Kinderschutz während der Pandemie

Jugendämter bemühen sich, Gefahren für Kinder und Jugendliche zuverlässig zu erkennen, doch es gibt Hinweise auf unerkannte Gewalt. Das zeigen Ergebnisse einer aktuellen Erhebung.

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25. Februar 2021 -

Um aktuelle und belastbare Daten über das Handeln der Jugendämter im Kinderschutz in Corona-Zeiten zu erhalten, lässt das Bundesfamilienministerium seit Mai 2020 Daten zu den durchgeführten Gefährdungseinschätzungen erfassen. Die Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik (AKJStat) im Forschungsverbund DJI/TU Dortmund wertet Ergebnisse der mindestens noch bis Mai 2021 laufenden „8a-Zusatzerhebung 2020“ kontinuierlich aus. Dr. Jens Pothmann, Leiter der DJI-Abteilung „Jugend und Jugendhilfe“, und AKJStat-Geschäftsführer Dr. Thomas Mühlmann haben dazu in der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins DJI Impulse und in den „Kommentierten Daten der Kinder- und Jugendhilfe“ (KomDat Jugendhilfe) die Entwicklungen bis Juli 2020 analysiert. Ein neu veröffentlichter Werkstattbericht der AKJStat aktualisiert diese Ergebnisse und erweitert den Analysezeitraum bis einschließlich Oktober 2020.

Jugendämter bearbeiten teilweise überproportional viele Verdachtsfälle auf Kindeswohlgefährdungen
Ein zentrales Zwischenergebnis ist, dass die rund 200 an der Erhebung teilnehmenden Jugendämter zwischen Mai und Oktober des Jahres 2020 insgesamt knapp 5 Prozent mehr „8a-Verfahren“ durchgeführt haben als im selben Zeitraum des Vorjahres. Da bereits zuvor die Fallzahlen stetig gestiegen sind, wurde damit etwa eine Größenordnung erreicht, wie sie auch ohne den Einfluss der Corona-Pandemie zu erwarten gewesen wäre, wenn sich dieser Trend fortgesetzt hätte. Während der zunehmenden Öffnung von Institutionen und stetigen Lockerung der Kontaktbeschränkungen im Juni 2020 zeigt sich in den aktualisierten Ergebnissen inzwischen ein möglicher „Nachholeffekt“, wie er teilweise prognostiziert worden war. Auch im Oktober 2020 haben die Jugendämter eine überproportionale Zahl an Verdachtsfällen auf Kindeswohlgefährdungen bearbeitet, die entweder darauf hindeuten, dass Gefährdungssituationen zugenommen haben oder verspätet und daher gehäuft gemeldet wurden.

Erhöhte Anzahl von Gefährdungen wird noch nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen
Dass das Volumen wahrgenommener und bearbeiteter Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdungen insgesamt nicht noch stärker gestiegen und in mehr als einem Viertel der Jugendamtsbezirke sogar gesunken ist, ist laut Untersuchung aus mehreren Gründen kritisch zu betrachten. Nicht zuletzt legt der aktuelle, teilweise noch vorläufige Forschungsstand anderer Studien zu diesem Thema den Schluss nahe, dass die Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen zu einem Anstieg von Gefährdungssituationen für Kinder und Jugendliche geführt haben könnten. Zumindest diejenigen Jugendämter, die gleichbleibende oder geringere Fallzahlen verzeichnen, haben möglicherweise eine gestiegene Anzahl von Gefährdungen bislang nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen. Gleichzeitig legen die Befunde aber auch nahe, dass vielerorts die Kommunikations- und Kooperationsstrukturen im Kinderschutz auch während der Pandemie aufrechterhalten wurden.


Neuer Werkstattbericht der 8a-Zusatzerhebung[1]Analyse in der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins DJI Impulse[2]Weitere Berichte aus der Corona-Forschung[3]Aktuelle Ausgabe von DJI Impulse zur Corona-Forschung[4]

Kontakt
Dr. Thomas Mühlmann
Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut e.V./TU Dortmund, Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik
0231/755-5554
thomas.muehlmann@tu-dortmund.de

Birgit Taffertshofer
Abteilung Medien und Kommunikation am DJI
089/62306-180
taffertshofer@dji.de