategien für die frühe Kindheit entwickeln. Gerade von ihnen ließe sich für den Umgang mit Krisen Vieles lernen.

Qualitätsentwicklung in der Frühen Bildung

Reformbeispiele aus Finnland, Dänemark und Frankreich beleuchteten im Anschluss unterschiedliche Anknüpfungspunkte für Qualitätsentwicklung. Prof. em. Dr. Kirsti Karila von der Universität Tampere in Finnland berichtete über „Erfolge und Herausforderungen auf dem Weg zu höchster Professionalität“. So stellt die Professionalisierung der Fachkräfte einen zentralen Baustein der umfassenden Qualitätsreform in Finnland dar. Vor dem Hintergrund einer langen Tradition multiprofessioneller Teams beschäftigen sich aktuelle Debatten und Kommissionen dabei unter anderem mit der Entwicklung eines gemeinsamen Kerncurriculums und differenzierter Kompetenzbereiche für die verschiedenen Berufsgruppen, die in frühkindlichen Einrichtungen tätig sind.

In Dänemark beispielsweise sind die Kommunen seit kurzem per Gesetz verpflichtet, ein Qualitätsmonitoring durchzuführen. Eine auf nationaler Ebene eingerichtete Agentur unterstützt sie dabei, ein lokales Konzept dafür zu entwickeln, und fördert das „peer learning“ unter den Kommunen. Persille Schwartz vom Nationalen Institut für Bildung und Qualität in Dänemark, die als Chefberaterin in der genannten Agentur fungiert, sprach über das Monitoring, das auch Beobachtungen in den Kitas und der Kindertagespflege umfasst. Es versteht sich dabei nicht als Kontrolle, sondern als Grundlage für Qualitätsentwicklung und kennt daher auch keine Sanktionen, sondern gemeinsam erarbeitete Aktionspläne dort, wo Verbesserungsbedarf besteht.

Entgegen der häufig zitierten Vorbildfunktion hat Frankreich ebenfalls mit Herausforderungen in der Bildung, Betreuung und Erziehung der Jüngsten zu kämpfen. Prof. Dr. Pascale Garnier von Université Sorbonne Paris Nord berichtete über das zersplitterte französische System der Kinderbetreuung für unter Dreijährige, welches extrem unterschiedliche Bedingungen des Aufwachsens für Kinder schafft und vor allem zugewanderte Eltern benachteiligt, die sich in dem System kaum zurechtfinden. Es bestehen große regionale und soziale Unterschiede im Zugang zu qualitativ guter Betreuung. Bei den aktuellen Reformbestrebungen richtet Frankreich auch den Blick nach Deutschland.

Bereits zu Beginn der Tagung erinnerte DJI-Direktorin Prof. Sabine Walper an die großen Visionen, die in Deutschland hinter dem Ausbau der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung standen, die sich bisher aber nur zum Teil erfüllt hätten. Sie erklärt: „Es geht darum, Bildungsdisparitäten wirksamer abzubauen und das Qualitätsversprechen einzulösen“. Und sie würdigte in diesem Zusammenhang die Rolle des ICEC. “Das ICEC trägt seit zehn Jahren dazu bei, internationale Erfahrungen und politische Konzepte in die Diskussion in Deutschland und die Weiterentwicklung unserer Fachpraxis hineinzubringen“.

In der abschließenden Podiumsdiskussion thematisierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie sich die aktuelle Lage in Deutschland angesichts eines zunehmenden Fachkräftemangels bei gleichzeitig steigenden Betreuungsbedarfen darstellt. Weitere Diskussionsthemen waren, vor welchen Herausforderungen die Frühe Bildung nach der COVID-19-Pandemie steht sowie die aktuelle Situation bei der Integration Geflüchteter mit jungen Kindern.

Gründung des ICEC

Den länderübergreifenden Austausch zu fördern ist eine der zentralen Aufgaben des ICEC. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am DJI arbeiten seit der Gründung des ICEC im Jahr 2012 in internationalen Gremien, dem OECD-Netzwerk Frühkindliche Bildung und Betreuung und der Expertnnen- und Expertengruppen der Europäischen Kommission und an internationalen Studien mit. Unter Federführung der Europäischen Kommission waren sie unter anderem an der Erarbeitung eines Vorschlags für einen europäischen Qualitätsleitrahmen für die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung beteiligt, der im Jahr 2019 zu einer entsprechenden Empfehlung des Europäischen Rates führte. Auch die Arbeit der aktuellen Gruppe zu Fragen von Monitoring und Evaluation wird vom ICEC unterstützt.

Deutschland entschied sich im Jahr 2016 für die Teilnahme an der ersten internationalen Fachkräftebefragung, die Kita-Personal zu verschiedenen Themen des Arbeitsalltags zu Wort kommen lässt. Neben Deutschland beteiligten sich acht weitere Länder an der TALIS Starting Strong Studie, die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) konzipiert wird. Das ICEC wurde als nationales Studienzentrum mit der Durchführung in Deutschland beauftragt. Rund 3.000 pädagogisch Tätige und Leitungen aus mehr als 500 Kitas deutschlandweit berichteten in der ersten Erhebung 2018 aus ihrem Arbeitsalltag. Aktuell wird die zweite Erhebung vorbereitet. Dadurch wird nicht nur ein Zeitvergleich möglich – in der aktuellen Studie hat sich auch die Zahl der teilnehmenden Länder nahezu verdoppelt.

Darüber hinaus setzte das ICEC sich für viele weitere internationale Kooperationen ein und führte im Rahmen der eigenen „Equal Access“-Studie empirische Erhebungen zu lokalen Zugangsbedingungen zu frühkindlicher Bildung für benachteiligte Familien im internationalen Vergleich durch. Die Studie wird mit dem Fokus auf gleichberechtigte Teilhabe und bedarfsgerechte Angebote frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung in Migrationsgesellschaften fortgesetzt.

 

Stationen des ICEC seit der Gründung im Jahr 2012[1]Das KiTa-Qualitätsgesetz[2]Internationales Zentrum Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (ICEC)[3]DJI Impulse-Ausgabe mit dem Schwerpunkt „Frühe Bildung weiterentwickeln“ [4]

 

Kontakt
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