Gut ausgebildet und gestresst: Personalmangel und Fehlzeiten belasten Kita-Fachkräfte in Deutschland
Erste Ergebnisse einer OECD-Studie liegen vor, für die pädagogisches und leitendes Kita-Personal aus 17 Ländern befragt wurde
Qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) ist eine zentrale Voraussetzung dafür, allen Kindern – unabhängig von ihrer familiären Situation – gleiche Bildungschancen zu ermöglichen. Doch in Deutschland erschweren Personalmangel und Fehlzeiten in Kitas die Umsetzung dieses Anspruchs, zeigen Ergebnisse der internationalen Vergleichsstudie TALIS Starting Strong, an der Forschende des Deutschen Jugendinstituts (DJI) beteiligt waren: Fast 80 Prozent der befragten Kita-Leitungen geben an, dass Fehlzeiten ihre Möglichkeiten beeinträchtigen, den Kindern ein gutes Umfeld für Entwicklung, Wohlbefinden und Lernen zu bieten. Und mehr als jede zweite Kita-Leitung befürchtet, dass ein Mangel an Personal in Bezug auf die Anzahl der betreuten Kinder die Umsetzung dieses Ziels erschwert. Die Werte liegen deutlich über dem Niveau der meisten anderen untersuchten Länder und gelten für Einrichtungen mit Kindern im Alter von 3 Jahren bis zum Schuleintritt (Ü3) ebenso wie für solche mit unter Dreijährigen (U3).
An der Studie, die die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Frühjahr 2024 zusammen mit nationalen Partnern durchführte, haben über 25.000 Fach- und Leitungskräfte in Kindertageseinrichtungen aus 17 Ländern teilgenommen und zu ihren Arbeitsbedingungen, ihrer Zufriedenheit sowie pädagogischen Praktiken im Alltag Auskunft gegeben. In Deutschland haben Forschende des Internationalen Zentrums Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (ICEC) am DJI die Studie geleitet und rund 2.000 Fach- und Leitungskräfte befragt.
Berufsbedingter Stress erhöht das Risiko, dass pädagogisches Personal das Arbeitsfeld verlässt
Die Ergebnisse von TALIS Starting Strong 2024 zeigen auch, welche Auswirkungen die personellen Engpässe in Deutschland auf die pädagogisch Tätigen selbst haben: Zusätzliche Aufgaben aufgrund von Abwesenheiten von Kolleg:innen ist der Befragung zufolge einer der größten Belastungsfaktoren für das pädagogische Personal. Zudem erlebt in Deutschland mehr als Dreiviertel der befragten Fach- und Leitungskräfte (Ü3: 76 Prozent, U3: 79 Prozent) Stress im Kita-Alltag – ein deutlich höherer Anteil als in den meisten anderen untersuchten Ländern – was den Daten zufolge gravierende Auswirkungen haben kann: Pädagogisch Tätige, die stärker gestresst sind, erwägen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit, ihren Beruf aufzugeben, um psychische oder körperliche Gesundheitsprobleme zu bewältigen, aber auch, um eine Tätigkeit außerhalb der Kindertagesbetreuung aufzunehmen.
„Um über eine günstigere Personal-Kind-Relation mehr Qualität zu erreichen und gut qualifiziertes Personal im Arbeitsfeld Kita zu halten, muss weiterhin in ausreichend Personal und bessere Arbeitsbedingungen investiert werden“, fordert Daniel Turani vom Internationalen Zentrum Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung am DJI. Dies gelte trotz sinkender Geburtenraten, die künftig in den ostdeutschen Bundesländern einen gemäßigteren Platz- und Personalbedarf in Kitas erwarten lassen.
Pädagogisches Personal ist mit dem Beruf zufrieden, vermisst aber gesellschaftliche Wertschätzung
Trotz hoher Arbeitsbelastung ist der Großteil der pädagogisch Tätigen (Ü3: 93 Prozent, U3: 87 Prozent) mit seinem Beruf zufrieden und fühlt sich von Eltern und Kindern wertgeschätzt. Deutlich verbessert hat sich im Vergleich zur ersten TALIS Starting Strong Studie im Jahr 2018 die Zufriedenheit mit dem Gehalt, und zwar um rund 15 Prozentpunkte auf 42 Prozent. Eine mögliche Erklärung dafür sind die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst. Dennoch wünscht sich immer noch mehr als die Hälfte eine bessere Bezahlung und ebenso viele mehr gesellschaftliche Anerkennung. In den anderen untersuchten Ländern zeigt sich ein ähnliches Bild.
Hoher Fortbildungsbedarf in Bezug auf sprachliche und sonderpädagogische Förderung von Kindern
Eine Herausforderung für das Kita-Personal in allen Ländern ist der Studie zufolge die zunehmende Heterogenität in den Einrichtungen und eine steigende Anzahl an Kindern mit besonderen Bedürfnissen. Dies zeigt ein hoher Fortbildungsbedarf auf diesen Gebieten: Jede vierte Kita-Fachkraft in Einrichtungen für Kinder ab drei Jahren bis zum Schuleintritt in Deutschland wünscht sich mehr Wissen im Umgang mit Kindern, die zu Hause nicht Deutsch sprechen. Mehr als ein Drittel äußert Fortbildungsbedarf in Bezug auf die Arbeit mit Kindern, die sonderpädagogischen Förderbedarf haben.
Personalmangel bremst Weiterbildung
Gleichwohl ist die Fachkompetenz in deutschen Kitas im internationalen Vergleich hoch: 95 Prozent der Pädagogisch Tätigen geben an, eine spezifische Ausbildung für die Arbeit mit Kindern absolviert zu haben; mehr als zwei Drittel sogar auf Bachelor-Niveau (ISCED-Level 6 oder höher). Auch die persönliche Weiterentwicklung wird der Studie zufolge vergleichsweise stark gefördert: durch Feedback der Leitungen und dadurch, dass das Personal für Fort- und Weiterbildungen beispielsweise von der Arbeit mit Kindern freigestellt wird und die Kosten erstattet bekommt. Entsprechend hoch ist mit rund 85 Prozent der Anteil der Befragten in Deutschland, die im vergangenen Jahr eine Fort- und Weiterbildungsmaßnahme besucht haben. Dennoch gibt es auch Hürden für die Teilnahme: So gibt etwa die Hälfte an, dass es an Personal mangelt, das während der Abwesenheit einspringen kann.
Zentrale Ergebnisse der TALIS Starting Strong Studie wurden im OECD-Bericht mit dem Titel „Results from TALIS Starting Strong 2024 – Strengthening Early Childhood Education and Care“ und in einer „Ländernotiz für Deutschland“ veröffentlicht und in einem Webinar am 4. Dezember 2025 vorgestellt. Die Studie wurde im Jahr 2018 erstmals in neun Ländern durchgeführt, eine dritte Auflage ist für 2030 geplant. Die deutsche Teilnahme an der Studie wurde durch das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit Unterstützung durch die Europäische Kommission finanziert.
Ergebnisbericht “Results from TALIS Starting Strong 2024 – Strengthening Early Childhood Education and Care”[1]Ländernotitz Deutschland (PDF)[2]
Mitschnitt des Webinars (YouTube)[3]Aktuelle Informationen zur Talis Starting Strong-Studie[4]
Kontakt
Daniel Turani
Internationales Zentrum Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (ICEC)
089/62306-276
turani@dji.de
Uta Hofele
Medien und Kommunikation
089/62306-446
hofele@dji.de